# taz.de -- Digitalisierung in den Schulen: Kurz vor Glasfaser | |
> Die Coronapandemie bei Schulen und Politik zum Handeln gezwungen – und | |
> einiges vorangebracht. Die größte Baustelle bleibt schnelles Internet. | |
Bild: Da kommt Internet raus – demnächst auch in der Schule? | |
BERLIN taz | Als vor einem Jahr im März 2020 die Berliner Schulen in den | |
ersten Lockdown gingen, galt eine Schule als gut organisiert, wenn die | |
LehrerInnen es schafften, den Kindern Aufgabenblätter als PDF zukommen zu | |
lassen. Manchmal gab es gar eine Rückmeldung zu den Aufgaben per Telefon, | |
aber das fiel dann eher schon in die Kategorie außergewöhnliches | |
Engagement. | |
„Wir waren vor einem Jahr wirklich froh, wenn wir es geschafft haben, | |
überhaupt Aufgaben zu verteilen“, sagt Arnd Niedermöller, Schulleiter am | |
Lichtenberger Immanuel-Kant-Gymnasium. Videokonferenzen? „Da waren viele | |
Familien anfangs völlig überfordert, weil auch die Eltern ihre Tablets im | |
Homeoffice brauchten.“ | |
Inzwischen, sagt Niedermöller, der auch Mitglied im Digitalbeirat ist, der | |
seit Dezember die Bildungsverwaltung in Sachen Digitalisierung auf die | |
Sprünge helfen soll, „ist Unterricht per Videokonferenz ein gängiges Mittel | |
und die Ausstattungsfrage mit Endgeräten ist eigentlich keine mehr.“ | |
Sein Kollegium, sagt der Schulleiter, integriere die Videostunden fest in | |
rhythmisierte Wochenpläne, die Koordination über den digitalen Lernraum | |
laufe gut, es gebe sogar Gruppenarbeit in digitalen Räumen. „Eigentlich | |
sind wir da innerhalb kurzer Zeit auf ein wahnsinnig hohes Niveau | |
gesprungen“, sagt Niedermöller. Ähnliches [1][haben inzwischen viele andere | |
Schulen] berichtet. | |
## Große Startschwierigkeiten | |
Nun war das Niveau, von dem aus man zum Sprung ansetzte, aber auch sehr, | |
sehr niedrig. Den digitalen Lernraum Berlin der Senatsbildungsverwaltung | |
hatte vor Corona kaum ein Berliner Schüler betreten. Gerade mal 50.000 | |
Zugriffe täglich verzeichneten die AdministratorInnen in vorpandemischen | |
Zeiten – im Lockdown liegen die Zugriffszahlen im Millionenbereich. | |
Die Bildungsverwaltung musste Serverkapazitäten erweitern und erwarb im | |
Januar die Lizenz für eine weitere digitale Lernplattform, weil der | |
Lernraum Berlin unter dem Ansturm immer mal wieder, gerne übrigens | |
montagmorgens, zusammenbrach. | |
Dienst-E-Mail-Adressen für Lehrkräfte? Brachte die Bildungsverwaltung | |
inzwischen in einem Pilotprojekt Mitte Januar „an ausgewählten Schulen“ auf | |
den Weg – allerdings eben auch erstaunlich, so viele Jahre nach der | |
Erfindung der E-Mail. | |
Internet in Gigabytegeschwindigkeit? Lediglich die beruflichen Schulen sind | |
inzwischen ans Glasfasernetz angeschlossen. Für die allgemeinbildenden | |
Schulen sei immerhin inzwischen die Ausschreibung auf dem Weg, sagt der | |
Pankower Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU). „Wir hoffen, dass bis Ende 2021 | |
die Vergabe erfolgt.“ | |
## Digitalpakt-Milliarden bisher versandet | |
Immerhin: Die Bildungsverwaltung hat nun Mobilfunkrouter entdeckt, die sie | |
den Schulen „bis zur Ausstattung der Standorte mit einer leistungsstarken | |
Breitband-Glasfaseranbindung und entsprechend ertüchtigten Netzwerk- und | |
WLAN-Strukturen in den Gebäuden“ zur Verfügung stellen will, und zwar | |
„unbürokratisch“. | |
Für die Router brauche man lediglich „ein Fenster und eine Steckdose“, | |
heißt es im Infoschreiben. Noch in dieser Woche sollen die Schulen jetzt | |
ihre Bedarfe anmelden: Die Mobilfunkverträge seien „unterschriftsreif“, | |
hieß es am Mittwoch. Eine lange Zeit rannten SchulleiterInnen und auch der | |
Landeselternschuss mit der Forderungen nach solch einfachen | |
„Pop-up-Lösungen“ übrigens gegen eine Wand der Ablehnung. | |
Man kann also gut nörgeln über die jahrzehntelang verpasste Digitalisierung | |
der Schulen. Man kann aber auch sehen, wie viel pragmatischer und | |
furchtloser die Politik und auch die Schulen inzwischen an dieses Internet | |
herangehen – weil sie durch die Pandemie schlicht dazu gezwungen wurden. | |
Das sagt auch Schulstadtrat Kühne. Bisher seien die 2019 verabschiedeten | |
Digitalpakt-Milliarden des Bundes – insgesamt 6,5 Milliarden Euro dürfen | |
die Länder bis 2024 verausgaben – schlicht zwischen Bürokratie und | |
Zuständigkeiten versandet. | |
## Ernüchternde Billianzen | |
Zum Beispiel die Verkabelung mit schnellem Internet, das wiederum | |
Voraussetzung dafür ist, dass Videokonferenzen laufen. Während die | |
Anbindung mit Glasfaser zentral über das der Innenverwaltung unterstellte | |
Rechenzentrum ITDZ läuft, sind für die LAN-Kabel-Aufrüstung in den Gebäuden | |
die Bezirke zuständig. | |
Doch Kühne sagt: „Diese Kabel sind aufwendig zu verlegen, dass macht nur | |
Sinn, wenn eine größere Sanierung ansteht.“ Weil Schulsanierungen aber | |
ihrerseits Zeit kosten – alle laufenden Sanierungsvorhaben seien vor dem | |
Digitalpakt begonnen worden –, wird gerade bei genau keiner Schule im | |
Bezirk neben der Sanierung auch das Internet flott gemacht. Nun waren die | |
baulichen Voraussetzungen aber stets Bedingung dafür, dass die | |
Senatsbildungsverwaltung überhaupt Digitalpaktgelder für Endgeräte – | |
Tablets, digitale Tafeln – zur Verfügung stellte. | |
Das Ergebnis: Die meisten Gelder wurden nicht abgerufen. In Pankow habe man | |
2020 drei Millionen Euro verausgabt, sagt Kühne – sechsmal so viel hätte | |
zur Verfügung gestanden. In den anderen Bezirken ist die Bilanz nach fast | |
zwei Jahren Digitalpakt teils noch ernüchternder, wie eine parlamentarische | |
Anfrage der CDU-Fraktion an die Bildungsverwaltung vom Oktober zeigt. | |
## Corona ändert Herangehensweise | |
Diese „etwas naive Herangehensweise an die Realität“, wie Kühne sagt, | |
änderte sich dann mit dem 1,5 Millionen Euro schweren | |
„Sofortausstattungspaket“, das der Bund im Coronajahr 2020 auf den Weg | |
brachte. Berlin bekommt davon 27,5 Millionen – für Mobilfunkrouter, für | |
40.000 Tablets für SchülerInnen ohne eigens Endgerät zu Hause, für | |
Lehrerlaptops, für externe IT-BetreuerInnen an den Schulen. | |
Für letztere erarbeite man derzeit „mit Hochdruck eine Förderrichtlinie“, | |
sagt ein Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Die | |
Administratoren sollen sich dann unter anderem um die Dienstgeräte der | |
LehrerInnen kümmern – der „Rollout“ der ersten Geräte sei noch im März | |
geplant. | |
Für Schulleiter Niedermöller sind das alles gute Nachrichten. Er sagt aber | |
auch, dass Zehntausende Tablets nicht den Blick auf die größeren Baustellen | |
versperren sollten. „Die Bandbreiten sind das Problem, der Internetausbau | |
muss jetzt Priorität haben“, sagt Niedermöller, der an seiner Schule eine | |
Internetgeschwindigkeit „auf gutem Haushaltsniveau“ hat. | |
Den Digitalpakt entbürokratisieren, weniger dogmatisch agieren auch nach | |
der Pandemie, sagen sowohl Kühne als auch Niedermöller, das seien jetzt die | |
politischen Hausaufgaben.Ansonsten bleibe es an seiner Schule wohl bei dem | |
jetzigen Standard, sagt der Schulleiter: „Videokonferenzen meistens ohne | |
Video, aber mit Audio.“ | |
5 Mar 2021 | |
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[1] /Berlins-Umgang-mit-den-Schulen/!5729476 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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