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# taz.de -- Die FDP will Gauck, die Union nicht: Präsidialer Krach
> Die Union will Joachim Gauck auf keinen Fall ins Amt heben, weil sie
> keinen Fehler eingestehen möchte. Ihr Problem: Der Koalitionspartner FDP
> will Gauck auf jeden Fall.
Bild: Das Casting für den vakanten Stuhl des Bundespräsidenten läuft auf Hoc…
BERLIN taz | Kanzlerin Angela Merkel hatte klargemacht, was für sie bei der
Präsidentensuche Priorität hat. Ein gemeinsamer Kandidat mit SPD und Grünen
sei das Ziel, legte sie fest, als sie Christian Wulff verabschiedete. Eine
schöne Idee, hätte sie nicht einen Haken: Erst einmal müsste sich die
Koalition intern einigen.
Davon ist sie jedoch weit entfernt. Statt sich ganz im Sinne der Kanzlerin
zu einigen, zerstritt sich die Koalition am Sonntag heftig über die
Präsidenten-Nachfolge. Während sich die FDP nach Medienberichten per
Präsidiumsbeschluss auf den ehemaligen Bürgerrechtler Joachim Gauck
festlegte und andere Kandidaten ablehnte, will die Union Gauck verhindern.
Der Streit eskalierte bei einem Treffen der Partei- und Fraktionschefs von
CDU, CSU und FDP im Kanzleramt. Dennoch wurde für den Abend ein Treffen mit
der Opposition angekündigt.
Für viele in der Union ist Gauck vor allem aus strategischen Motiven
untragbar. Würde man ihn jetzt zum Präsidenten machen, sei dies das
Eingeständnis eines Fehlers, so das Kalkül. Denn schließlich hatten Merkel
und die Union Wulff 2010 gegen Gauck durchgesetzt, den SPD und Grüne als
Gegenkandidaten aufgestellt hatten. Der Opposition war damals ein Coup
gelungen, weil Gauck in der Bevölkerung viel höhere Beliebtheitswerte hatte
als Wulff. Beide Oppositionsparteien würden Gauck auch jetzt wieder
mittragen. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte mehrfach betont, er sei nach wie
vor ein guter Kandidat.
Bei dem Gespräch im Kanzleramt sollte auch Wolfgang Huber als möglicher
Präsident erwogen werden. Der frühere EKD-Vorsitzende wäre für die
Sozialdemokraten tragbar, hieß es in SPD-Kreisen. Doch wieder hakt es bei
den Regierungsparteien: Dieses Mal will die FDP nicht. Den Liberalen ist
Huber zu SPD-nah, ihnen stößt auf, dass er mehrfach soziale Ungleichheit
geißelte. Außerdem, so die Befürchtung, könnte ein Präsident Huber als
Vorzeichen einer großen Koalition im Bund ausgelegt werden.
## Gegen Töpfer sperrt sich die FDP
Ähnlich ist die Gefechtslage bei Klaus Töpfer (CDU). Der frühere
Umweltminister und langjährige Leiter des Umweltprogramms der Vereinten
Nationen wird innerhalb der Union gerne genannt. Mit ihm könnten SPD und
Grüne gut leben, schließlich vertritt er bei ökologischen und sozialen
Themen ihre Positionen. Doch auch bei diesem Namen sperrt sich die FDP.
"Auch Töpfer wäre eindeutig ein schwarz-grünes Signal", heißt es in
Parteikreisen. Rösler pflegt mit Töpfer eine Intimfeindschaft - beide
hatten sich bei der Energiewende offen bekämpft.
Ähnliche Bedenken haben die Freidemokraten bei einer Frau, die sich SPD und
Grüne ebenfalls im Schloss Bellevue vorstellen könnten - und die auch Thema
im Koalitionstreffen war. Petra Roth (CDU), die scheidende
Oberbürgermeisterin von Frankfurt, hat die Stadt mit einer schwarz-grünen
Koalition regiert. Wieder dürfte die FDP den Subtext fürchten.
Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte die Freidemokraten am Sonntag scharf.
"Die FDP betreibt ein unwürdiges Spiel." Sie trage einen Kandidaten nach
dem anderen im Vorfeld auf den Marktplatz und lehne ihn aus rein
parteitaktischen und egoistischen Motiven ab, sagte Özdemir der taz. "Nun
ist es an Frau Merkel, zu entscheiden, was wichtiger ist: die Situation der
FDP oder die Wahl des am besten geeigneten Kandidaten."
## Merkels schwierige Suche
Sicher ist: Die Präsidentensuche gestaltet sich für die Kanzlerin zunehmend
schwierig. Merkels Plan A war am Samstag gescheitert. Der angefragte
Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, wäre ein guter
Kandidat gewesen - ein glänzender Redner, ein analytisch scharfer Kopf, bei
allen Parteien wegen seiner Qualitäten geschätzt. Doch Voßkuhle sagte nach
kurzer Bedenkzeit ab.
Auch CDU-Bundestagspräsident Norbert Lammert wurde in der Koalition als
Kandidat gehandelt. Der brillante Rhetoriker hatte seine Unabhängigkeit in
der Vergangenheit immer wieder bewiesen, etwa als er auf starke Rechte des
Parlaments in der Eurokrise pochte. Doch auch Lammert winkte ab.
Gleichzeitig stellte die Opposition Bedingungen - und kegelte so weitere
KandidatInnen aus dem Personalkarussell. In der Debatte wurden auch immer
mal wieder Ministernamen wie Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière oder
Wolfgang Schäuble kolportiert. Bei einer Pressekonferenz der Spitzen von
SPD und Grünen am Samstag erteilten sie solchen Lösungen eine Absage.
Mitglieder des Kabinetts kämen nicht in Frage, sagte SPD-Chef Sigmar
Gabriel.
19 Feb 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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