| # taz.de -- Dünger aus menschlichen Exkrementen: Aus dem Klo in den Kreis | |
| > Das Forschungsprojekt ZirkulierBAR zeigt, wie menschliche Ausscheidungen | |
| > als Düngemittel einsetzbar sind. Die rechtlichen Hürden sind aber hoch. | |
| Bild: Riecht gar nicht so schlimm: Trockentoilette des ZirkulierBAR-Projekts | |
| Berlin taz | Kot lässt sich gefahrlos kompostieren und erhöht den | |
| Kohlenstoff- und Humusgehalt des Bodens. Kombiniert mit aufbereitetem Urin, | |
| der viel Stickstoff und Phosphor enthält, bekommt der Acker alles zurück, | |
| was ihm bei der Ernte genommen wurde. Das belegt [1][das Forschungsprojekt | |
| zirkulierBAR], das am Donnerstag seine Ergebnisse in den Hackeschen Höfen | |
| vorgestellt hat. | |
| Die Ressourcen dieser Kreislaufwirtschaft werden in Trockentoiletten | |
| gesammelt, was zusätzlich extrem viel Trinkwasser spart – schließlich | |
| rauschen durch WC-Schüsseln täglich etwa 35 Liter pro Person. „Angesichts | |
| von zunehmenden Dürren und Wasserknappheit, überlasteten Böden und | |
| Gewässern ist das die Zukunft“, sagte Projektleiterin Ariane Krause vom | |
| Projektträger, dem Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ). | |
| Mit 2,4 Millionen Euro Fördergeld aus dem Bundesforschungsministerium | |
| gelang es in Eberswalde, auf dem Gelände der Kreiswerke Barnim ein | |
| Reallabor einzurichten. [2][Die Firma Finizio sammelt die | |
| Hinterlassenschaften] von Festivalbesucher:innen und aus | |
| öffentlichen Trockentoiletten. Die Hygienisierung findet in einem Container | |
| statt. Der Kot wird mit Stroh gemischt, durch natürliche Prozesse entstehen | |
| hohe Temperaturen, die pathogene Keime abtöten und auch Medikamentenreste | |
| und Hormone eliminieren. | |
| Anschließend wird der Inhalt in lange Mieten ausgelegt und regelmäßig | |
| gewendet. Seit vergangenem Jahr geschieht das in einem Humusregal, denn | |
| Ziel ist eine Skalierbarkeit der Technik. Für die Aufbereitung des Urins | |
| kommt eine Anlage der Schweizer Firma VunaNexus zum Einsatz. Die | |
| anschließenden Feldversuche fanden bei einem konventionellen | |
| landwirtschaftlichen Betrieb statt. | |
| ## Grenzwerte alle eingehalten | |
| Claudia Kirsten vom Biomasseforschungszentrum Leipzig hat die Prozesse eng | |
| begleitet und jede Charge genauestens auf mögliche Schadstoffe hin | |
| analysiert. „Alle Proben haben alle Grenzwerte der Düngeverordnung | |
| eingehalten“, bestätigte sie den etwa 150 Interessierten, die zur | |
| Präsentation der Forschungsergebnisse nach Berlin gekommen waren. | |
| Doch die deutsche Rechtslage verhindert bisher, dass die innovative Technik | |
| auf breiter Ebene zur Anwendung kommen kann. Das Düngerecht lässt nur | |
| definierte Ausgangsstoffe zu – menschliche Exkremente sind nicht darunter. | |
| In der Schweiz hingegen ist der Urindünger Aurin längst auf dem Markt. Auch | |
| das deutsche Kreislaufwirtschafs-, Abwasser- und Abfallrecht müsste | |
| geändert werden. | |
| Der Bedarf für die Innovation ist da, wie Marco Schlütter vom Umwelt- und | |
| Klimadezernat der Stadt Leipzig bestätigte: „Marode Kanalnetze, | |
| Investitionsstaus, sinkende Grundwasserspiegel, eutrophierte Gewässer – ich | |
| bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass wir unser Abwassersystem | |
| transformieren müssen und dass die Etablierung ressourcen-orientierter | |
| Sanitärsysteme richtig ist.“ Leipzig zählt zu den etwa 20 Kommunen, die die | |
| Forschung in Eberswalde beobachtend begleitet haben. | |
| Hinzu kommt, dass der nährstoffhaltige Dünger aus menschlichen | |
| Hinterlassenschaften dezentral und ressourcenschonend erzeugt werden kann. | |
| Dagegen verbraucht künstlich hergestellter Stickstoffdünger enorme Mengen | |
| an Energie, während [3][der im Bergbau gewonnene Phosphatdünger] knapp wird | |
| und in der EU inzwischen als kritischer Rohstoff gilt. Enorme Preissprünge | |
| in den vergangenen Jahren sind Spiegel dieser Krise. | |
| „Was müssen wir noch beweisen, damit klar ist, dass gut und sinnvoll ist | |
| was wir machen und Menschen nicht schadet?“, fragte Finizio-Geschäftsführer | |
| Florian Augustin am Donnerstag die anwesende SPD-Bundestagsabgeordnete | |
| Sylvia Lehmann. Die vielen bürokratischen Hürden und langwierigen | |
| Genehmigungsprozesse haben ihn mürbe gemacht, immer wieder denkt er ans | |
| Aufhören. | |
| ## Wir sind Teil des Kreislaufs | |
| Die Politikerin selbst zeigte sich überaus offen für die Innovation: „Der | |
| Mensch gehört zum ökologischen Kreislauf dazu – und unsere Ausscheidungen | |
| sind Teil davon.“ Lehmann berichtete, sie habe kürzlich einen Prüfauftrag | |
| zum Düngegesetz an das zuständige Landwirtschaftsministerium geschickt. | |
| „Zur Zeit ist das alles eine Grauzone und es fehlt den Verwaltungen an | |
| Klarheit“, beschrieb eine Frau von den Kölner Abwasserbetrieben, warum | |
| trotz prinzipieller Offenheit in einigen Kommunen bisher wenig passiert. | |
| Ungewöhnlich ist eine Haltung wie bei den Kreiswerken Barnim, die sich auf | |
| das Projekt ZirkulierBAR eingelassen haben, ohne genau zu wissen, was auf | |
| sie zukam. | |
| „Wir wollten einen Innovationsraum schaffen“, so Kreiswerke-Prokurist | |
| Christian Vahrson. Von Seiten der Bevölkerung gibt es jedenfalls | |
| prinzipielle Akzeptanz gegenüber solcherart hergestellten Düngern: Das | |
| belegt eine Umfrage des Forschungsprojekts mit 2.000 Teilnehmenden. | |
| 18 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://zirkulierbar.de/ | |
| [2] https://finizio.de/ | |
| [3] /Phosphatabbau-in-Tunesien/!6028073 | |
| ## AUTOREN | |
| Annette Jensen | |
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