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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Zwei Tage anstehen für eine Suppe
> Die ukrainische Stadt Charkiw und ihre Umgebung sind unter russischem
> Dauerbeschuss. Die Angst der Menschen ist mittlerweile Abgestumpftheit
> gewichen.
Bild: Brutaler Alltag: Eine Wohnsiedlung in Charkiw nach einem Bombenangriff am…
Charkiw taz | Wie viel Zeit benötigen Sie, um eine Suppe zu kochen? Eine
halbe Stunde brauchen Sie zum Supermarkt und eine Stunde später stehen Sie
schon wieder in der Küche am Herd. So war es bis zum Ausbruch des Kriegs
auch in der Ukraine. Seit dem 24. Februar zieht sich diese Prozedur [1][in
einigen Städten des Charkiwer Gebiets] über mehrere Tage hin. Aber sie ist
nicht immer erfolgreich, und nicht alle überleben sie.
Die meisten Geschäfte sind leer. Es gibt nichts, außer ein paar Waren aus
der Region. Die meiste Zeit des Tages bis zum Beginn der Sperrstunde geht
für die Nahrungssuche drauf. Hin und wieder bringen Männer mit Kleinbussen
und auf Schleichwegen Produkte in belagerte Dörfer, die die Menschen für
eine Kohlsuppe brauchen – Sauerkraut, Kartoffeln, rote Beete, Karotten. Das
Gerücht, es gebe etwas zu „essen“, verbreitet sich in wenigen Minuten durch
Mundpropaganda. Kaum, dass die Kleinbusse da sind, bilden sich lange
Schlangen. Und das trotz Eiseskälte und überhöhter Preise.
Das stundenlange Schlange stehen wird von Geschützfeuer begleitet – nur
wenige Kilometer von dem improvisierten Markt entfernt tobt ein Kampf. Das
macht Angst, doch diese legt sich langsam. Alle haben längst verstanden,
dass die russischen Flugzeuge am zerstörerischsten sind. Sie bombardieren
nach Prinzipien, die sich jeder Logik entziehen. Oft sind Wohnviertel das
Ziel, in deren Umgebung es kilometerweit kein einziges militärisches Objekt
gibt.
Während du in der Schlange stehst, suchen deine Augen schon einen nahe
gelegenen Keller, einen Hauseingang, ein Geschäft, wo du dich im Falle
eines Beschusses verstecken könntest. Dass vor [2][russischen
Luftangriffen] zu tun, hat keinen Sinn. Die Russen werfen Bomben ab, die in
der Lage sind, ein fünfstöckiges Gebäude bis auf die Grundmauern zu
zertrümmern.
## Jetzt oder 24 Stunden später?
Nach zwei Wochen fortwährenden Beschusses sind Angstgefühle einer
Abgestumpftheit gewichen. Fast niemand in der Schlange macht Anstalten, in
Deckung zu gehen. Man kann seinen Platz verlieren und dann verzögert sich
die Zubereitung der Suppe um einen ganzen Tag. Würden Sie nicht auch jetzt
gern eine Suppe essen und nicht erst 24 Stunden später?
Alle hören dem Klingen der Drähte an den Lichtmasten zu, die von
Explosionen zermalmt werden. Ein Einkauf gilt als erfolgreich, wenn er
überhaupt stattgefunden hat. Auch wenn es ein Produkt ist, dem man zu
Friedenszeiten keine Beachtung geschenkt hätte. Der Krieg hat die Ukrainer
erniedrigt, und wir müssen wieder ganz von vorn anfangen.
Der Einkauf von Lebensmitteln, um eine Suppe zu kochen, dauert im besten
Fall zwei Tage. Dann stehen die Menschen, so wie alle Deutschen, noch eine
Stunde am Herd. Wenn sie zurückkommen …
Juri Larin war Teilnehmer eines Osteuropa-Workshops der [3][taz Panter
Stiftung].
Aus dem Russischen Barbara Oertel
11 Mar 2022
## LINKS
[1] /Millionen-Metropole-Charkiw/!5839527
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5838870
[3] /Panter-Stiftung/!p4258/
## AUTOREN
Juri Larin
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