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# taz.de -- EM-Spieler Robin Gosens als Student: Stollenschuhe und Studienbriefe
> Die SRH-Fernhochschule wirbt damit, dass der Verteidiger bei ihr
> Psychologie studiert. Ein schöner Beleg für das gewachsene Renommee der
> Fußballer.
Bild: Mehr als nur Fußballer: Robin Gosens fährt Fahrrad
Man hätte vermutet, dass die deutschen Nationalspieler Computerspiele der
je neuesten Generation in ihren Koffern haben. Von Robin Gosens, der
spielerischen Entdeckung dieses Turniers, haben wir nun erfahren, dass er
Studienbriefe dabei hat. Gosens absolviert nämlich neben seinem Beruf
Profifußball noch ein Fernstudium der Psychologie.
Kicker mit Abitur, Profis, die immatrikuliert sind – so ganz neu ist dieses
Phänomen nicht. Schon zum Kader, der 1954 Weltmeister wurde, gehörte ein
studierter Sportlehrer, Fritz Herkenrath, der später Professor wurde. Und
der 1974er Weltmeister Jupp Kapellmann wurde danach Chefarzt.
Neu ist aber, dass Gosens’ Uni, die [1][SRH Fernhochschule] – The Mobile
University, sich ganz stolz dazu bekennt, dass der Fußballer ihr Student
ist. Früher waren es die Kicker – oder, genauer: die aufs Image ihrer
Klienten achtenden Berater –, die solche Informationen streuten. Schaut
her, dieser Kicker hat „mehr als nur Fußball im Kopf“, lautete eine gängi…
Redewendung. Nun könnte man denken, dass das soziale Renommee des
Spitzensportlers deutlich gestiegen ist, wenn eine Hochschule nicht mit
irgendwelchem Exzellenzkram wirbt, sondern mit Robin Gosens.
Die SRH Fernhochschule tut sich allerdings noch ein wenig schwer damit, die
intellektuelle Bedeutung eines Profisportlers anzuerkennen. „Wenn der Kopf
nicht nur für Kopfballtore genutzt wird“, heißt es in der Pressemitteilung
der Uni. Da wird, so ist zu befürchten, eine Chance vertan. Herauszufinden,
warum ein Linksverteidiger plötzlich vorne auftaucht und ein wichtiges
Kopfballtor erzielt, ist ja auch nicht unwichtig. „Fragen Sie zum Beispiel
mal einen Sportler, warum er bestimmte Dinge so und nicht anders tut – da
bedarf es einer Menge Arbeit, um ihn darüber wirklich etwas sagen zu
hören.“ Diesen Satz hat [2][Pierre Bourdieu], bekannter französischer
Soziologe, der als Fußballspieler keine Karriere gemacht hat, einmal
geäußert.
Bourdieu ging es darum, dass Menschen vieles von dem, was er erforscht hat,
bereits wissen. Es kommt als Alltagsverstand daher. „Die Leute haben dieses
Wissen, aber es ist nicht geordnet, nicht geformt.“ Ja, so Bourdieu weiter,
„manchmal sagen sie sogar das Gegenteil von dem, was sie wissen. Das heißt
nicht, dass sie lügen, aber sie verfügen nicht über die Instrumente, um
auszudrücken, was sie wissen.“
Unbewusstes herauszufinden, ist bekanntlich nicht die unwichtigste Aufgabe
der Psychologie. Und da ist man wieder bei Robin Gosens und seinen
Studienbriefen. Immer noch wird viel zu oft so getan, als müssten sich
Profisportler für die Zeit nach ihrer Karriere vorbereiten: Lehre, Studium,
was Richtiges halt. Immer noch wird nicht gesehen, dass jemand, der in
einem derart gut bezahlten Job wie Erstligaprofi – in Gosens Fall: in der
italienischen Serie A – arbeitet, selbst etwas zum Verständnis der
Gesellschaft beitragen kann.
23 Jun 2021
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## AUTOREN
Martin Krauss
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