Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Datenschutz in Corona-Apps: Gegen die Sammelwut
> Kurswechsel in Sachen Corona-App: Die Bundesregierung will nun doch auf
> ein dezentrales Modell setzen. Datenschützer:innen freuen sich darüber.
Bild: Technische Hochschule in Lausanne: Hier wird am Grundgerüst für eine de…
Berlin taz | Die Bundesregierung ist in Sachen Corona-App umgeschwenkt:
Nachdem sie in den vergangenen Wochen trotz der steten Kritik von
Datenschützer:innen an einem zentralen Modell festgehalten hatte, teilte
das Gesundheitsministerium am Sonntag mit, man wolle nun doch [1][auf ein
dezentrales Modell setzen].
„Unser Ziel ist es, dass angesichts der bereits erfolgenden Öffnungen nach
den umfangreichen Kontaktbeschränkungen sehr bald die Tracing-App
einsatzbereit ist und in der Bevölkerung sowie der Zivilgesellschaft eine
breite Akzeptanz findet“, heißt es in dem [2][Statement] von
Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtsminister Helge Braun (beide
CDU). Datenschützer:innen und IT-Expert:innen loben den Schwenk – sehen
aber noch nicht alle Probleme gelöst.
Bei der Corona-Tracing-App geht es um eine Smartphone-Software, mit der
Kontakte von Sars-CoV-2-Infizierten schnell gewarnt werden sollen. Die
Kontakte sollen sich kurzfristig in Quarantäne begeben und testen lassen,
sodass Infektionsketten frühzeitig unterbrochen werden. Schätzungen zufolge
müssten etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung eine solche App
installieren, um einen maßgeblichen Anteil zur Pandemiebekämpfung zu
leisten. Um auch Menschen ohne Smartphone die Teilnahme zu ermöglichen,
könnten Bluetooth-Tokens eingesetzt werden.
In einigen Punkten sind sich zentrales und dezentrales Modell dabei
ähnlich: Beide setzen auf die Technologie Bluetooth Low Energy, um andere,
in unmittelbarer Nähe befindliche Smartphones zu erkennen und zu speichern,
welche Geräte in der Nähe waren. Dabei generiert die App für die
Kommunikation miteinander ständig wechselnde IDs, um die Privatsphäre der
Besitzer:innen zu schützen. Wird ein Mensch positiv getestet und meldet
das mit einem dafür erhaltenen Code, werden die Kontakte aus den
vergangenen Wochen informiert.
## Offener Brief gegen zentrale App
Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Beim dezentralen Ansatz werden
die im Infektionsfall notwendigen Berechnungen, welches Gerät wann welchem
nahe war, auf den Smartphones selbst durchgeführt. Beim zentralen Modell
dagegen landen die IDs und Kontakte auf einem zentralen Server, etwa beim
Robert-Koch-Institut. Das hätte aus den dort zusammenlaufenden Daten
beispielsweise Kontaktnetzwerke erstellen können – also Graphen darüber,
wer wann mit wem Kontakt hatte. Mit so einer Übersicht lassen sich Menschen
identifizieren. Und auch die Kommunen hatten schon Interesse an den Daten
angemeldet – für die Gesundheitsämter.
Zuletzt hatten nicht nur zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen,
sondern auch Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief vor einem
zentralen Modell gewarnt. „Es ist entscheidend, dass wir aus der aktuellen
Krise heraus kein Werkzeug schaffen, das eine Datensammlung der Bevölkerung
in großem Stil erlaubt – weder jetzt noch später“, hieß es darin. Auch an
dem europäischen Projekt PEPP-PT, das in Deutschland als Grundlage für ein
zentrales System dienen sollte, hatte sich die Kritik gehäuft. Einige
Beteiligte hatten es verlassen, um sich auf die Entwicklung eines
dezentralen Konzepts, DP-3T, zu konzentrieren. Sie kritisierten PEPP-PT
unter anderem als nicht ausreichend transparent. Von DP-3T stehen über die
Entwicklerplattform Github mittlerweile [3][erste Alpha-Versionen zum
Testen] und Melden von Feedback bereit, sowohl für Android als auch für
iOS.
Der Erklärung von Spahn und Braun zufolge war die Einsicht, dass
Nutzer:innen mehr Vertrauen in ein dezentrales Modell haben, Ursache für
den Kurswechsel. Doch es könnte noch eine andere Komponente eine Rolle
gespielt haben: die Funktionsfähigkeit der App auf iPhones. Apples iOS ist
stärker abgeschottet als Googles Android, Apple hätte Änderungen in den
Tiefen des Betriebssystems vornehmen müssen. Einige Anpassungen bei den
Krypto- und Bluetooth-Spezifikationen haben Google und Apple zwar jüngst
bekannt gegeben – doch ob damit ein zentrales Modell möglich würde, ist
unklar.
Zumal Apple und Google gemeinsam bereits an dem Gerüst für eine dezentrale
App basteln. Der französischen Zeitung Les Echos sagte
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, Apple-Chef Tom Cook habe ihm
versichert, dass die Entwicklerschnittstelle diesen Dienstag vorgestellt
werden soll. Wann die von der Bundesregierung initiierte App kommt, steht
noch nicht fest.
## Zweifel der Datenschützer:innen
Nach der Vorstellung des Gesundheitsministeriums soll die App nun
folgendermaßen aussehen: Eine Art Basis-App dient der Nachverfolgung von
infizierten Kontakten, und zwar dezentral. Dazu kommt eine weitere,
ebenfalls freiwillige Funktion. Mit der sollen Nutzer:innen
pseudonymisierte Daten an das Robert-Koch-Institut (RKI) übermitteln.
Datenschützer:innen reagieren auf diese Zusatzfunktion skeptisch.
Einerseits, weil Nutzer:innen unsicher sein könnten, welche Daten denn
nun tatsächlich wo landen. Das würde erneut das Vertrauen schmälern.
Andererseits, weil es bereits eine Datenspende-App des RKI gibt. Mit der
können Nutzer:innen mit einem Fitness-Armband oder einer Smartwatch
Vitaldaten wie Herzfrequenz und Körpertemperatur an das RKI übermitteln.
Das Problem: Zum Start der App wurden diverse Datenschutzprobleme bekannt.
Die Linken-Netzpolitikerin Anke Domscheit-Berg begrüßt zwar grundsätzlich
die Entscheidung für ein dezentrales Modell: „Jeder Tag früher, den eine
sichere und datenschutzfreundliche App zur Verfügung steht, kann
buchstäblich Menschenleben retten.“ Dennoch sieht sie die Zusatzfunktion
zur weiteren Datenübermittlung an das RKI kritisch. Zu oft sei es bei Apps
der Fall, dass nach einem Update die Einstellungen verändert seien – hin zu
schlechterem Datenschutz. Darüber hinaus sei es ein zusätzliches
Einfallstor für Angriffe und die zentrale Sammlung von sensiblen Daten ein
grundsätzliches Risiko.
Auch Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC) begrüßte in der ARD
grundsätzlich den Kurswechsel: „Ich halte das für eine sehr gute
Entscheidung.“ Nun gehe es darum, das Konzept sauber umzusetzen.
Eine der [4][weiteren Anforderungen des CCC]: Der Programmiercode muss Open
Source sein. Dann ließe sich einerseits von kundigen Menschen überprüfen,
ob die App nur das macht, was sie machen soll. Andererseits würde das
ermöglichen, mit geringem Aufwand eine App zu bauen, bei der die
Datenspenden-Funktion gar nicht enthalten ist. Und noch ein Vorteil:
Android-Nutzer:innen könnten die App dann an Googles Play-Store vorbei
installieren – etwa über die Open-Source-Plattform F-Droid. Und damit ein
paar Daten weniger an Google geben.
27 Apr 2020
## LINKS
[1] /Debatte-um-die-Corona-App/!5681031
[2] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2020/…
[3] https://github.com/DP-3T/dp3t-app-android
[4] https://www.ccc.de/de/updates/2020/contact-tracing-requirements
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Tracking
Datenschutz
Apple
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Tracking
## ARTIKEL ZUM THEMA
Google und Apple: Die Macht der Giganten
Die Corona-App zeigt exemplarisch, warum die Dominanz von Google und Apple
dringend gebrochen werden muss.
Verfolgung von Infektionsketten: Noch immer keine Corona-App
Bei der Coronaeindämmung läuft einiges schief: Zu wenig Personal in den
Gesundheitsämtern, zu wenig Tests – und die Handy-App lässt auf sich
warten.
Corona-App in Österreich: Push-Nachrichten gegen Corona
Österreich testet seit Ende März eine Anti-Corona-App, die bislang 400.000
Nutzer hat. Es sei keine Tracking-App, beteuern Verantwortliche.
Corona-Tracking in Deutschland: Nur ein Baustein
Die Corona-App allein ist kein Heilsbringer, viele besitzen kein
Smartphone. Und wie funktioniert die App überhaupt?
Debatte um die Corona-App: Spahn wechselt ins dezentrale Lager
Die Bundesregierung beugt sich im Streit um das Tracing von
Corona-Infizierten den Argumenten der Datenschützer. Epidemiologen sollen
aber noch mitlesen.
Debatte um Corona-App: Das Wer und das Wo
Auf Apps zur Nachverfolgung von Coronakontakten liegen große Hoffnungen.
Bedenken dagegen sind berechtigt. In der Debatte fehlt Offenheit.
Apps gegen Corona-Ausbreitung: Bitte ohne Zwang und ohne Google
Handy-Tracking ist eine gute Idee. Allerdings sollte es den Menschen nicht
ersetzen, nicht alle haben ein Smartphone.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.