# taz.de -- Dorfkrimi von und mit Bjarne Mädel: Monk mit Aussicht | |
> Der Schauspieler Bjarne Mädel hat in dem Film „Sörensen hat Angst“ | |
> erstmals auch die Regie übernommen. Ist ihm das gelungen? | |
Bild: Sörensen (Bjarne Mädel) mit Hund Cord | |
Bjarne Mädel wurde bekannt in der Rolle des Mobbingopfers Ernie in der | |
Fernsehserie „Stromberg“. Er wurde etabliert als Polizeiobermeister Dietmar | |
(„Bär“) Schaeffer in „Mord mit Aussicht“. [1][Er wurde Kult als | |
„Tatortreiniger“ Schotty.] Was soll man als Schauspieler danach noch | |
machen? | |
Erstens: die Chancen ergreifen, nicht in eine Schublade gesteckt zu werden | |
oder wenigstens nicht darin stecken zu bleiben. Die genannten Serienfiguren | |
waren ja allesamt veritable Schluffis. Gegen dieses Image hat Mädel erst | |
vor gut zwei Wochen in dem filmischen Ferdinand-von-Schirach-Doppelwhopper | |
„Feinde“ angespielt. „Bestürzender Murks“ und „viele Stunden schlech… | |
Fernsehen“ hatte die Kollegin von der FAZ darüber geschrieben. Aber die | |
darstellerische Leistung Mädels in der Rolle des harten Bullen, der, um ein | |
entführtes Mädchen zu retten, zum verbotenen Mittel der Folter greift, | |
wurde doch recht einhellig gelobt. | |
[2][Zweitens: die Möglichkeiten nutzen.] Tun, was keine Geringeren als | |
Clint Eastwood, Sylvester Stallone und Kevin Costner, nicht zu vergessen | |
George Clooney – oder in Deutschland, nun ja: Til Schweiger – vor ihm getan | |
haben. In den Regiestuhl wechseln. Wie dieser Wechsel bei Mädel aussieht, | |
kann man sich heute Abend in „Sörensen hat Angst“ (Buch: Sven Stricker) | |
angucken. Es ist Mädels Regiedebüt. | |
Sörensen hat also Angst. Sörensen – gespielt übrigens von dem Schauspieler | |
Bjarne Mädel – hat eigentlich immer Angst, weil er nämlich an einer | |
Angststörung leidet: „Und dann suchst du dir einen Job, in dem du auf | |
keinen Fall Angst haben darfst, um dich dagegen zu behaupten, verstehst du. | |
Also wirst du Polizist.“ Schon wieder ein Bulle. Aber was soll man machen | |
in einem Land, in dem gefühlt 78 Prozent aller Fernsehfilme Krimis sind. | |
Nur scheint einem dieser hyperneurotische Sörensen, so kurz nach „Feinde“, | |
ein Rückfall in die alten Serienrollen zu sein, ärger noch: eine extreme | |
Steigerungsform aller bisher bekannten Bjarne-Mädel-Schluffis. | |
## Zahlreiche Phobien | |
Es ist schon wahr: Im zeitgenössischen Krimi haben die pathologisch | |
auffälligen Ermittler den harten Bullen von einst längst den Rang | |
abgelaufen. Man denke etwa an Saga Norén mit ihrem Asperger-Syndrom („Die | |
Brücke“). Oder natürlich an „Monk“ mit seinen zahlreichen Phobien und e… | |
Zwangsstörung. | |
Bei Sörensen ist es, unter anderem, Hyperakusis, die krankhafte | |
Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen. Also nichts wie raus aus dem | |
Großstadtmoloch Hamburg und ab nach Katenbüll im Landkreis Brake: „Ja, ist | |
alles sehr überschaubar bei uns, ne. Manchmal passiert auch tagelang gar | |
nichts“, erklärt die neue Kollegin Jennifer („Jenni“) Holstenbeck (Katrin | |
Wichmann). „Das ist genau der Grund, warum ich hier bin“, freut sich | |
Sörensen, natürlich zu früh: „Der Hinrichs sitzt tot in seinem Stall“, h… | |
der zweite neue Kollege (Leo Meier) gerade erfahren. | |
Tatsächlich erinnern dieser Malte („Kriminalkommissaranwärter, erstes | |
Behördenpraktikum“) und Jenni schon sehr an Dietmar Schaeffer (gespielt von | |
Bjarne Mädel) und Bärbel Schmied, die beiden Sidekicks der in das | |
Eifel-Kaff Hengasch abgeschobenen Kommissarin aus „Mord mit Aussicht“. „1… | |
Landeier“ (so der Titel der 169. „Polizeiruf“-Folge) sind ein beliebtes | |
Krimimotiv. Da ist die Welt (des Verbrechens) quasi noch in Ordnung. | |
Dass einem all die ländlichen Verschrobenheiten so bekannt vorkommen, ist | |
aber nur das kleinere Problem von „Sörensen hat Angst“ (über das die | |
Nebenrollenbesetzung mit Ausnahmeschauspielern wie Anne Ratte-Polle, | |
Matthias Brandt, Peter Kurth hinweghelfen könnte). | |
## Kein heimeliger Mord | |
Das viel größere Problem besteht darin, dass sich die Ermordeten – es | |
bleibt nicht bei dem einen – schließlich als Mitglieder eines Rings von | |
Gewalttätern und Kinderpornografen erweisen. Ja, das gibt es auch auf dem | |
platten Land, wie wir spätestens seit Lügde sicher wissen. Nur tut sich da, | |
in dem Film, ein unüberbrückbarer Abgrund auf zwischen den lustigen | |
Witzfiguren und diesem härtesten aller Filmsujets überhaupt (in der ARD | |
etwa verhandelt in „Operation Zucker“). | |
Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist kein heimeliger Mord (ob mit oder ohne | |
Aussicht), da hört der Spaß auf. Wenn schon nicht der Regiedebütant Bjarne | |
– der erfahrene Schauspieler Mädel hätte das wohl wissen können. | |
20 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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