# taz.de -- #ESC am Dnipro, Folge 2: Suche nach Europa | |
> Kalter Krieg, grassierende Korruption und auch noch der Eurovision Song | |
> Contest: Ein Stadtspaziergang durch Kiew mit dem Künstler Dima Levytskyi. | |
Bild: Dima Levytskyi fragt: „Weiß der Eurovision Song Contest eine Antwort?�… | |
KIEW taz | Dima Levytskyi, 29 Jahre alt, hat die Tage auf dem Maidan | |
erlebt. Wochen, Monate des Schreckens im Kampf um Freiheit, mit | |
Scharfschützen des alten Regimes auf den Dächern, mit gedungenen Agenten | |
hinter Häuserecken. Nichts war sicher, sagt er. | |
Wir gehen um den Platz herum, auf dem gerade in der Abenddämmerung die | |
Fontänen der Brunnen eine Art Sinfonie spielen. Und das zu ukrainischer | |
Musik. Levytskyi hat diesen typischen Mischberuf, dem viele Lebenskünstler | |
nachgehen. Er kann schreiben, er kümmert sich um Start-ups, er ist belesen, | |
er kann performen – demnächst wird er in Berlin zu Gast sein, das | |
Goethe-Institut veranstaltet etwas zum Thema Korruption. | |
Und ausgerechnet jetzt ist es, da [1][wenigstens in Kiew Frieden herrscht], | |
viel stärkerer Frieden als in der putinschergenheimgesuchten Ostukraine, | |
mit dem Aufbruch mit Präsident Poroschenko dahin. „Was soll jetzt sein?“, | |
fragt er. Und: „Weiß der Eurovision Song Contest eine Antwort?“ | |
Nein, die rückt Länder nur in den Fokus des europäischen Interesses, der | |
ESC ist ja keine Ibuprofen. Rund um den Maidan sind an Mauern Bilder zu | |
Ikonen angerichtet, Antlitze von Männern meist, die bei den Kämpfen in der | |
Ukraine ums Leben kamen, erschossen oder überfahren. | |
Levytskyi fragt: „Wie kann man Korruption darstellen in einer Performance?“ | |
Hiflos versucht man etwas zu erwidern: „Ist Korruption vielleicht wie | |
Honig, der süß zu schmecken scheint, aber überall im Gaumen Bitterkeit | |
hinterlässt?“ Der junge Mann guckt und sagt: „Gute Metapher, ja, vielleicht | |
ist das etwas, womit ich arbeiten kann – Honig als Bitterstoff. Bleibt an | |
einem kleben und fühlt sich schlecht an.“ | |
## Nichts ist einfach | |
Wir treffen uns, damit er mir die Stadt erklärt. Schön sieht sie aus, | |
nichts an ihr protzt, im Straßenbild herrscht, anders als in Moskau, eine | |
andere, viel geringere SUV- und Teuerautomobildichte, selbst im Zentrum | |
oberhalb der Boulevards, die zum Maidan führen, wohnen Menschen, die nicht | |
nach neuem Reichtum riechen. | |
Dima Levytskyi sagt: „Ihr könnt stolz auf euer Land sein. Soviel politische | |
Wachheit, kaum Korruption – wie soll das hier bei uns bloß werden? Es ist | |
nicht so, dass es nur die Großen betrifft, überall muss man sich mit | |
kleinen Extragefälligkeiten Gunst erkaufen. Ehe man zu Ärzten geht, zu | |
Behörden oder um ein Business anzumelden. Nichts ist einfach, und das alles | |
auch noch verdeckt.“ | |
Das Eurovisionsfestival sickert derweil immer fetter ins Stadtbild ein. | |
Überall wird dekoriert und ausgestattet – man will sich, so sagt es auch | |
Dima Levytskyi, Europa von seiner besten Seite zeigen. Die Sonne scheint | |
verschwenderisch, die vielen goldbekuppelten Kirchen glänzen sehr. | |
Auf einem Platz stehen Ostereierskulpturen, das sieht sehr putzig aus – die | |
größte unter ihnen, nur mit Luft aufgeblasen, kein Pappmaché, ist | |
allerdings schlaff geworden, was skurril aussieht: als sei es ein Symbol | |
des politischen Aufbruchs, der ja nicht ewig dauern konnte – aber jetzt, im | |
Alltag, kein Fest mehr ist. Kiew macht sich nur noch schön! Andererseits: | |
Was heißt „nur“? | |
5 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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