# taz.de -- 50. Geburtstag von Deutschlandfunk: Einzigartig artig | |
> Seit fünf Jahrzehnten ist der Deutschlandfunk Frequenz gewordene | |
> Zuverlässigkeit. Doch wer den Radiosender auf staatstragende Ödnis | |
> reduziert, macht es sich zu leicht. | |
Bild: Nüchtern, solide und etwas grau: der Deutschlandfunk wird 50. | |
Um sechs Uhr dreißig am Morgen putzt sich halb Deutschland die Zähne. Und | |
wer was auf sich hält, hört dabei die "Informationen am Morgen" beim | |
Deutschlandfunk. Das ist die Sendung, die zwischen den Wortblöcken immer | |
sekundenkurze Musikstücke anspielt, in denen es sich prima gurgeln lässt. | |
Das Magazin setzt für die ganze Republik die Agenda, zumindest die | |
politische. Mit Pastor Hintze von der CDU, der die Erklärungen von | |
Christian Wulff natürlich völlig ausreichend findet. Und mit der | |
SPD-Generalin Andrea Nahles, die das qua Amt ganz anders sieht. Und im | |
nächsten Nachrichtenblock heißt es wieder "… sagte im Deutschlandfunk". | |
Das heißt es nun schon ein halbes Jahrhundert. Dabei war der Sender, der ab | |
heute seinen 50. Geburtstag mit einem großen Symposium in Köln begeht, ganz | |
anders gemeint, als er am 1. Januar 1962 erstmals auf Sendung ging. Mehr | |
noch: Ausgerechnet der so staatstragende Deutschlandfunk war ursprünglich, | |
wenn schon nicht illegal, so doch in der westdeutschen Rundfunkordnung | |
ausdrücklich nicht vorgesehen. Denn laut der sollte es kein landesweites | |
Radio geben - sondern nur die regionalen Programme vom NDR im Norden bis | |
zum BR im Süden. | |
Doch das erwies sich von Anfang an als nicht ganz machbar: Im Osten gab es | |
via Langwelle schon ab den 1950er Jahren was auf die Ohren, schließlich | |
hatte die DDR auch "ihren" Deutschlandsender. 1960 schuf ein neues Gesetz | |
dann den DLF, als Sender für ganz Deutschland inklusive DDR und Europa, | |
zunächst mal über Mittelwelle. Dass dabei auch das ARD-versorgte | |
Deutschland-West Deutschlandfunk hörte, war ein gern akzeptierter | |
Kollateralnutzen. | |
Mit der Wiedervereinigung bekam der DLF dann endlich die volle Souveränität | |
- und sogar noch ein Schwesterlein, das Deutschlandradio Kultur, in dem | |
Teile des DDR-Funks und des Westberliner Unikums Rias aufgingen. Forthin | |
sieht sich die dritte öffentlich-rechtliche Säule (neben ARD und ZDF) als | |
Integrationsunternehmen beim Zusammenwachsen von Ost und West. | |
## Seriosität und Nominalstil | |
Warum aber ist der DLF trotz der vielen Inforadios der anderen | |
ARD-Anstalten, die eigentlich haargenau dasselbe machen, so einzigartig? | |
Und so einzigartig artig? Vielleicht ist es dieses gelebte Understatement, | |
von dem auch so staubtrockene Sendungstitel wie "Wirtschaft am Mittag" oder | |
"Informationen am Abend" zeugen. Der Deutschlandfunk ist Frequenz gewordene | |
Zuverlässigkeit - zu jeder Zeit. Leider heißt das in Deutschland, wo | |
Seriosität immer mit einer gewissen Langeweile einhergeht: Nominalstil. | |
Zumindest in den Nachrichten: Regierungschefs treffen sich nicht bloß, wie | |
das normale Menschen tun würden. Sie treffen zusammen, wie neulich Merkel | |
und Sarkozy beinahe jeden Tag. Oder man "erklärt" sich, wie jetzt gerade | |
das Verfassungsorgan Bundespräsident und dieses andere mächtig verfasste | |
Organ namens Bild-Zeitung. | |
Doch wer den DLF auf leicht offiziöse Züge reduziert, macht es sich zu | |
leicht. Ohne Deutschlandfunk und Deutschlandradio sähe es beim Deutschen | |
Symphonieorchester, dem Berliner Rundfunkchor und anderen mau aus. Denn der | |
Sender macht nicht nur zwischen seinen morgendlichen Nachrichtenschnipseln | |
Musik, sondern auch richtig. Er ist Hort für anspruchsvolle Features und | |
Hörspiele, die es auf den immer stärker durchformatierten Kulturwellen | |
anderer Anstalten schwer haben. | |
Und er setzt - wie der Bundespräsident - auf das Wort. Ab 2013, so hat es | |
Deutschlandradio-Intendant Willi Steul, der auch Herr über den DLF ist, | |
eben angekündigt, soll es in der Nacht ein reines Wortprogramm geben. | |
Überhaupt ist der Deutschlandfunk, wenn das schiefe Bild gestattet ist, so | |
etwas wie der Bundespräsident unter den Radiosendern: politisch engagiert, | |
aber neutral und auf die großen Zusammenhänge bedacht. | |
5 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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