# taz.de -- Ermittlungen im Mordfall Lübcke: Stephan Ernsts rechtsextremer Hel… | |
> Im Fall Lübcke gerät ein weiterer Beschuldigter in den Fokus: Markus H. | |
> Der Anwalt des Tatverdächtigen stellt Anzeige wegen Geheimnisverrats. | |
Bild: Tatverdächtig im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Wal… | |
BERLIN/KASSEL taz | Seit anderthalb Wochen sitzt Markus H. in Haft, die | |
Vorwürfe gegen den 43-jährigen Kasseler wiegen schwer. Beihilfe zum Mord an | |
Walter Lübcke wirft ihm die Bundesanwaltschaft vor. Er soll dem | |
Tatverdächtigen Stephan Ernst die Tatwaffe vermittelt haben. Nun aber | |
kommen neue Vorwürfe dazu – erhoben von Ernst. | |
Vor zwei Wochen hatte Ernst gestanden, Anfang Juni den Kasseler | |
Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor dessen Haus erschossen zu haben. | |
Als Motiv führte er dessen Kritik an Flüchtlingsgegnern an, die der | |
CDU-Mann 2015 auf einer Bürgerversammlung geäußert hatte. Süddeutsche und | |
ARD berichten nun Details aus der Vernehmung: So sei Ernst schon 2017 und | |
2018 bewaffnet zum Haus von Lübcke gefahren. Die Anschrift habe er über | |
Google gefunden. | |
Mehrere Ereignisse hätten ihn immer wieder aufgewühlt und an die | |
Lübcke-Äußerung erinnert: die Kölner Silvesternacht, der Lkw-Anschlag in | |
Nizza 2016 oder zuletzt, im Dezember 2018, der islamistische Mord an zwei | |
skandinavischen RucksacktouristInnen in Marokko. Den Mord an Lübcke habe er | |
schließlich wortlos durchgeführt – und bereue diesen heute. Niemand müsse | |
für seine Worte sterben, soll Ernst den Ermittlern gesagt haben. Inzwischen | |
zog er sein Geständnis zurück. | |
Zuvor aber hatte er noch Markus H. belastet: Dieser sei es gewesen, der ihn | |
zurück in die rechte Szene gelotst habe. Mindestens bis 2009 hatte Ernst | |
dort selbst aktiv mitgewirkt, auch schwere Gewalttaten verübt. Dann habe er | |
sich gelöst, habe sich auf seine Familie und seinen Job fokussieren wollen, | |
soll Ernst im Geständnis gesagt haben. Bis er wieder auf seinen alten | |
Bekannten Markus H. traf. | |
## Von der FAP zu Pegida | |
Auch Markus H. hat eine lange Szenevergangenheit. Fotos zeigen einen | |
bulligen Mann mit kurzgeschorenen Haaren. Schon in den neunziger Jahren | |
soll er sich in Kreisen der rechtsextremen Kleinpartei FAP bewegt haben. | |
Später war er Teil der Kasseler Kameradschaftsszene – und traf dort auf | |
offenbar auf Stephan Ernst. Beide beteiligten sich nach taz-Informationen | |
noch 2009 an einem Angriff von Rechtsextremen auf eine DGB-Kundgebung in | |
Dortmund. | |
Vor gut fünf Jahren will Ernst dann zufällig wieder Markus H. getroffen | |
haben: bei seinem Kasseler Arbeitgeber, einem Hersteller von | |
Mobilitätstechnik. Der bestätigte am Montag, dass H. dort vor Jahren für | |
kurze Zeit als Leiharbeiter beschäftigt war. Laut Ernst nahm Markus H. ihn | |
2015 auch mit zu der Bürgerversammlung von Lübcke. | |
Ob die Aussage so stimmt, ist unklar. Denn Ernst und H. waren auch | |
gemeinsam Mitglieder eines Kasseler Schützenvereins – und zwar seit gut | |
zehn Jahren, wie deren Vorsitzender Reiner Weidemann am Montag der taz | |
sagte. Dennoch verloren sich die beiden aus den Augen? | |
## Anwalt stellt Anzeige wegen Geheimnisverrats | |
Die Bundesanwaltschaft und Ernsts Anwalt Frank Hannig wollten sich am | |
Montag nicht zu dem Fall äußern. Hannig bestätigte nur, dass er inzwischen | |
Anzeige wegen des Verdachts des Geheimverrats gestellt habe – wegen der | |
durchgesickerten Informationen aus dem Geständnis. „Diese können nur aus | |
der Ermittlungsakte der Bundesanwaltschaft kommen“, sagte Hannig der taz. | |
Offenbar gebe es dort jemanden, der „diese Informationen gezielt an die | |
Öffentlichkeit bringt“. Ein faires Verfahren werde so gefährdet, so Hannig. | |
Markus H. schweigt bis heute zu den Vorwürfen. Klar aber scheint, dass er | |
der rechtsextremen Szene die Treue hielt. Ein Foto soll ihn noch 2015 bei | |
einer Kundgebung des Kasseler Pegida-Ablegers zeigen. Zudem sollen | |
Ermittler bei der Durchsuchung seiner Wohnung rechtsextreme Devotionalien | |
gefunden haben. | |
Und die Ermittler beschuldigen Markus H., Stephan Ernst die Tatwaffe, einen | |
Revolver, vermittelt zu haben – über einen Mann aus Nordrhein-Westfalen, | |
Elmar J. Von dem 64-jährigen Trödelhändler habe Ernst von 2014 bis 2018 | |
noch vier weitere Waffen gekauft haben, darunter eine Uzi und eine Pumpgun. | |
In seinem Geständnis soll Ernst angegeben haben, dass er zunächst nur seine | |
Familie habe schützen wollen, vor der angeblich zunehmenden | |
Migrantenkriminalität. Inzwischen ist auch Elmar J. verhaftet, ebenfalls | |
mit dem Vorwurf der Beihilfe zum Mord. Auch er schweigt. | |
## Arbeitgeber und Schützenverein ziehen Konsequenzen | |
Der Arbeitgeber von Stephan Ernst zog inzwischen Konsequenzen. Der | |
Mordverdächtige sei fristlos gekündigt worden, sagte ein Sprecher des | |
Unternehmens. Auch der Schützenverein hat bereits beschlossen, Ernst | |
auszuschließen. Man wolle bei den Mitgliedern „künftig noch genauer | |
hinschauen“, sagte deren Vorsitzender Weidemann der taz. Auch Markus H. | |
soll ausgeschlossen werden. Für ihn und Ernst dürfte das indes momentan | |
noch das kleinste Problem sein. | |
8 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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