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# taz.de -- Eklat bei taz.lab-Veranstaltung: Eine einzige Enttäuschung
> Warum Sharon Otoo als Podiumsgast auf dem taz.lab am 20. April in Berlin
> eine Veranstaltung vorzeitig verließ, erklärt sie nun hier.
Bild: Früh übt sich: Eine gendergerechte und rassismusfreie Sprache will gele…
Eigentlich war ich fest entschlossen, meine kurze, schmerzhafte Beziehung
mit der taz zu beenden. Es sollte leider nichts werden zwischen uns, dachte
ich. Doch dann musste ich in der taz und im Netz einige ziemlich ärgerliche
Dinge über die Veranstaltung lesen, zu der ich von der taz am 20. April
eingeladen worden war („Meine Damen und Herren, Liebe N-Wörter und
Innen!“). Es scheint ein gefährliches Halbwissen zu kursieren über die
Frage, warum ich dort einfach aufgestanden bin und warum zahlreiche andere
gleichzeitig die Veranstaltung verlassen haben. Darum komme ich hiermit dem
Wunsch nach, meine Seite der Geschichte zu erzählen.
Als ich zum taz.lab 2013 in Berlin eingeladen wurde, hatte ich die
Hoffnung, dass es dort eine ernsthafte Debatte um diskriminierungsfreie
Sprache geben würde. Ich habe mich bereit erklärt, die taz zu unterstützen,
gerade weil der Moderator Deniz Yücel mir versichert hatte, es würde sich
um einen respektvollen Umgang handeln. Doch schon nach kurzer Zeit wurde
mir klar, dass seine ganze Veranstaltung geradezu darauf angelegt war, so
oft wie nur möglich das N-Wort zu wiederholen. Meine Versuche, auf dem
Podium immer wieder ruhig und klar deutlich zu machen, dass das Wort für
viele Schwarze Menschen verletzend sei, ignorierte er.
Dabei ging es nicht um irgendeine abstrakte Theorie. Auch mein Sohn saß im
Publikum. Das N-Wort ist traumatisierend, ruft grausame Erinnerungen und
gewaltvolle Bilder hervor. Es wurde damals benutzt, um die Versklavung von
Millionen von Afrikaner_innen zu legitimieren. Mir war natürlich klar, dass
es in der Veranstaltung vorkommen würde, aber die Absprache zwischen Herrn
Yücel und mir war eindeutig („nicht in jedem fünften Satz“ so seine
Zusage). Trotzdem bin ich erst aufgestanden, als Herr Yücel anfing, das
Publikum lauthals zu beschimpfen. Ich bin gegangen, weil ich nicht mehr
Teil einer so respektlosen, verhöhnenden Diskussion sein wollte.
Doch auch danach gingen die Beleidigungen munter weiter. Noch am selben
Abend erschien ein Artikel in der Online-taz, in dem die Ausfälle Yücels
verschwiegen wurden. Auf seinem Twitter-Account und in seiner in der taz
erschienenen Kolumne äußert er sich abfällig zum Vorfall, zu meiner Person
und den Leuten, mit denen ich aktivistisch arbeite. Er behauptet sogar, sie
hätten von vornherein geplant, seine Veranstaltung zu „torpedieren“.
## Mittel zum Zweck
Ich hatte auf eine offizielle Entschuldigung seitens der taz gehofft. Doch
auch die Erklärung der taz-Chefredaktion, die am Donnerstag im „Hausblog“
auf [1][taz.de] erschien, ist eine einzige Enttäuschung, in der sie ihn für
seine provozierenden Texte lobt. Dass er ein Autor sei, der Grenzen
austeste und sich nicht von Tabus und Traditionen abhalten ließe.
Schade nur, dass Herr Yücel mir offensichtlich all die Zeit, die ich neben
ihm auf dem Podium saß, gar nicht zugehört hat. Für ihn und all die anderen
Kritiker_innen meiner vermeintlichen Position möchte ich deshalb noch
einmal klarstellen: Ich will niemandem etwas verbieten. Wie denn auch? Ich
habe weder eine staatliche Position inne noch habe ich einen
Überwachungsapparat zur Hand. Ich kriege es nicht mal hin, meinen Kindern
das Computerspielen zu verbieten.
Sprache ist lediglich ein Mittel zum Zweck. Wenn ich für eine
gendergerechte und rassismusfreie Sprache plädiere, dann, weil ich andere –
und mich selber – für die eigenen Privilegien zu sensibilisieren versuche.
Auch mittels Sprache kann ich mich solidarisch zeigen und es kostet mich
wenig. Die möglichen ästhetischen Kosten (dieses Binnen-I sieht so hässlich
aus!) erscheinen mir als das kleinere Übel gegenüber den Zumutungen, denen
marginalisierte Menschen sonst täglich ausgesetzt sind. Sie haben keine
Wahl.
Natürlich gibt es gravierendere Probleme. Wenn mir eine Gruppe von
Skinheads entgegenkommt, laut brüllend und den Schlagstock schwingend,
werde ich bestimmt nicht mit ihnen diskutieren, doch bitte die weibliche
Form des rassistischen Schimpfwortes zu benutzen. Geschenkt. Aber diese
Ganz-oder-gar-nicht-Einstellung gegenüber antirassistischer Arbeit teile
ich nicht. Sich für gerechtere Sprache einzusetzen, heißt nicht, gegen
andere Formen des Aktivismus zu sein.
## Ein radikaler Akt des Zuhörens
Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und gehe davon aus, dass wenn
Sie eine weiße Person sind und diesen Text lesen, Sie auch gegen Rassismus
sind. Eine gute Möglichkeit, sich dann mit mir, meinen Kindern und
tausenden von anderen Schwarzen Menschen in Deutschland solidarisch zu
zeigen ist es, eine respektvolle und antidiskriminierende Sprache zu
benutzen.
Antirassismus kann doch nicht bedeuten, dass denen, die sowieso schon von
Rassismus betroffen sind, noch mehr Leid zugefügt wird, sondern dass wir
einander sorgfältig zuhören. Das wäre, in Deutschland, wirklich ein
radikaler Akt.
***
Sharon Dodua Otoo gibt die englischsprachige Buchreihe „Witnessed“ in der
Edition Assemblage heraus. „the things i am thinking while smiling
politely“ ist die erste Novelle der Britin und erschien im Februar 2012.
Otoo ist seit Jahren in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
aktiv und Mutter von vier Kindern. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
19 Apr 2013
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Sharon Otoo
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