# taz.de -- Alltagssport: Die tröstlichste Verletzung ist die durch einen Freu… | |
> Unser Autor verletzt sich beim Basketball beim Zusammenprall mit einem | |
> Freund. Das ist fast schön, denn beim Kumpel weiß man, es war keine | |
> Absicht. | |
Bild: Autsch: Das klassische verzerrte Gesicht jeder Sportverletzung, hier Ioan… | |
Es ist endlich Basketballwetter in Berlin. Ich nehme einen Freund und einen | |
Ball mit – es dauert nicht lange, bis ich in einem Drei-gegen-drei-Spiel | |
lande. Da sind Studierende aus der Türkei, die etwas Vertrautes in der | |
Ferne suchen. Jungs in Bluejeans, die spontan mitmachen. Männer mit | |
alternden Körpern, geplagt von vergangenen Verletzungen, die mit allerlei | |
Bandagen vorbeugen, kommen erst zögerlich dazu, tauen nach ein paar Spielen | |
auf und stürmen in Zeitlupe mit wackligen Dribblings zum Korb. Ich zähle | |
mich zu dieser Gruppe. | |
Alle sind gut gelaunt und freundlich. Es ist kein ehrgeiziges Spiel. | |
Niemand wird aggressiv oder reklamiert ein Foul, wenn man nach einem | |
minimalen Kontakt den Korbleger nicht versenkt. Der Ball fliegt, landet | |
hin und wieder auf der Skatebowl nebenan und grinsende Skater werfen ihn | |
zurück. Irgendwo spielt jemand Songs über eine Musikbox, die Sonne geht | |
langsam unter. Nach einem Spiel bis elf Punkte und kurz vor dem nächsten | |
Spiel setzen sich alle hin, um durchzuatmen. | |
Der Smalltalk beschränkt sich darauf, wer wann hier herkommt und wie oft: | |
„Wir sind donnerstags hier“, sagt mein Kumpel. „Ab jetzt jeden Donnerstag… | |
Eine kühne Ansage – aber warum nicht? Was gibt es Schöneres, als nach der | |
Arbeit ein paar Körbe zu werfen? [1][Mein lädierter Finger] tut nicht so | |
weh wie gedacht. Nach dem Match ein kurzer Spaziergang runter zur | |
Yorckstraße, wo auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier [2][seinen | |
Döner holt]. Ein bisschen in der Schlange stehen, ein Bier trinken, dann | |
nach Hause radeln. Ein perfekter Nachmittag. | |
Jeden Donnerstag kommen wir jetzt also her. Noch ein Spiel, dann hören wir | |
für heute auf. Mein Freund ist in dem anderen Team und deckt mich. Ich | |
decke ihn. Er zieht überraschend gut vorbei an ein paar Spielern zum Korb. | |
Ich lache und necke ihn: „Oha, du spielst genau wie LeBron James.“ | |
## Ich lache, um nicht zu weinen | |
Ein paar Minuten später macht er es wieder, aber diesmal fliegt er – | |
scheinbar von meinem Kompliment beflügelt – völlig unkontrolliert Richtung | |
Korb. Und schmettert mit seinem gebeugtem Knie gegen meinen Oberschenkel. | |
Ich liege am Boden, mein Bein ist taub. Ich lache, um nicht zu weinen. Alle | |
denken, ich hätte einen Tritt zwischen die Beine bekommen. Ich wünschte, es | |
wäre so. Ich warte, bis der Schmerz nachlässt, tut er aber nicht. Mein | |
Kumpel entschuldigt sich zigmal, er hat sich selbst schon oft verletzt. Und | |
gerade, als ich dachte, ich käme mal ohne Blessuren davon, nimmt der | |
Nachmittag wieder seine gewohnte Wendung. Zeit, [3][die Krücken aus dem | |
Schrank zu holen.] | |
Es hat etwas Tröstliches, von einem guten Freund verletzt zu werden. Du | |
weißt genau, dass es keine Absicht war, kein Frustmoment im Spiel. Du bist | |
fast erleichtert: Auch wenn dein Bein taub ist und du kaum laufen kannst, | |
musst du dich nicht in einer Konfrontation abreagieren. Statt dich zu | |
ärgern, tröstest du das schlechte Gewissen deines Freundes. | |
Selbst, als er ein paar Minuten später zum Spielfeldrand ruft: „Komm schon! | |
Willst du nicht weiterspielen?“, sagst du nicht: „Leck mich!“ Du lachst | |
weiter. Und kannst die Geschichte erzählen und dich vor gemeinsamen | |
Freunden über ihn lustig machen. Jedes Mal übertreibst du ein bisschen | |
mehr. Vielleicht schreibst du sogar was darüber. Denn genau das machen | |
Freunde. | |
Die Muskelprellung ist hoffentlich in einer Woche weg, damit ich | |
donnerstags wieder auf dem Platz stehen kann. Beim nächsten Mal achte ich | |
sicherheitshalber darauf, dass ich im selben Team wie mein Kumpel bin. | |
5 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Ali Çelikkan | |
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