# taz.de -- Der weite Weg zur Operation: Urlaub im Krankenhaus | |
> Bei Verletzungen kommen erst die Arztbesuche, Untersuchungen und | |
> Physiotherapie. Wenn nichts mehr geht, beginnen endlich die Ferien im | |
> Dreibettzimmer. | |
Bild: Ein Ort zum Ausruhen: das Bettenhaus der Charite in Berlin | |
Manche Leute haben etwas dagegen, ein paar Nächte in einem Krankenhausbett | |
zu verbringen. Ich habe es immer als eine Art Urlaub empfunden – ein | |
bedauerlicher Urlaub, aber immerhin ein Urlaub. Bald steht mir mal wieder | |
einer bevor, [1][natürlich wegen einer Sportverletzung.] Diese | |
Erholungszeit habe ich bitter nötig. Nicht etwa wegen Alltagsstress, | |
sondern weil der Weg zu diesem Krankenhausbett ein steiniger ist, voller | |
Hürden. Dagegen kommt der Aufenthalt selbst Ferien gleich. | |
Die Liege ist schon reserviert, wenn du aus dem OP-Saal kommst. Niemand | |
erwartet etwas von dir, außer dass du dich ausruhst. Du und deine | |
Zimmergenossen haben nach kurzer Zeit alle Hemmungen verloren, als ihr im | |
Patientenkittel zur Toilette gekrochen seid. Ganz ähnlich wie Hotelgäste, | |
die sich nach drei Tagen am Pool nicht mehr darum scheren, wer sie in | |
Bademantel und Flip-Flops am Büfett oder in der Lobby sieht. | |
Ihr seid nett zueinander – außer wenn sich drei Patienten zusammentun, um | |
über den vierten zu lästern, der nachts schnarcht. Sogar von außen ähneln | |
die festungsartigen Krankenhäuser trübseligen Ressorts, moderne Kliniken | |
manchmal sogar Kreuzfahrtschiffen. | |
Die Operation selbst ist unkompliziert, schnell und dank starker | |
Arzneimittel schmerzlos, der Weg dorthin aber nicht. Nach der Verletzung | |
wartest du einen Tag ab, um sicher zu sein. Ja, da ist definitiv etwas | |
nicht in Ordnung. Du versuchst, einen Termin in einer orthopädischen Klinik | |
zu bekommen. Der nächste freie Termin ist erst in drei Wochen. Also musst | |
du warten und redest dir in der Zwischenzeit ein, dass die Verletzung nicht | |
so schlimm sei. | |
## Mit Panikknopf in der Röhre | |
Dann kommt endlich der Termin. Der Arzt schickt dich ins Nebenzimmer zum | |
Röntgen. [2][Das Röntgen] nimmst du nicht ernst, weil jeder Arzt, den du je | |
getroffen hast, dich glauben ließ, es sei nur eine Formalität. Stattdessen | |
willst du ein MRT, weil die Ärzt*innen ohnehin ein MRT wollen. Und das | |
aus gutem Grund. Röntgenbilder helfen meist nicht weiter. | |
Ein Röntgenbild bedeutet nur, dass du die Schlüssel aus der Tasche nehmen | |
und dir eine Bleischürze auf den Schoß legen musst. Insgeheim glaubst du | |
nicht einmal daran, dass es dich unfruchtbar machen könnte. Vor dem | |
Einstieg in die riesige MRT-Maschine muss man sich ausziehen. Weil die | |
Röhre klaustrophobisch macht, bekommst du einen Panikknopf, der dir | |
versichert, dass du jederzeit abbrechen kannst. Aber du brichst nicht ab, | |
weil du die Maschine zu sehr respektierst. Nicht wegen der Technik – | |
sondern weil es so schwer ist, überhaupt einen Termin für ein MRT zu | |
bekommen. | |
Du rufst verschiedene Radiologiepraxen an. Keine hat einen Termin frei. So | |
lebst du weiter mit deiner Verletzung. Aber nichts heilt. Und du schonst | |
dich nicht. Schließlich kommt endlich der Termin und du bekommst eine CD | |
mit den MRT-Bildern. Doch dein Arzt braucht drei Wochen, um sich die | |
Ergebnisse anzusehen. Also gehst du zu einem anderen. Man erzählt dir, dass | |
eine Operation möglich wäre – aber dass es besser wäre, es erst einmal mit | |
[3][Physiotherapie] zu versuchen. Du akzeptierst dein Schicksal und wartest | |
weitere sechs Wochen auf die Physiositzungen. Einige Tage sind besser als | |
andere. Aber du siehst in ihren Gesichtern, dass es keine wirklichen | |
Fortschritte gibt. | |
Vier Monate vergehen. Endlich gibt die Physiotherapeutin zu: Es ist Zeit | |
für eine Operation. Nie war eine solche Nachricht willkommener. Doch die | |
Euphorie weicht schnell der Realität: Jetzt geht es darum, eine*n | |
Chirurg*in zu finden. In der Zwischenzeit laufen Überweisungen ab, | |
Termine werden verschoben. Und am Ende sagt ein Chirurg: In manchen Fällen | |
wird die Verletzung schlimmer, wenn man operiert. Also suchst du weiter und | |
findest, wenn du etwas Glück hast, einen anderen, der bereit ist, dich | |
endlich in den Urlaub zu schicken. | |
4 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Umgang-mit-Verletzungen/!6057003 | |
[2] /126-Jahre-Roentgenstrahlen/!5811820 | |
[3] /!5315388/ | |
## AUTOREN | |
Ali Çelikkan | |
## TAGS | |
Kolumne All Pain, No Gain | |
Krankenhäuser | |
Verletzung | |
Kolumne All Pain, No Gain | |
Kolumne All Pain, No Gain | |
Ski Alpin | |
Frauen-WM 2019 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Alltagssport: Die tröstlichste Verletzung ist die durch einen Freund | |
Unser Autor verletzt sich beim Basketball beim Zusammenprall mit einem | |
Freund. Das ist fast schön, denn beim Kumpel weiß man, es war keine | |
Absicht. | |
Comeback verletzter Fußballprofis: Der Druck der schnellen Genesung | |
Der aufgeblähte Spielkalender erhöht die Zahl der verletzten Fußballprofis. | |
Ihre Rückkehr ist kompliziert. Und auch andere Faktoren interessant. | |
Verletzungsmisere im Skisport: Frei Fahrt für Hasardeure | |
Kreuzbandrisse, Knochenbrüche, Hirnödeme: Eine beispiellose | |
Verletzungsmisere erfasst den alpinen Abfahrtszirkus. Ein Krisengipfel ist | |
angekündigt. | |
Fußball-Nationalspielerin Almuth Schult: Baustelle Schulter | |
Almuth Schult hat mit schweren Verletzungen bei der WM gespielt – auf | |
eigenes Risiko. Was der DFB darüber wusste, kann auch eine TV-Doku nicht | |
klären. |