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# taz.de -- Debütalbum des Rappers Symba: Reimen und „Tagesspiegel“ lesen
> Symba kennt sich mit Selbstdarstellungsmarkern aus. Auf seinem Debüt
> unterläuft er die hypermaskulinen Stereotype des Deutschrap.
Bild: „Auf einmal soll ich dann erwachsen sein / Die Welt da draußen kann be…
Zieht man hundertmal an einer bunten Einwegshisha aus Plastik oder
strapaziert man sich mit CBD-Joints die Lunge? Fährt man lieber mit dem per
App gebuchten Großraumtaxi durch Berlin-Kreuzberg oder auf dem Rücksitz des
gemieteten Teslas zum KaDeWe? Der Berliner Rapper Symba (bürgerlich Sylvain
Mabe) muss in seiner Vorstellungswelt solche Entscheidungen fast täglich
fällen.
Es wirkt fast, als scheint er in seinen verknappten Songs in einer nicht
enden wollenden Kette von Konsumentscheidungen gefangen zu sein, die
schnelles Glück versprechen. Diesen Eindruck erwecken zumindest Musik und
Texte seines Debütalbums „Symba Superman“.
Doch wenn irgendwann auch die letzte Einwegshisha leergedampft und der Akku
des Teslas geladen werden muss, was passiert dann?
Würde man es böse mit Symba meinen, dann könnte man den den 22-jährigen
Künstler als oberflächlichen Poser mit Markenfetisch abstempeln, der noch
dazu ein bisschen snobby tut. 2020, da war er knapp kein Teenager mehr,
veröffentlichte Symba den Song „Battlefield Freestyle“ und rappte doch
tatsächlich davon, dass er jeden Morgen nach dem Aufstehen den Westberliner
Tagesspiegel auf Papier liest.
## Eigentlich protzt er gar nicht
Es wurde schon mit [1][so ziemlich allem angegeben im Deutschrap,] aber mit
dieser [2][rechtschaffen bürgerlichen Tageszeitung] noch nicht. Und gerade
das ist ein Punkt, der den Rapper mit kamerunischen Wurzeln so interessant
macht. Symba und seine Gruppe Playboys Mafia, zu der auch der in seinen
Videos E-Roller fahrende Rapper Pashanim gehört, zählen nicht umsonst zu
den wenigen Künstler*innen, die dem Genre stilistisch noch etwas, wenn auch
Genuscheltes, hinzufügen können und bekannte Rapthemen auf neue Weise
erzählen.
Denn Symba auf seine Oberflächlichkeit zu reduzieren funktioniert nur auf
den ersten Blick. Auf den zweiten fällt auf: Eigentlich protzt er beim
Rappen gar nicht. Er kennt sich nur ziemlich gut damit aus, was gerade als
Selbstdarstellungs-Marker funktioniert und was nicht. Immer dann, wenn es
auf „Symba Superman“ um die schöne neue Warenwelt geht, um
prestigeträchtige Modelabels und teure Produkte, umgibt Symba eine Aura der
Abgeklärtheit. So als wäre er gar nicht so richtig anwesend.
Die elf Tracks auf „Symba Supermann“ funktionieren in diesen Momenten als
Flickenteppich der Coolness. All die Symbole, Artefakte und Orte, die Symba
streift, verwebt er zur Erzählung eines scheinbar sorgenfreien Lifestyles
im teils gentrifizierten Berlin-Kreuzberg. Der teilnahmslose Ich-Erzähler
hängt mit Freund*innen rum, die Yves, Ennis und Michelle heißen, über die
man als Hörer*in aber natürlich nichts weiß.
## Lookbook, Tagebuch, Autofiktion
Die kurzen, codierten, teils unzusammenhängenden Szenen, die Symba in
seinen Texten collagiert, erinnern an halb-private Lifestyle-Videos bei
Tiktok und Instagram, die innerhalb weniger Sekunden einen Lebensstil
abbilden. Die erwähnten Vornamen funktionieren dann wie Verlinkungen zu
weiteren Accounts, die Teil der Bildwelten sind. Auf „Symba Supermann“
entsteht dadurch eine Mischung aus Lookbook, Tagebuch und Autofiktion.
In dem Song „Sim City“ rappt Symba schließlich trotzig: „Kapitalismus hat
Playboys gefickt“ und singt auf „Leben ist gefährlich“: „Auf einmal so…
ich dann erwachsen sein, Ich weiß doch gar nicht, was das heißt, Digga, Die
Welt da draußen kann belastend sein“.
Spätestens da zeigt sich: All das Gepose ist nur vorgeschoben. Ähnlich wie
bei der Selbstdarstellung auf Social-Media-Accounts. Doch dahinter
verbergen sich Selbstzweifel und ziemlich reale Ängste, die einen als
Mensch Anfang 20 umtreiben. In einigen Textfragmenten, aber vor allem über
den Einsatz seiner Stimme transportiert Symba in seiner Musik
Verletzlichkeit, rapp-singt meist eher zurückhaltend, zum Teil fast
schüchtern.
## Der Lifestyle ist belastend
Er konterkariert dadurch seine Textinszenierungen. Plötzlich erscheint der
Lifestyle nicht mehr erstrebenswert, sondern belastend. Die Sounds im
Hintergrund tun ein Übriges. Die seichten Synth-Melodien fließen langsam
und ziemlich melancholisch vor sich hin und gehen durch ihr stringentes
Stimmungsbild ganz smooth ineinander über so wie die Tage des
Ich-Erzählers.
Ursprünglich sollte das Album „Soundcloud Supermann“ heißen. Soundcloud
bietet seit Längerem Raum für Experimente und Abseitiges im Rap. Die Sounds
auf Symbas Album lassen sich nun ähnlich wie bei der Plattform nicht mehr
nach Subgenres wie Trap zusammenfassen, sondern funktionieren wie ein
Mash-up. Die Melodie von „Leben ist gefährlich“ könnte sogar für einen
schmalzigen Schlager herhalten. Einzige verbindendes Element von Symbas
tranig anmutenden Klangpuzzles ist die Melancholie.
Diese ist nicht zu unterschätzen. Auf seinem Album zeigt Symba nämlich
auch, wie Rap funktionieren kann, der Verletzlichkeit zulässt, der zart
sein kann, der keine hypermaskulinen Stereotype bedient. Auch das ist
erfrischend und leider überhaupt keine Selbstverständlichkeit im
Deutschrap. „Auf der Straße in Berlin, meine Jungs sind alle traurig /
Komm’n Cops, dann muss ich fliehen, gemeinsam vor dem Blaulicht“, singt
Symba einmal. Probleme mit der Polizei gibt es also doch noch, aber richtig
ernst scheint es nicht zu sein. Und der Fokus auf „Symba Supermann“ liegt
eben viel mehr darauf, dass er und seine Jungs traurig sind als um Kämpfe
mit der Exekutive.
21 Feb 2023
## LINKS
[1] /Geschichte-des-Deutschraps/!5806697
[2] /Tagesspiegel-streicht-Medienseite/!5897766
## AUTOREN
Johann Voigt
## TAGS
Musik
Rap
Kreuzberg
Coming-of-Age
Melancholie
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Deutscher Hip Hop
Rap
Haftbefehl
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