| # taz.de -- Dosenpfand feiert Jubiläum: Einweg? Mehrweg? Einfach weg? | |
| > Die Pfandpflicht für Limo, Bier und Wasser sollte umweltfreundlich sein | |
| > und die Mehrwegflaschen stärken. Doch die Umweltrechnung ging nicht auf. | |
| Bild: Stillleben. | |
| BERLIN taz | Als Bundespräsident Joachim Gauck kürzlich die deutschen | |
| Soldaten in Afghanistan besuchte, leuchteten auf dem Tisch zwischen ihm und | |
| der Truppe fröhlich rote Colabüchsen. Limo und manchmal ein Bier trinken | |
| die Einsatzkräfte am Hindukusch aus Dosen. Die werden von weit her | |
| transportiert und dabei unsanft behandelt, ein Rücknahmesystem gibt es aus | |
| naheliegenden Gründen auch nicht – hier ist die Verwendung von stoßfesten, | |
| leichten Metallbehältern also durchaus sinnvoll. | |
| Auf den Fotos des Truppenbesuchs fielen sie auf, weil Büchsen hierzulande | |
| sonst aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sind. Vor zehn Jahren, | |
| am 1. 1. 2003, hat ihnen das Dosenpfand (eigentlich: Die Pfandpflicht für | |
| Einweg-Getränkeverpackungen) ein jähes Ende bereitet. Damals hatte der | |
| grüne Umweltminister Jürgen Trittin, unter heftigem Protest von Industrie | |
| und Handel, die Pfandpflicht eingeführt. | |
| Seitdem gibt es nicht nur für Mehrwegflaschen Pfand zurück, sondern auch | |
| für Einwegflaschen und Dosen, in denen Wasser, Bier oder Limonade war; | |
| anfangs je nach Größe 25 oder 50 Cent, heute einheitlich 25 Cent. Der | |
| prognostizierte Weltuntergang blieb aus, doch der Absatz von Limonade- und | |
| Bierdosen brach ein. Waren in den Jahren zuvor im Schnitt noch acht | |
| Milliarden Dosen aus Weißblech oder Aluminium verkauft worden, waren es ab | |
| 2003 nur noch rund 500.000. | |
| ## Immer weniger Mehrwegflaschen | |
| „So einfach ist Umweltpolitik“, schrieb die taz damals und stellte im | |
| ersten Quartal 2003 erfreut fest: „Jede zweite Dose wurde durch Mehrweg | |
| ersetzt. Das Pfand bringt nichts? Von wegen!“ Aber so einfach ist | |
| Umweltpolitik eben doch nicht. Der Markt für Getränkeverpackungen | |
| entwickelte sich in den vergangenen zehn Jahren ganz anders, als der | |
| Gesetzgeber sich das vorgestellt hatte: Der Anteil der Mehrwegflaschen, in | |
| denen Limo, Bier und vor allem Wasser verkauft wird, ging Jahr für Jahr | |
| zurück. 2004 lag der Mehrweganteil bei Bier-, Wasser- oder Limoflaschen | |
| noch bei 71 Prozent, 2010 waren es nur noch 50 Prozent. | |
| Gewinner sind allerdings nicht die beiden deutschen Dosenhersteller – sie | |
| konnten in Deutschland im vergangenen Jahr trotz intensiven Marketings nur | |
| 1,1 Milliarden Stück absetzen – sondern die Kunststoffindustrie: Fast die | |
| Hälfte der rund 31 Milliarden Liter Getränke in Deutschland wird inzwischen | |
| in Plastikflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) verkauft, die nur | |
| einmal befüllt werden. | |
| Als Grund für die Erfolgsgeschichte der Einwegflasche hat das | |
| Bundesumweltministerium die verwirrende Kennzeichnung identifiziert. Die | |
| Verbraucher könnten nicht unterscheiden, ob sie eine Mehrweg- oder eine | |
| Einwegflasche kauften, vermutet Minister Peter Altmaier (CDU). | |
| ## Umwelt spielt kaum eine Rolle | |
| Tatsächlich ist die Unterscheidung auf den ersten Blick nicht leicht: Auch | |
| wiederbefüllte Mehrwegflaschen für Wasser und Erfrischungsgetränke sind | |
| heute meist aus Kunststoff, und die Rückgabe von Einweg- und | |
| Mehrwegflaschen erfolgt an den gleichen Automaten. Altmaier will daher eine | |
| verbesserte Kennzeichnung an den Supermarktregalen. Eine entsprechende | |
| Verordnung soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. | |
| Jürgen Heinisch von der Mainzer Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung | |
| ist sich nicht sicher, ob das zum Erfolg führt. „Die Frage lautet: Können | |
| die Kunden nicht zwischen Mehrweg und Einweg unterscheiden, weil das so | |
| schwierig ist“, sagt er, „oder interessiert sie der Unterschied nicht | |
| wirklich?“ Die Umweltverträglichkeit spiele bei der Kaufentscheidung eine | |
| deutlich geringere Rolle als etwa der Preis, der Geschmack oder das Image | |
| eines Produkts, so Heinisch. | |
| Benjamin Bongardt vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat zwar nichts | |
| gegen die Kennzeichnungspflicht, doch um den Verkauf von Mehrwegflaschen zu | |
| fördern, hält er sie nicht für ausreichend. Der Nabu schlägt vor, | |
| Getränkeverpackungen abhängig von ihrer Materialart und -menge zu | |
| besteuern. Ein Kilogramm Pet-Flaschen würde anders besteuert als ein | |
| Kilogramm Glas-Flaschen. Für Recyclingware gäbe es Gutschriften. | |
| ## Mehr als Greenwashing | |
| Solche neuen oder zusätzlichen Abgaben will die Verpackungsindustrie | |
| unbedingt verhindern. Deswegen hat sie die Arbeitsgemeinschaft konsumenten- | |
| und ökologieorientierte Getränkeverpackungen (Akög) gegründet. Ziel ist es, | |
| die Einwegflaschen aus Pet so zu verbessern, dass sie im Ökowettbewerb mit | |
| Mehrwegsystemen mithalten kann. Wichtiges Kriterium dabei ist vor allem das | |
| Gewicht der Flaschen, aber auch der Anteil an recyceltem Material. Zwischen | |
| 20 und 40 Prozent beträgt er derzeit, die Akög will ihn weiter steigern. | |
| Das ist mehr als Greenwashing. Experten in Verpackungsfragen, wie Andreas | |
| Detzel vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu), | |
| halten Mehrwegflaschen aus Glas oder PET nach wie vor für eine ökologische | |
| Lösung. Besonders, wenn sie von regionalen Brauereien oder Wasserbrunnen | |
| stammen und häufig wieder befüllt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen | |
| – leichte Flaschen mit einem hohen Recyclinganteil und kurzen | |
| Transportwegen – schneiden aber auch PET-Einwegflaschen nicht schlecht ab. | |
| Wer wirklich umweltbewusst trinken will, füllt sich am besten | |
| Leitungswasser ins Glas. Und nimmt die Dose wirklich nur in Afghanistan. | |
| 2 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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