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# taz.de -- Eurovision Song Contest: Russland zieht sich vom ESC zurück
> So etwas gab es noch nie. In Kiew werden nur noch 42 Länder miteinander
> konkurrieren, denn Russland hat sich zurückgezogen.
Bild: Einreiseverbot in der Ukraine: die russische ESC-Kandidatin Julia Samoilo…
Der russische TV-Sender Channel One hat Donnerstag Abend wenig
Überraschendes verkündet: Seine Kandidaten für den Eurovision Song Contest
im Mai in Kiew wird nicht antreten. Es wird auch kein anderer Act bestimmt,
in Russland überhaupt wird der 62. ESC aus Kiew (9., 11. und 13. Mai) nicht
übertragen. Und das hat politische Gründe, die im aktuellen Konflikt
zwischen beiden Ländern wurzeln.
Die Entscheidung der russischen ESC-Verantwortlichen war erwartet worden.
Zum Hintergrund: Julia Samoilowa, die nominierte Sängerin, war ohnehin
nicht mehr im ESC-Reisemodus. Die ukrainischen Sicherheitsbehörden haben
der Sängerin, als bekannt wurde, dass sie nominiert worden ist, ein Visum
nicht nur verweigert, obendrein darauf verwiesen, dass über sie ein
Einreiseverbot verhängt worden war. Und zwar, weil sie 2015 in Kertsch auf
der Krim aufgetreten war – auf der von Russland okkupierten Halbinsel im
Schwarzen Meer. Spekulationen, diese Chanteuse sei gerade von Channel One
ausgewählt worden, um einen eurovisionären Skandal zu provozieren, um die
Ukraine in die diplomatische Bredouille zu bringen, sind nie dementiert
worden. Man wollte offenbar ohnehin nicht nach Kiew: Viele Indizien
sprechen dafür, dass es genau so ist.
Der Vorschlag der verantwortlichen EBU (European Broadcasting Union) in
Genf, Russlands ESC-Kandidatin via Satellite in die Shows einzuspielen, was
technisch fugenlos möglich gewesen wäre, war von beiden Seiten abgelehnt
worden, von der Ukraine wie von Russland. Ebenso fanden Bemühungen der EBU,
in Kiew eine Einreise-Ausnahme für Frau Samoilowa zu erwirken, bis hin zum
ukrainischen Präsident Poroschenko keinen Widerhall. Frank Dieter Freiling,
Vorsitzender der Eurovision Song Contest Reference Group, sagte dazu: „Wir
verurteilen das Einreiseverbot für Julia Samoilova, da wir glauben, dass es
die Integrität, die nicht-politische Natur und die Mission des ESC
untergräbt, Nationen in einem friedlichen Wettbewerb zusammenzubringen“.
So einen politisch aufgeheizten Fall gab es noch nie in der
Eurovisionsgeschichte. Die Ukraine beharrte darauf, dass geltende Gesetze
nicht suspendiert werden können: Wer auf der okkupierten Krim auftritt und
dorthin über Russland einreist, darf für drei Jahre nicht in die Ukraine
fahren. Russland hatte es insofern leicht, den prestigeträchtigen ESC
(gerade für die Kiewer Organisatoren) mit einem Makel zu versehen: Kiew
kann nicht einmal ein großzügiger Gastgeber sein, so sollte es scheinen.
## Der ESC war immer politisch aufgeladen
Verantwortung trägt aber auch die EBU selbst. Sie hätte im vorigen Jahr den
späteren Siegestitel „1944“ nicht zum ESC zulassen dürfen, aller
ästhetischen Güte des Titels und der prima Performance von Jamala voriges
Jahr beim ESC in Stockholm zum Trotz. Es war eine politische Angelegenheit,
nichts sonst. „1944“ war ein gesungener Affront gegen Russland – das Lied
verhandelte und klagte an die Deportation von Krimtataren vor 73 Jahren von
der Krim in die sowjetischen Weiten. Es war absehbar, dass Russland nach
dem Triumph Jamalas keine Lust haben würde, der Ukraine als freundliche
Gäste seine Aufwartung zu machen, zumal man sich um den Sieg des eigenen
Kandidaten Sergej Lazarew (Sieger des Televotings) betrogen fühlte.
Die EBU wird sich überlegen müssen, was aus diesem Desaster nun folgt. Wahr
ist ja, dass der ESC immer auch politisch aufgeladen war – das war und ist
auch zwangsläufig so, weil dieser Wettbewerb eben auch nationale
Befindlichkeiten wie kein anderes europäisches Kulturereignis spiegelt.
## 2014 gaben russische Fans eine hohe Punktzahl für Conchita
Thomas Schreiber, Unterhaltungskoordinator der ARD und deren
ESC-Verantwortlicher, antwortete auf die Frage, ob er Verständnis für die
ukrainische Position, Julia Samoilowa die Einreise zu verweigern,
Verständnis habe: „Einerseits ja, denn der militärische Konflikt im Osten
der Ukraine ist für das Land und seine Einwohner eine große Belastung.
Andererseits darf nach den mit der EBU geschlossenen Abkommen
ausschließlich die EBU einen Sender und einen Künstler, sofern entsprechend
heftige Regelverstöße vorliegen, von der Teilnahme ausschließen.“
Und zu den Folgen des Rückzugs von Channel One: „So etwas darf sich nicht
wiederholen. Die Idee der Eurovisionserfinder – durch einen friedlichen
Gesangswettbewerb die Zuschauer in den teilnehmenden Ländern
zusammenzubringen – ist aus meiner Sicht so lebendig und notwendig wie
1956. Damals – 11 Jahre nach dem Ende des durch den deutschen Überfall auf
Polen begonnenen Zweiten Weltkrieges mit Millionen Toten, mit all den
Schrecken und Verbrechen – war es möglich, dass Deutsche und Franzosen
miteinander auftraten und mitfieberten. 1945 war das noch unvorstellbar.
Heute steht der ESC für Toleranz, für Vielfalt in jeder Hinsicht, für bunte
Lebensentwürfe und für Lebensfreude. Dass zum Beispiel 2014 in Kopenhagen
russische Fans beim Televoting eine hohe Punktzahl für Conchita gaben, war
ein Signal, wie bunt der ESC sein kann. Das sollten wir bewahren und
weiterentwickeln.“
14 Apr 2017
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
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