# taz.de -- Recycling von Siedlungsabfällen: Ich mag Müll | |
> In der EU gelangt ein Drittel der Siedlungsabfälle wieder in den | |
> Rohstoffkreislauf, in Deutschland deutlich mehr. In vielen Ländern wird | |
> aber kaum recycelt. | |
Bild: Sondermülldeponie Ihlenberg in Mecklemburg-Vorpommern. | |
BERLIN taz | Deutschland hat das „2020-Ziel“ schon jetzt erreicht. Der Plan | |
wurde sogar deutlich übererfüllt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um | |
die ehrgeizigen Klimaziele der EU, sondern um die Recyclingquote „für Haus- | |
und ähnliche Abfälle“: Bis [1][2020 soll die Hälfte des Siedlungsabfalls] | |
wieder in den Rohstoffkreislauf eingebracht werden. | |
Fünf europäische Länder haben das Ziel bereits erreicht: Österreich (63 | |
Prozent), Deutschland (62), Belgien (58), die Niederlande (51) und die | |
Schweiz (51). Das geht aus einem am Mittwoch in Brüssel vorgestellten | |
[2][Bericht der Europäischen Umweltagentur (EUA)] zur Entsorgung „fester | |
Siedlungsabfälle“ in den EU-Ländern hervor. Insgesamt stieg die | |
Recyclingquote von 23 Prozent im Jahr 2001 auf 35 Prozent 2010. | |
Der Wandel bei der Abfallentsorgung hat auch einen klimafreundlichen Effekt | |
und trägt einen wesentlichen Teil zur Erreichung des „2020-Ziels“ für die | |
Reduktion von Treibhausgasen bei. Durch den bewussteren Umgang mit dem Müll | |
in der EU, Norwegen und der Schweiz haben sich die Treibhausgasemissionen | |
beim Siedlungsabfall zwischen 2001 und 2010 um 56 Prozent verringert, das | |
entspricht 38 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. | |
Die verbesserten Recyclingraten in der EU beruhen hauptsächlich auf | |
Wertstoffrecycling von Glas, Papier, Metallen und Plastik, bei den | |
Bioabfällen sind die Fortschritte deutlich geringer. Die größten Sprünge | |
bei der Reduktionsquote haben im untersuchten Zeitraum das Vereinigte | |
Königreich (12 auf 39 Prozent) und Irland (11 auf 36) gemacht. | |
Slowenien, Polen und Ungarn haben ihre Recyclingquoten in den letzten | |
Jahren ebenfalls erheblich verbessert. Aber noch immer werden in Europa | |
durch die Entsorgung auf Abfalldeponien enorme Ressourcen verschenkt. Für | |
eine differenziertere Müllwirtschaft fehlt in einigen Ländern Wissen und | |
Technologie. In Rumänien und Bulgarien werden deshalb neue Deponien | |
errichtet – bezahlt mit Geld aus dem EU-Strukturfonds. | |
## Abfall als wirtschaftliche Chance | |
In Deutschland und Österreich ist die Deponierung unbehandelter Abfälle | |
mittlerweile verboten. Das Verbot führte zu einem Boom der privaten | |
Recycling-Wirtschaft und rasch steigenden Recyclingquoten, denn mit Abfall | |
lässt sich eine Menge Geld verdienen. Darauf weist auch Jacqueline McGlade, | |
Exekutivdirektorin der EUA, hin: „Die aktuelle intensive Nachfrage nach | |
bestimmten Materialien sollte die Länder auf die klaren wirtschaftlichen | |
Chancen im Bereich Recycling aufmerksam machen.“ | |
Dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und | |
Rohstoffwirtschaft (BDE), in dem rund 750 Firmen vom Mittelständler bis zu | |
den Branchenriesen organisiert sind, gehen die deutschen und die | |
EU-Abfallgesetzgebungen nicht weit genug. Jede Menge Potenziale seinen | |
verschenkt worden, sagt BDE-Pressesprecher Ronald Philipp der taz: | |
.„Deutschland hat sich unter Wert verkauft. Wir können mehr.“ | |
Gebremst wird das Recycling auch vom Staat. Der gewinnt aus Müll durch | |
Verbrennung Energie. Da 95 Prozent der Müllverbrennungsanlagen in | |
Deutschland von den Ländern betrieben werden, haben diese ein geringeres | |
Interesse an der Rückführung von Materialien in den Rohstoffkreislauf. Der | |
Konflikt zwischen Ländern und Privatwirtschaft um die Ressource Abfall ist | |
also auch einer um die Nutzungsrechte am Abfall. | |
## Ambitioniertere Recyclingziele gefordert | |
Wenn möglich sollten Wertstoffe vollständig recycelt werden, sagt Philipp. | |
BDE-Präsident Peter Kurth, der zur Zeit auch den Vorsitz der Europäischen | |
Föderation der Entsorgungswirtschaft (FEAD) hat, weist darauf hin, dass die | |
Recyclingwirtschaft die stärkste Wachstumsbranche Deutschlands sei. Damit | |
das so bleibt, fordert er „deutlich ambitioniertere Recyclingziele. Was | |
ökologisch und ökonomisch sinnvoll sowie technologisch längst machbar ist, | |
muss jetzt auch in ambitionierten Vorgaben formuliert werden.“ | |
In Brüssel sollen nun neue Politikinstrumente und Infrastrukturmaßnahmen | |
zum verbesserten Umgang mit Siedlungsabfall erarbeitet werden. Das ist auch | |
dringend nötig. Um das „2020-Ziel“ zu erreichen, müssten etwa Bulgarien u… | |
Rumänien ihre Quoten jährlich um vier Prozent erhöhen – das hat zwischen | |
2001 und 2010 kein EU-Land geschafft. | |
Auch die oberste Priorität der EU-Abfallrichtlinie wurde deutlich verfehlt: | |
die Abfallvermeidung. Das Siedlungsabfall-Aufkommen sank zwar pro Bürger | |
zwischen 2001 und 2010 um 3,6 Prozent, dieser Effekt ist aber vor allem auf | |
die wirtschaftliche Rezession zurückzuführen. | |
21 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://ec.europa.eu/environment/waste/framework/index.htm | |
[2] http://www.eea.europa.eu/publications/managing-municipal-solid-waste | |
## AUTOREN | |
Patrick Loewenstein | |
## TAGS | |
Recycling | |
Müll | |
Kreislaufwirtschaftsgesetz | |
Meer | |
Dosenpfand | |
Dosenpfand | |
Geldscheine | |
Handy | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Globales Abfall-Aufkommen: Die Welt erstickt in Müll | |
3,5 Millionen Tonnen Müll fallen weltweit an – täglich. Die Umweltschäden | |
sind enorm. In vielen Ländern wachsen die Mengen weiter, aber es gibt auch | |
positive Beispiele. | |
Lukrative Wertstoffe: Alle wollen Altmetall | |
Kommunen wünschen sich beim Schrotthandel ein größeres Stück vom Kuchen. | |
Das Nachsehen haben kleine fahrende Händler – unter ihnen viele Sinti und | |
Roma. | |
Ausstellung zu Müll im Meer: Erregt Euch! | |
Die Ausstellung "Endstation Meer?" zeigt in Hamburg, wie Plastik die Meere | |
vermüllt. Sie zielt auf eine Verhaltensänderung. | |
Grüne fordert neues Pfandsystem: „Einiges ist nur über Geld zu regeln“ | |
„Dosenpfand-Minister ist kein Schimpfwort“, meint die Grüne Dorothea | |
Steiner. Zehn Jahre nach der Einführung des Dosenpfands warnt sie vor der | |
Büchsenlobby. | |
Dosenpfand feiert Jubiläum: Einweg? Mehrweg? Einfach weg? | |
Die Pfandpflicht für Limo, Bier und Wasser sollte umweltfreundlich sein und | |
die Mehrwegflaschen stärken. Doch die Umweltrechnung ging nicht auf. | |
„Direktrecycling“ von Papier: Weit gereiste Kartenpost | |
Beim „Direktrecycling“ werden Materialien unmittelbar wiederverwertet, ohne | |
industrielle Bearbeitung. Mit alten Landkarten geht das besonders schön. | |
Recycling von Mobilgeräten: Deutsche horten ihre Handys | |
Fast 90 Millionen alte Handys und Smartphones liegen in Deutschland in | |
Schubladen herum. Dabei können sie teilweise kostenlos recycelt werden. |