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# taz.de -- Die Wahrheit: Ich, der Rassist
> Es ging los mit dem Wort „Neger“ in den Büchern von Astrid Lindgren. Dann
> kam eine Frage meiner fünfjährigen Tochter. Und dann war schon alles zu
> spät.
Bild: Mit Astrid Lindgren fing der ganze Ärger an.
Ich bin ein rassistisches Arschloch. Dies nur als Warnung. Sollten also
Leserinnen und Leser … nein, sorry, noch mal: Sollten also LeserInnen … wie
bitte? Stimmt, das ist ja „so was von Achtzigerjahre“, nun gut: Sollten
also Leser_innen … Moment, damit ist es auf lange Sicht wahrscheinlich auch
nicht getan. Also, damit sich also alle nur denkbaren künftigen
Eventualitäten auch wirklich „mitgemeint“ fühlen: Sollten
#LesEr_~Innen&(d)rau$en etwas gegen rassistische Arschlöcher haben, sollten
sie auf die Lektüre dieses Textes verzichten.
Woher weiß ich, dass ich ein solches Arschloch bin? Ein besorgter Kollege
hat mich darüber freundlicherweise informiert. Auslöser war die leidige
Frage unter Eltern, wie man sich zu all den „Negern“ verhalten solle, die
in den Kinderbüchern der Astrid Lindgren offenbar häufiger noch aufkreuzen
als einst auf den Baustellen des Pharao Ramses.
Meiner fünfjährigen Tochter hatte ich leichthin erklärt: „Neger ist ein
hässliches und dummes Schimpfwort. Früher nannte man Menschen so, die eine
dunkle Hautfarbe haben.“ Und schon hing ich am Haken. Jede Bewegung, um den
Verdacht des Rassismus zu entkräften, trieb mir diesen Haken nur noch
tiefer ins Fleisch.
Dabei hatte ich dem netten Kollegen gar nicht erst erzählt, dass die Kleine
nach Kinderart prompt wissen wollte, „warum“ manche Menschen eine dunklere
Haut haben, und dass ich, um anthropologische Vorgänge wie die genetische
Anpassung an hohe UV-Strahlung aus pädagogischen Gründen unerwähnt zu
lassen, ihr in meiner Hilflosigkeit lieber das altgriechische Märchen von
Phaeton auftischte, der die Kontrolle über den väterlichen Sonnenwagen
verlor und so tief flog, „dass die Aithiopier schwarz wurden“. Schlimm,
oder?
Aufmerksame #LesEr_~Innen&(d)rau$en werden aber sicher bemerkt haben, wo
ich mich schon vorher als Rassist verraten habe, nämlich mit dem Wörtchen
„man“ in „Früher nannte man Menschen so …“ Denn wer ist „man“? E…
Weißen“, wie mich mein Kollege belehrte, die Andersfarbige mit dieser
„abwertenden Fremdbezeichnung“ belegten.
Ich erwiderte, dass ein fünfjähriges Mädchen womöglich noch zu jung ist, um
in die tieferen Mysterien der „Critical Whiteness“ eingeführt zu werden.
Der Kollege beharrte, man könne gar nicht früh genug damit anfangen, einem
Kind seine Privilegien als eben „weißes“ Kind bewusst zu machen.
Mein matter Einwand, ich selbst sei als deutsches Kind auf einer
französischen Schule von arabischen Klassenkameraden stets nur „Monsieur
Gestapo“ genannt worden, tat nichts zur Sache und setzte mich nur weiter
ins Unrecht. Denn die Weißen, so mein Kollege, profitierten wegen ihrer
privilegierten Hautfarbe immer vom Rassismus, ob sie nun wollten oder
nicht. Was ich wiederum rassistisch finde, aber doch einleuchtend.
Die gleichsam krümelgleich zwischen den Couchkissen meines guten Gewissens
versteckten Restrassismen haben mich längst überführt. Ich bin ein
rassistisches Arschloch. Ob ich will oder nicht.
30 May 2013
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Anti-Rassismus
Hitler
Otfried Preußler
Schwerpunkt Rassismus
taz lab 2024
Sharon Dodua Otoo
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