| # taz.de -- Deutschlandradio-Chef über Wortprogramm: „Ich habe keine Scheu v… | |
| > Deutschlandradio-Intendant Willi Steul über die geplanten Reformen, den | |
| > Verlust der Musik im Nachtprogramm und den Radioretter-Appell. | |
| Bild: Gutes Radio muss bleiben: Über 18.000 HörerInnen haben gegen die geplan… | |
| taz: Herr Steul, Sie wollen dem Deutschlandfunk (DLF) ab 2013 die | |
| „Wortnacht“ verordnen – es soll in den Nachtstunden nur Wortprogramm gebe… | |
| die Musik, wie sie heute dort läuft, muss weichen. Warum? | |
| Willi Steul: Schauen Sie sich das Programmumfeld an: Sie haben Klassik in | |
| der ARD-Nacht, Klassik im DLF – und ebenfalls gehobene Musik im DKultur. Da | |
| ist ein Wortprogramm schlicht die klare Alternative. | |
| Der Deutsche Musikrat hat gegen die Vertreibung der kleinen Nachtmusik | |
| scharf protestiert. | |
| Das war eine pawlowsche Reaktion: Stimmt – wir verdrängen damit einen Teil | |
| unseres Musikprogramms, aber der zweite Teil des Auftrags lautet klar, dies | |
| mit Blick auf alle drei Programme zu kompensieren, möglichst auch zu | |
| besseren Zeiten als im Nachtprogramm. Ich will außerdem feste Plätze für | |
| unsere Orchester und Chöre in der Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH | |
| Berlin, deren Hauptgesellschafter wir sind. | |
| Sie haben zudem eine komplementäre Ausrichtung von Deutschlandfunk und | |
| Deutschlandradio Kultur angekündigt. Was hat man sich darunter | |
| vorzustellen? | |
| Bislang waren beide Programme längst nicht überall parallel zu hören. Das | |
| ändert sich nun durch Digitalradio und Internet. Jetzt müssen wir eine Art | |
| „Reißverschlussprogrammierung“ hinbekommen: Es darf in unseren Kanälen nie | |
| zur selben Zeit dasselbe Genre – also zum Beispiel Hörspiel oder Klassik – | |
| laufen. | |
| Um ein anderes Kulturradio – WDR 3 vom WDR – wird wegen der dort geplanten | |
| Reformen erbittert gestritten. Haben sich die „Radioretter“ schon für die | |
| Wortnacht interessiert? Oder sind die noch vollauf mit dem WDR beschäftigt? | |
| Dort geht es ja um den – unbewiesenen – Vorwurf, der WDR gebe seinen | |
| öffentlich-rechtlichen Auftrag auf. Das kann man uns nicht unterstellen. | |
| Das Gegenteil ist der Fall. | |
| Eigentlich müssten Ihnen die „Radioretter“, die für ihren Protest in Sach… | |
| WDR 3 über 18.000 Unterschriften gesammelt haben, sympathisch sein. Sie | |
| beweisen schließlich, dass Radio die Menschen alles andere als kaltlässt. | |
| Ich bin da hin- und hergerissen. Wir müssen uns zunehmend legitimieren – da | |
| gehört die öffentliche Diskussion dazu. Sie zeigt, dass Radio lebt. Nur: | |
| Von den 18.000 Unterzeichnern des Radioretter-Appells wissen vielleicht | |
| gerade mal 1.200, worum es wirklich geht. Der Rest ist, verkürzt, Furcht, | |
| Sorge. Eine Bewegung wie die Radioretter ist schwierig, aber damit setzen | |
| wir uns auseinander, das tut jetzt auch der WDR in öffentlichen | |
| Diskussionen. | |
| Ein Argument der „Radioretter“ ist, dass die WDR-Führung Mitarbeiter wie | |
| Gremien zu spät eingebunden und vor vollendete Tatsachen gestellt hat … | |
| Haben Sie Verständnis, dass ich inhaltlich zum WDR nichts sage. Unsere | |
| Gremien sind seit einem Jahr in die Überlegungen eingebunden, es gibt eine | |
| eigene Arbeitsgruppe Strategie. Der Hörfunkrat des Deutschlandradios wird | |
| nicht überraschend mit Plänen konfrontiert, er ist informiert. | |
| Befürchten Sie nicht, dass irgendwann einmal die Frage gestellt wird, ob | |
| man den Deutschlandfunk braucht, wenn alle Landesrundfunkanstalten der ARD | |
| ebenfalls Informations- und Kulturkanäle haben, die per Internet überall zu | |
| empfangen sind? | |
| Die Diskussion müssen wir nicht führen. Unser Auftrag ist nationaler | |
| Hörfunk. Und im Begriff „Landesrundfunkanstalt“ bildet sich auch deren | |
| Auftrag ganz klar ab, die Kultur ihrer Länder abzubilden. Auch als ich noch | |
| beim SWR und damit in der ARD Direktor war, habe ich Deutschlandradio immer | |
| als komplementäre Veranstaltung gesehen, nicht als einen Gegner. Gut, im | |
| Internet sind sie alle. Aber ich habe auch keine Scheu vor Konkurrenz – | |
| unsere Programme sind nämlich verdammt gut, und Vielfalt ist ein Gewinn für | |
| die Hörer. | |
| Apropos „verdammt gut“: Wer sucht beim DLF für die „Politik am Morgen“ | |
| diese Fahrstuhlmusik aus? Das ist doch Menschenrechtsverletzung – kann der | |
| Intendant da nicht mal den Hammer fallen lassen? | |
| Da verweigere ich die Aussage. Aber bleiben Sie mal optimistisch. | |
| 17 Jun 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
| EU | |
| Radio | |
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