| # taz.de -- Das Vereinigte Königreich in Unordnung: Fest drücken! | |
| > Britische Politiker und König Charles III. brauchen dringend | |
| > Antistressbälle. Bei der SNP und Labour gibt es Ärger, auch die Krönung | |
| > sorgt für Unmut. | |
| Bild: Seit dem Tod seiner Mutter war Charles König, am 6. Mai wird er dann auc… | |
| Der April war kein guter Monat für Großbritanniens politische Elite: Nicola | |
| Sturgeon, bis vor Kurzem erste Ministerin Schottlands, hatte die Polizei im | |
| Haus; in London verloren Tories und Labourpartei zwei ihrer bekanntesten | |
| Gesichter, und Staatsoberhaupt Charles III. bekam Krönungsärger. Falls die | |
| Beteiligten noch keine Antistressbälle besitzen, sollten sie sich jetzt | |
| dringend welche besorgen. | |
| Die schlechten Nachrichten fingen in Schottland an: Nicola Sturgeon kämpfte | |
| seit Jahren für die Befreiung ihres Landes vom „britischen Joch“. Ihre | |
| Partei, die SNP, gewann dadurch regelmäßig Wahlen. Im Februar trat Sturgeon | |
| als First Minister Schottlands jedoch überraschend zurück, um „mehr | |
| Privatleben“ zu haben. Keiner, der diese Jeanne d’Arc (und ihren | |
| ambitionierten Ehemann) kannte, konnte das glauben. | |
| Wie sich jetzt herausstellte, waren die [1][Gründe für Sturgeons Abgang | |
| wohl sehr viel komplexer. Die schottische Polizei versucht zurzeit, den | |
| Verbleib von SNP-Spendengeldern aufzudecken]. Sie waren eigentlich für ein | |
| weiteres Unabhängigkeitsreferendum gedacht gewesen, scheinen jedoch andere | |
| Verwendungszwecke gefunden zu haben, unter anderem für ein schickes | |
| Wohnmobil, das bei Sturgeons Schwiegermutter geparkt war. | |
| Anders verlief der plötzliche Rücktritt des konservativen Vizepremiers und | |
| Justizministers Dominik Raab Ende April: Im [2][Sommer 2021, während | |
| Afghanistan im Taliban-Chaos versank, zog Raab es vor, im Urlaub zu | |
| bleiben, anstatt sich darum zu kümmern, Briten und ihre afghanischen | |
| Mitarbeiter aus Kabul zu retten]. | |
| Damals hätte man ihn rauswerfen sollen, aber nichts dergleichen geschah. | |
| Zurückgetreten ist er jetzt, weil er Mitarbeiter mit Tomaten beworfen haben | |
| soll. Die Tomaten waren Teil seines mittäglichen Sandwiches. Raab trank | |
| dazu immer den Energy Drink „Vitamin Volcano“, was ihm den naheliegenden | |
| Kosenamen „Vitaminvulkan“ einbrachte. Der Mann ist sicher alles andere als | |
| ein einfühlsamer Chef, aber die wahren Hintergründe dieser Geschichte | |
| bleiben undurchsichtig. | |
| ## Sandwiches für alle | |
| Die Tomatenvorwürfe könnten auch eine Intrige seiner Spitzenbeamten gewesen | |
| sein, die ihn loswerden wollten. Foreign-Office-Beamte sind dafür bekannt, | |
| ihre Außenminister entweder zu lieben oder zu hassen. Am beliebtesten soll | |
| Ernest Bevin (1881–1951) gewesen sein, der immer Sandwiches für alle | |
| bestellte. | |
| Nicht nur die SNP und die Tories haben sich im April lächerlich gemacht, | |
| auch die Labourpartei hatte ein Problem. Ihr Stressball heißt Diane Abbott. | |
| 1987 wurde Abbott als erste schwarze Abgeordnete ins Parlament gewählt. Die | |
| Cambridge-Absolventin gilt als die langjährige Vertraute des ehemaligen | |
| Labourführers Jeremy Corbyn. | |
| Wegen Corbyns Antisemitismus traten viele britische Juden aus der | |
| Labourpartei aus. Abbott scheint ihre Rückkehr nicht unbedingt befördern zu | |
| wollen: „Juden hätten wie Rothaarige und Iren zwar Vorurteile erfahren“, | |
| argumentierte sie im Observer, „aber keinen Rassismus. Sie wären | |
| schließlich nicht als Sklaven verschifft worden oder hätten im Bus hinten | |
| sitzen müssen.“ | |
| ## Krönung als Spektakel mit hippen Elementen | |
| Abbott entschuldigte sich zwar später für die Aussagen, sitzt ab jetzt aber | |
| nur noch als unabhängige Abgeordnete im Unterhaus. Während die politische | |
| Elite sich also um Wohnmobile, Tomaten und Vorurteile gegenüber Rothaarigen | |
| stritt, ging es für Charles III. um die Party seines Lebens. Die Krönung am | |
| 6. Mai soll 100 Millionen Pfund kosten, die aus Steuergeldern bezahlt | |
| werden. | |
| Charles wird auf 1,8 Milliarden geschätzt und beteiligt sich nicht an den | |
| Kosten. Aber er probt seit Wochen in einer eigens nachgebauten Kulisse im | |
| Buckingham Palace die Zeremonie. Seine Berater (größtenteils aus dem | |
| Foreign Office) haben nur leider keine Ahnung, wie der durchschnittliche | |
| Brite tickt. Sie wollen das Spektakel mit hippen Elementen „relevanter“ | |
| machen. Damit soll die Jugend gewonnen werden, die aber – laut Umfragen – | |
| sowieso kein Interesse mehr an der Monarchie hat. | |
| Die Hardcore-Royalisten wiederum fühlen sich übergangen, und auch Meghan | |
| meldet sich wieder zu Wort. In einem – noch nicht veröffentlichten – Brief | |
| an ihren Schwiegervater Charles soll sie die Person geoutet haben, die über | |
| die Hautfarbe ihres ungeborenen Kindes spekulierte. Die große, bisher | |
| ungelöste Frage lautet ja: Wer war’s? Camilla? Anne? Alle zusammen? | |
| Die Auflösung wird am 6. Mai per Tweet aus Kalifornien erwartet. | |
| 2 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Karina Urbach | |
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