# taz.de -- Flüchtlingspolitik Griechenlands: Spagat mit Not | |
> Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis muss das Chaos auf | |
> Lesbos managen – und seine Wähler zufriedenstellen. | |
Bild: Seit Januar 2020 griechischer Migrations- und Asylminister: der 48-jähri… | |
Es muss ein wahrhaft undankbarer Job sein, den [1][Notis Mitarakis] machen | |
muss. Der 48-Jährige ist seit Januar 2020, als die konservative | |
[2][griechische Regierung] das Migrationsministerium nach seiner | |
Abschaffung wieder als eigenständiges Ministerium ins Leben rief, | |
griechischer Migrations- und Asylminister und gestaltet die | |
Flüchtlingspolitik der Regierung Mitsotakis mit. | |
Dabei habe er zwei Prioritäten, so Mitarakis: „Eine substanzielle Minderung | |
der Flüchtlingsströme und eine Entlastung der Inselbevölkerung“ – durch | |
effektiveren Grenzschutz, schnellere Asylverfahren und nicht zuletzt durch | |
geschlossene Flüchtlingslager. | |
Man kann über die Richtung seiner Politik streiten, eins muss man ihm aber | |
lassen: Mitarakis zeigt sich engagiert, ist immer an erster Stelle, wenn | |
etwas passiert, das in seinen Arbeitsbereich fällt. Und seit Januar ist das | |
so einiges: Er hat Tausende Geflüchtete von den griechischen Inseln aufs | |
Festland gebracht – das Camp Moria hatte zuletzt 13.000 Menschen von etwa | |
25.000 Geflüchteten noch zu Beginn des Jahres. Er musste im März auf die | |
Türkei reagieren, die den Migranten die Grenzen nach Griechenland und damit | |
in die Europäische Union öffnete und sie in ihrem Vorhaben unterstützte, | |
den Grenzzaun am Fluss Evros zu stürmen. | |
Nun muss er die Ausnahmesituation auf Lesbos nach dem Brand im Camp Moria | |
in den Griff bekommen, dabei setzt er seine Pläne für geschlossene Camps | |
auf den Inseln um. Eine sehr strenge Regierungspolitik also, die aber sehr | |
wohl den Prinzipien der konservativen Regierungspartei Nea Demokratia und | |
ihren Wählerinnen und Wählern treu bleibt. | |
Dabei steht Mitarakis, der eigentlich Management studiert hat, unter | |
größerem Druck als andere konservative Politiker. Er muss auch seine | |
Klientel auf den Inseln zufriedenstellen, denn sein Wahlkreis ist Chios, | |
eine der fünf Ägäisinseln, die in den letzten Jahren die Flüchtlingswellen | |
schultern mussten. Als er im Februar zum ersten Mal seine Pläne, | |
geschlossene Lager auf den Inseln zu errichten, mit Polizeigewalt gegen den | |
Willen der lokalen Bevölkerung umsetzen wollte, erntete er die Wut seiner | |
Wähler, die überhaupt keine Lager mehr auf den Inseln wünschten. | |
## Sein Plan waren geschlossene Lager | |
Mitarakis musste sein politisches Büro auf Chios schließen, damit es zu | |
keinem Zusammenstoß zwischen seinen Mitarbeitern und den aufgebrachten | |
Bürgern von Chios kommen kann. „Wir fordern unsere Stimme zurück“, | |
skandierten diese vor dem geschlossenen Büro. Mitarakis machte vorerst | |
einen Rückzieher, derzeit verfolgt er seine Pläne aber wieder stärker. | |
Der Brand in Moria, der das alte Camp auf Lesbos komplett zerstörte, dient | |
Mitarakis jetzt als gute Basis für jegliche Argumentation, warum | |
geschlossene Lager auf den Inseln unbedingt nötig seien. Nicht zuletzt | |
argumentiert er mit der Sicherheit der lokalen Bevölkerung auf Lesbos, aber | |
auch auf Chios, Kos, Leos und Samos. Schließlich will er zeigen, dass er | |
einer von ihnen ist, einer, der sich kümmert und die Probleme seiner | |
Landsleute auf den Inseln versteht. | |
16 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Rodothea Seralidou | |
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