| # taz.de -- Deutsche Unterstützung für Israel: Über 100 Nahost-Experten ford… | |
| > Die „Staatsraison“ dürfe nicht über dem Völkerrecht und dem Grundgesetz | |
| > stehen. Auch ehemalige EU-Größen unterstützen den Ruf nach Sanktionen. | |
| Bild: Solidaritäts-Kundgebung für Gaza in Berlin, am 2.Oktober 2025 | |
| BERLIN dpa / afp | Mehr als 150 Fachleute aus Wissenschaft, Politik und | |
| Diplomatie fordern einen [1][Kurswechsel Deutschlands in der | |
| Nahost-Politik]. Vor dem Hintergrund der israelischen Kriegsführung müsse | |
| diese konsequent am Völkerrecht ausgerichtet werden und zugleich Hardliner | |
| auf beiden Seiten unter Druck setzen – „bis hin zu Einreiseverboten, | |
| Einfrieren von Vermögenswerten [2][oder anderen Sanktionen]“, verlangen die | |
| Autoren und Unterstützer, die einen Forderungskatalog mit zehn Punkten | |
| vorlegen. | |
| „Die vage definierte politische Doktrin, die den vordemokratischen Begriff | |
| der „Staatsraison“ wiederbelebt hat, hat die Unterstützung für die | |
| israelische Regierung über die rechtlichen und moralischen Verpflichtungen | |
| Deutschlands, über nationale und europäische Interessen, die Grundrechte | |
| der Palästinenser, das Schicksal der israelischen Geiseln und regionale | |
| Friedensbemühungen gestellt“, wird darin kritisiert. | |
| Zu den Autoren des Papiers, das am Donnerstag vorgestellt wurde, zählen der | |
| Publizist und Nahost-Experte Daniel Gerlach, die Politologin Muriel | |
| Asseburg (Stiftung Wissenschaft und Politik), der Diplomat Philip Holzapfel | |
| und der ehemalige israelische Parlamentspräsident Avraham Burg. Sie | |
| fordern, aus Deutschlands historischer Verantwortung für Israel dürfe nicht | |
| die uneingeschränkte Unterstützung der israelischen Regierung folgen. | |
| ## „Wiedergutmachung“ nicht zu Lasten Dritter | |
| Deutschlands historische Verantwortung für den Holocaust bedeute, | |
| Antisemitismus zu bekämpfen und jüdisches Leben zu schützen – in erster | |
| Linie im eigenen Land, aber auch in seinen außenpolitischen Beziehungen. | |
| „Wiedergutmachung darf kein Vertrag zu Lasten Dritter sein“, fordern die | |
| Unterstützer der Initiative, darunter auch der vormalige | |
| EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Mary Robinson, frühere | |
| UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. | |
| „Wir sind der Ansicht, dass mit der massiven kriegerischen Zuspitzung, wie | |
| wir sie im Nahen Osten erlebt haben in den letzten zwei Jahren, die | |
| Staatsräson-Doktrin in ihrer heutigen Auslegung weder der deutschen | |
| historischen Verantwortung noch unseren strategischen Interessen | |
| entspricht“, sagte die Nahost-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung | |
| Wissenschaft und Politik (SWP), die zu den Initiatoren gehört. | |
| Als Reaktion auf den Angriff der Hamas vor zwei Jahren geht Israel mit | |
| massiver militärischer Härte im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben | |
| des Gesundheitsministeriums des Palästinensergebiets mehr als 66.200 | |
| Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Noch immer befinden | |
| sich 47 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen nach Angaben der | |
| israelischen Armee mindestens 25 bereits tot sind. | |
| Was bedeutet Staatsräson? | |
| Geprägt hatte den Begriff der „deutschen Staatsräson“ in Bezug auf Israel | |
| die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte bei einem | |
| Besuch in Israel die Sicherheit des Landes zur „deutschen Staatsräson“ | |
| erklärt. Kritiker werfen der Bundesregierung jedoch vor, sich hinter dem | |
| Begriff der „Staatsräson“ zu verstecken, um keine Maßnahmen gegenüber | |
| Israels völkerrechtswidrige Besatzung und Kriegsführung ergreifen zu | |
| müssen. | |
| „Israels Zerstörung des Gazastreifens“ habe „die Unvereinbarkeit der | |
| Doktrin mit dem Grundgesetz sowie Deutschlands weiterer historischen | |
| Verantwortung immer deutlicher gemacht“, heißt es nun jedoch in dem am | |
| Donnerstag in Berlin vorgestellten Positionspapier mit dem Titel „Jenseits | |
| der Staatsraison“. | |
| Der [3][Initiative mehrerer westlicher Staaten], darunter Frankreichs und | |
| Großbritanniens, zu einer Umsetzung der Zweistaatenlösung sollte sich | |
| Deutschland den Experten zufolge anschließen und einen | |
| [4][palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 anerkennen]. | |
| Dieser Schritt sei überfällig. Die Bundesregierung solle zudem ihre | |
| finanzielle Unterstützung des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) ausbauen | |
| und für einen Schutz von UN-Mitarbeitern und Journalisten im Gazastreifen | |
| eintreten. | |
| ## Verpflichtungen aus dem Grundgesetz | |
| Alexander Schwarz von der Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR verwies | |
| auf Verpflichtungen aus dem Grundgesetz. Die Einhaltung völkerrechtlicher | |
| Verträge sei Kernbestand der verfassungsrechtlichen Ordnung und eine | |
| moralische Lehre aus der deutschen Geschichte. | |
| „Die Bundesregierung stattdessen reklamiert eine Staatsräson, die sich in | |
| bedingungsloser Solidarität mit Israel erschöpft“, sagte Schwarz. Schwerste | |
| Völkerrechtsverbrechen dürften nicht straflos bleiben, „und zwar ohne | |
| Ansehen der Person“. Er warnte: „Wer aber für Wladimir Putin internationale | |
| Strafverfolgung fordert, sie aber im Fall von Benjamin Netanjahu sabotiert, | |
| demontiert die Idee einer objektiven Justiz.“ | |
| 2 Oct 2025 | |
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