# taz.de -- Dreck und Moral: Dürfen Linke putzen lassen? | |
> Natürlich nicht! Trotzdem beschäftigt die Chefin der Grünen eine | |
> Putzhilfe und selbst die Linkspartei wackelt bedenklich. | |
Bild: Dieser Mann ist ein guter Mensch. Denn er putzt selbst. | |
Dass in der SPD keine echten Linken mehr sind, gut, das muss den echten | |
Linken heute keiner mehr beweisen, das ist eh klar. Aber umso schöner | |
gruselt es die echten Linken, wenn einer von der SPD mal wieder beweist, | |
dass er keiner von ihnen ist. Wie der Peer Steinbrück mit seiner Putzfrau. | |
Steinbrück wollte Kanzler werden, das war 2013. Er bekam einen Brief, von | |
einem Mann, der ihn erpressen wollte und zwar mit der Behauptung, dass der | |
Kandidat der Sozialdemokraten eine philippinische Putzfrau ohne | |
Arbeitsgenehmigung beschäftigt habe. Jemand, der putzen lässt und dazu noch | |
schwarz, also mal ehrlich! Aber das passte natürlich gut zu dem, was der | |
Steinbrück vorher als Finanzminister der Großen Koalition gezeigt hatte, | |
nämlich, dass er ein rotlackierter Neoliberaler ist. | |
Allein schon, dass der überhaupt eine Putzfrau hatte! Wie passt das in ein | |
egalitäres Weltbild, zu einem kritischen Bewusstsein von Arm und Reich, zur | |
Emanzipation? Wenn Steinbrück wenigstens einen Putzmann beschäftigt hätte | |
aber nein, Frau, Phillippinin, noch Fragen? | |
Dürfen Linke putzen lassen? | |
Klar, wenn die Putzkraft sozialversichert und angemeldet ist, findet Simone | |
Peter, die wir für die taz.am wochenende gefragt haben. Die Parteichefin | |
der Grünen legt zudem Wert darauf, dass die Putzfrau gut bezahlt wird. Eine | |
verkappte Sozialdemokratin also, aber ob die Grünen noch zu den echten | |
Linken gehören, ließe sich ja ebenfalls diskutieren …, ach lassen wir das. | |
Bei Bernd Riexinger hingegen, da gibt es keine Zweifel: „Ich halte ehrlich | |
gesagt nicht viel von einer Dienstbotengesellschaft, wo einige so viel | |
verdienen, dass sie sich eine Putzkraft leisten können und andere so wenig, | |
dass sie bei anderen Menschen putzen müssen.“ Klare Kante, denkt man sich, | |
bevor dann auch Riexinger noch hinterher schiebt, es könne natürlich immer | |
Ausnahmen geben, dieser Relativist. | |
## Alles SPD-Wähler! | |
In elf Prozent der deutschen Haushalte wird laut einer Forsa-Studie von | |
2015 eine Haushaltshilfe beschäftigt. Dank immer neuer Online-Dienste wie | |
Helping, CleanAgents und Book a Tiger wird das auch immer einfacher. Dabei | |
gilt: Je mehr die Leute verdienen, desto eher stellen sie jemanden zum | |
Saubermachen an. Bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen über 3.500 Euro | |
stellen 22 Prozent eine Hilfe ein, bei einem Einkommen unter 2.000 Euro | |
waren es nur fünf Prozent der Befragten. Putzen ist also was für Reiche, | |
Ihr Steinbrück-Peters, merkt Ihr das? | |
Die US-Soziologin Arlie Russell Hochschild hat darüber sogar ein Buch mit | |
einem sehr langen Namen geschrieben: „Inequality Reader: Contemporary and | |
foundational readings in race, class & gender“ als „Global Care Chain“. In | |
einem reichen Haushalt wird eine Kraft eingestellt, die aus einem ärmeren | |
Land kommt, um zu arbeiten, während sie in ihrem eigenen Haushalt eine | |
Lücke hinterlässt, die wieder eine Kraft aus einem noch ärmeren Land füllt. | |
Wie kann ein Linker da mitmachen? | |
Die Irgendwiebinichsjadochlinken von heute erfinden natürlich immer | |
irgendwas, das einem dann erklären soll, dass das mit der Putzhilfe doch | |
irgendwie klar geht. Zum Beispiel, dass die Flüchtlinge, die jetzt nach | |
Deutschland kommen, Jobs brauchen. | |
Milo Rau, der als Theaterregisseur die Prozesse gegen Pussy-Riot in Moskau | |
reinszeniert hat, sagt: „Erniedrigende Arbeit gibt es a priori nicht, nur | |
erniedrigende Arbeitsbedingungen.“ In seinem Heimatland Schweiz hätten die | |
Putzhilfen eine Krankenversicherung und seien in der Gewerkschaft. | |
## Rau und Peters müssen WG aufmachen | |
Schweiz! Das sieht man doch woher das kommt, der Rau und die Peters können | |
zusammen eine WG aufmachen. | |
Aber gut, was soll man sagen in einer Welt, in der es Bücher darüber gibt, | |
dass Menschen sich beim Putzen schämen. „Wer sich mit Sauberkeit | |
beschäftigt, muss anerkennen, dass es vorher mal schmutzig war. Da kommt | |
das Schämen ins Spiel“, sagt die Technikphilosophin Nicole Karafyllis von | |
der Technischen Universität Braunschweig, die sich in ihrem Buch „Putzen | |
als Passion“ aus philosophischer Sicht mit dem Reinemachen beschäftigt hat. | |
Weil man beim Putzen immer nur das Negative sieht, nämlich das, was man | |
nicht geschafft hat, wollen die Damen und Herren von der modernen | |
Wischi-Waschi-Linken das gerne an jemanden aus Polen oder Syrien | |
delegieren. | |
Die Begründung geht so: Anders als bei der Begeisterung vom Selbstgemachten | |
in Ratgebern wie „Style Guide – Do it yourself: Tolle Geschenke – Mit Lie… | |
selbst gemacht“, lässt sich das Selbstputzen nicht so recht zelebrieren. | |
Auf Knien schrubbend mit Retro-Instragram-Filter? Putzen ist nicht schön, | |
sondern nötig. Wer putzt, der schafft nicht, der beseitigt nur. | |
Ausreden gibt es ja immer. | |
In der taz. am wochenende vom 6./7. Februar können Sie nachlesen, wie unser | |
Autor Martin Reichert mit sich ringt. Eigentlich eher ein Gefühlslinker, | |
lässt er seine Küche von einer 50-Jährigen putzen, die seit fast 20 Jahren | |
schwarz (!) arbeitet. Das Wohnzimmer übernimmt ein 20-jähriger Mann, der | |
gleich aus zwei armen Ländern hierher zu uns geflohen ist, um es mal später | |
besser zu haben. Erst als der auch noch das Klo wienern will, entdeckt | |
Reichert wo er politisch wirklich steht: „Mein Bad mache ich selbst | |
sauber!“ | |
Auf einen allerdings, kann man sich immer verlassen: „Ich sehe, wie schnell | |
es schmutzig wird und betätige mich körperlich: Unter dem Bett zu saugen | |
ist gerade in meinem Alter nicht unanstrengend.“ Danke, Hans-Christian | |
Ströbele, wenigstens Sie putzen noch selbst. | |
Der Steinbrück damals, der hatte seine Putzfrau übrigens nicht schwarz | |
beschäftigt. Aber wenn interessiert das. Er hatte eine! | |
Lieber selbst putzen, die Ordnung selbst halten oder doch, vielleicht aus | |
Zeitmangel, auf eine Putzkraft zurückgreifen? Was meinen Sie, darf man, | |
vielleicht gerade als Linker, andere Menschen den eigenen Dreck wegputzen | |
lassen? Diskutieren Sie mit! (Obwohl Sie die richtige Antwort ja schon | |
kennen, nicht wahr?) Die Titelgeschichte „Sauberer wird’s nicht, Schatz“ | |
lesen Sie in der [1][taz.am wochenende vom 6./7. Februar]. | |
5 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Ausgabe-vom-6/7-Februar-2016/!161756/ | |
## AUTOREN | |
Geraldine Oetken | |
Daniel Schulz | |
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