# taz.de -- Freie Termine in Bürgerämtern: Jetzt amtlich: Es geht schneller | |
> Das leidige Warten soll ein Ende haben. Rot-Rot-Grün will die Bürgerämter | |
> in Schwung bringen. Hat sich die Lage schon verbessert? | |
Bild: Schluss mit meterlangen Schlangen? | |
Es ist still im Bürgeramt Prenzlauer Berg an der Fröbelstraße. Sieben | |
Wartende besetzen etwa die Hälfte der Stühle, die meisten schauen verträumt | |
auf ihr Smartphone. Ein Bildschirm, der Wartenummern auflistet, hängt über | |
ihnen. Punkt 15 Uhr fängt mit einem Pling die Nummer 84390 an zu blinken. | |
Der Termin, den die taz erst am Mittag online buchte, um einen Reisepass zu | |
beantragen. | |
So ein Termin kostete vor etwa einem Jahr noch viel Zeit und Nerven: Zeit, | |
monatelang auf einen Termin zu warten, Nerven, dann Stunden auf dem Amt zu | |
verbringen, und beides, um die vergeudete Zeit mit Überstunden zu | |
kompensieren. Viele Bürger*innen litten unter dem Verwaltungschaos. Einige | |
griffen gar auf einen Schwarzmarkt zurück, der mit kurzfristig | |
freigeschalteten Terminen handelte. | |
Diese Zeiten haben sich aber nun geändert. „Wir durften lange keine neuen | |
MitarbeiterInnen einstellen“, beklagt Jochen Biedermann (Grüne), der als | |
Bezirksstadtrat in Neukölln unter anderem für die Bürgerämter zuständig | |
ist. Es sei „unvorstellbar im Nachhinein, dass der Senat sich zum | |
internationalen Gespött gemacht hat, die Situation jahrelang nicht in den | |
Griff zu kriegen.“ | |
## Deutliche Entlastung | |
Aber im Jahr 2016 wurden in den Neuköllner Bürgerämtern elf neue Stellen | |
geschaffen. Biedermann erklärt dies mit einem „Aufweichen“ der vom Senat | |
verordneten Höchstzahl. Die Folgen davon sind schon spürbar. „Wir stellen | |
im Moment eine deutliche Entlastung fest“, erzählt Biedermann. | |
Christiane Heiß (Grüne), die in Tempelhof-Schöneberg für die Bürgerämter | |
zuständig ist, stimmt ihm zu: „Ohne zusätzliches Personal und Umdenken der | |
Senatsverwaltung wäre diese Entlastung nicht möglich gewesen.“ | |
Jahrelanges Chaos, doch plötzlich, seit Dezember etwa, berichten Medien wie | |
die Berliner Morgenpost oder der RBB von vielen freien Terminen. | |
Rot-Rot-Grün ist seit Dezember im Amt – bekamen sie das hin, wofür | |
Rot-Schwarz Jahre brauchte? | |
„Die Entlastung lässt sich auf gar keinen Fall auf die neue Regierung | |
zurückführen“, sagt die Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen, | |
Eva Henkel. Der rot-schwarze Senat hätte seit 2014 nach und nach 117 neue | |
Stellen geschaffen, die meisten davon aber erst ab Ende 2015. Die Besetzung | |
der Stellen und die Einarbeitung der Mitarbeitenden nehmen jeweils mehrere | |
Monate in Anspruch. Sprich: Die Folgen wurden erst in den letzten Monaten | |
spürbar. | |
## Es liegt am alten Senat | |
Die neue Regierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, dass „… | |
Bürger*innen innerhalb von 14 Tagen ihr Anliegen in einem Berliner | |
Bürgeramt erledigen können müssen …“ Ein mehrtägiger Check des | |
Online-Buchungsportals zeigt, dass dies jetzt schon möglich ist: Einen | |
Personalausweis beispielsweise kann man am Morgen bei meistens über zehn | |
Stellen beantragen. | |
„Wir schauen: Wie viele MitarbeiterInnen sind am jeweiligen Tag da, und wie | |
lang ist die Schlange?“, erzählt Biedermann. Je nachdem seien mehr oder | |
weniger Termine online oder per Telefon verfügbar. Bürgerämter in anderen | |
Bezirken handeln ähnlich und schalten etliche Termine am Tagesanfang frei. | |
Wer aber einen Termin in den nächsten zwei Wochen sucht, bekommt meist nur | |
einen in den Randbezirken – wenn überhaupt. Nach drei, vier Wochen sind | |
aber vermehrt Termine an zentralen Orten verfügbar. Aber die Wartezeiten | |
variieren von Bürgeramt zu Bürgeramt: Ein Termin im Rathaus Neukölln ist | |
beispielsweise zum Zeitpunkt der Recherche erst in drei Monaten verfügbar, | |
einer an der Wilmersdorfer Straße in einem Monat. | |
## Amt ist nicht gleich Amt | |
Denn das neue Personal verteilt sich unterschiedlich auf die Bezirke. | |
Manche Bezirke sorgen auch mit weiteren Maßnahmen für eine Verbesserung: | |
Die Bürgerämter in Tempelhof-Schöneberg beispielsweise haben die | |
durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Kunden von fünfzehn auf zehn | |
Minuten gesenkt und können dadurch mehr Termine anbieten. | |
Michael Karnetzki ist als Stadtrat in Steglitz-Zehlendorf unter anderem für | |
die Bürgerämter zuständig und nennt die „effektivere Terminausnutzung in | |
Zusammenarbeit mit der Behördenrufnummer 115 und den anderen Bezirken“ als | |
weiteren Grund für die Entlastung. Mehr kurzfristige Termine könnten nun in | |
Steglitz-Zehlendorf online oder am Telefon gebucht werden. | |
Wie lange die Entlastung der Bürgerämter erhalten bleibt, ist aber | |
fraglich: „Erst mal brauchen wir keine neuen MitarbeiterInnen in den | |
Bürgerämtern“, sagt Jochen Biedermann über die Lage in Neukölln, warnt | |
aber: „Wir müssen die Nachfrage abwarten.“ Es gebe saisonbedingte | |
Schwankungen. Auch Christiane Heiß erzählt, dass „in der Urlaubszeit | |
deutlich mehr Anträge auf Pässe erfolgen als gegen Ende des Jahres.“ | |
Biedermann rät deshalb dazu, wichtige Anliegen jetzt zu erledigen. | |
Zudem steigt die Zahl der Kunden: Im Dezember 2015 wurden in Neukölln | |
13.000 Bürger*innen bedient, im Dezember 2016 waren es 21.500 – also eine | |
Steigerung von 65 Prozent. In Steglitz-Zehlendorf stieg die Zahl im selben | |
Zeitraum jedoch nur von 15.000 auf 16.000 Besucher*innen. Ob die | |
Terminbuchung in Zukunft weiterhin in zwei Wochen möglich ist, hängt nun an | |
der neuen Regierung. | |
1 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Lisbeth Schröder | |
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Bürgeramt | |
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