| # taz.de -- Eindrücke aus Charkiw: Vika holt die Leute raus | |
| > Die 30-jährige Ukrainerin Vika hilft Menschen, aus dem ostukrainischen | |
| > Charkiw zu fliehen. Einmal am Tag fährt sie mit ihrem Kleinbus in die | |
| > Stadt. Ein Erlebnisbericht. | |
| Bild: Von Bomben getroffene Wohnung in Charkiw, in der Nähe des zerstörten Re… | |
| Ich habe einen Kleinbus und versuche, [1][Menschen aus Charkiw] in | |
| Sicherheit zu bringen. Seit 2014 arbeite ich mit Kolleg*innen in der | |
| Menschenrechtsgruppe Truth Hounds (Hunde der Wahrheit) zusammen. Wir sind | |
| acht Leute und dokumentieren seit 2014 Kriegsverbrechen. Doch jetzt kümmern | |
| wir uns um den Transport. Die Leute melden sich bei uns per Internet. | |
| Ich habe sieben Plätze in meinem Bus, aber ich nehme nur zwei bis drei | |
| Personen mit, es wird ja den ganzen Tag geschossen. Ich fahre einmal pro | |
| Tag in das Charkiwer Gebiet und bleibe dann da über Nacht. Ich will das | |
| Auto nicht in Charkiw stehen lassen und außerdem gilt zwischen 16 Uhr und 6 | |
| Uhr morgens eine Sperrstunde. Meine Familie hat Charkiw schon verlassen. | |
| Sie haben natürlich Angst um mich, aber ich habe ihre volle Unterstützung. | |
| Ich habe geahnt, dass alles so kommen würde. Schon damals, als Russland die | |
| Krim annektiert hat und im Osten der Ukraine der Krieg ausgebrochen ist. | |
| Ich dachte immer nur: Putins imperialistische Ambitionen sind größer, er | |
| wird sich nicht zufrieden geben. Jetzt glaube ich, Moskau ist fest | |
| entschlossen, einen Teil der Ukraine zu besetzen und gleichzeitig zu | |
| versuchen, mit Gesprächen die ukrainische Regierung unter Druck zu setzen. | |
| ## Charkiw wird zu einem zweiten Aleppo | |
| Wir werden weiterkämpfen. Wenn ich nicht mehr fahren kann, werde ich mir | |
| eine Waffe besorgen. Bis jetzt nehmen sie nur Leute mit Kampferfahrung. Bis | |
| jetzt. Heute, am Dienstag, war es schrecklich. Ich bin ins Zentrum | |
| gefahren, um Menschen abzuholen. Es wurde ständig geschossen, in den | |
| Nebenstraßen schlugen Granaten ein. Es scheint, als hätten sie auch | |
| Streubomben benutzt. Viele haben kein Wasser mehr. Ich weiß nicht, ob es | |
| hier noch westliche Journalist*innen gibt. Charkiw wird zu einem | |
| zweiten Aleppo. | |
| [2][Ob wir Russland noch stoppen können?] Ich hoffe, ja. Einen | |
| Stellungskrieg führen können sie nicht, sondern immer nur ein Stück unseres | |
| Territoriums besetzen und dann dort die Bevölkerung terrorisieren. Aber wie | |
| Nachschub zu uns kommen soll, weiß ich nicht. Auf dem Landweg dauert das | |
| von Polen nach Charkiw 24 Stunden. | |
| Ich arbeite seit fünf Tagen ohne Pause. Wie soll das alles nur werden, wir | |
| müssen auch in Zukunft in Russlands Nachbarschaft leben. Vielleicht wäre | |
| das alles nicht passiert, wenn uns der Westen früher geholfen hätte, auch | |
| mit Waffen. Denn es geht ja nicht nur um die Ukraine…“ | |
| Hier bricht das Gespräch ab, es ist Fliegeralarm und Vika muss in den | |
| Keller flüchten. Später erfahren wir, dass sie auf dem Weg nach Switlodowsk | |
| ist. | |
| Protokoll: Barbara Oertel | |
| 3 Mar 2022 | |
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| Kiew. |