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# taz.de -- „De-Banking“ in Großbritannien: Bankenskandal in Sichtweite
> Vor allem politisch engagierten Menschen wurde kürzlich ihr Bankkonto in
> Großbritannien gekündigt. Die Geldinstitute haben ein schweres
> Imageproblem.
Bild: Alison Rose, CEO der Bankengruppe NatWest, verletzte das Bankgeheimnis un…
Der österreichische Außenminister Czernin klagte im Ersten Weltkrieg, dass
es schwer geworden sei, etwas geheim zu halten. Jedes politische Geheimnis
wäre „Hunderten von Personen bekannt, den Hofräten im Ministerium des
Äußeren, den Chiffrierern, bei den Botschaftern und Gesandten und dem
Personal“.
Manchmal erweist sich eine durchgestochene Nachricht jedoch auch als
geschicktes Täuschungsmanöver. Das passierte jüngst dem
BBC-Wirtschaftsjournalisten Simon Jack. Jack hatte allen Grund, seine
Quelle für zuverlässig zu halten: Ihr Name ist Dame Alison Rose, CEO der
Bankengruppe NatWest, 2023 geadelt, Jahresgehalt fünf Millionen Pfund.
Rose steckte Jack, warum sie einem berühmten Kunden das Konto gekündigt
habe. Der Mann hätte einfach nicht mehr genug Einlagen für sein Privatkonto
bei Coutts gehabt (Coutts gehört zur NatWest Gruppe). Bei dem Kunden
handelte es sich um den Brexiteer Nigel Farage. Er hatte kurz zuvor seine
Kontokündigung als politisch motiviert angeprangert.
Farage ist nicht der beliebteste Mann des Königreichs. Ohne ihn und seine
Ukip-Partei hätte es wahrscheinlich [1][keinen Brexit gegeben.] Die
BBC-Meldung wurde daher begeistert von allen Medien weiterverbreitet. Als
Farage-Kritiker wollte man sie einfach glauben.
## Ein viel größerer Skandal
Es gibt allerdings ein paar Geheimnisse, die man nicht brechen sollte: Das
Wahl-, Beicht-, Arzt- und eben auch das Bankgeheimnis. Alison Rose musste
gehen. Wie sich mittlerweile herausstellte, hatte sie nicht nur das
Bankgeheimnis mit ihrer gezielten Fehlinformation gebrochen. Ein sehr viel
größerer Skandal scheint verschleiert zu werden: NatWest schloss – ohne
Angabe von Gründen – die Konten von über 8.000 Kunden. Andere Banken sollen
sich ähnlich verhalten haben. Lag es am politischen Engagement der Kunden?
Politisch exponierte Personen (PEP) werden von Banken zunehmend als
Belastung gesehen. Der Labour-Abgeordnete Lloyd Russell-Moyle sagte, er
habe aufgrund seiner politischen Einstellung ständig Probleme mit Banken.
Unter anderem habe ihn eine Wohltätigkeitsorganisation gebeten, nicht mehr
für sie in Erscheinung zu treten, weil sie sonst Ärger mit ihrer Bank
bekämen.
Russell-Moyle ist politisch das Gegenteil von Farage. Er hat viele
Anti-Brexit-Proteste organisiert und setzt sich für LGBT-Rechte ein.
Trotzdem unterstützt er jetzt Farages Kampagne gegen „De-banking“. Ebenso
wie die Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller. Auch sie wurde von ihrer Bank
einfach „entsorgt“. Sogar die Sunday-Times-Kolumnistin Camilla Long, die
2015 von Nigel Farage wegen angeblich „unwahrer Äußerungen“ angezeigt
wurde, stellte sich auf seine Seite.
Kontoschließungen erleben in Großbritannien jedoch nicht nur Politiker.
Alexandra Tolstoy organisiert beruflich Pferdereisen. Sie bekam ebenfalls
einen NatWest-Abschiedsbrief von Alison Rose (Zitat: „Wir sind nicht
verpflichtet, Ihnen die Gründe dafür zu nennen“). Tolstoy hat drei Kinder
mit einem russischen Expartner, der keinen Unterhalt zahlt.
Wie alle Menschen ist sie darauf angewiesen, ein Bankkonto zu besitzen,
auch um ihre Kinder zu ernähren. Die Frage stellt sich – lag die Kündigung
des Kontos an Tolstoys „verdächtigem“ Nachnamen oder am russischen
Exfreund, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat? Nach dem Rauswurf von
NatWest weigerten sich sechs weitere Banken, Tolstoy als Kundin anzunehmen.
## Schweres Imageproblem
Dank des Skandals weiß jetzt jeder im Land, dass man bei seiner Bank ein
„data subject access request“ stellen kann (eine Auskunft darüber, welche
Daten über einen gespeichert sind). In den nächsten Wochen werden britische
Banken in einer Flut solcher Anfragen ersticken.
Schon vor dem De-banking-Skandal hatten sie ein schweres Imageproblem:
Britische Geldinstitute wurden in der Bankenkrise 2008 mit Steuergeldern
gerettet. Doch seit 2015 sind 5.000 Filialen geschlossen worden, normale
Kunden haben kaum eine Chance auf persönlichen Kontakt mit einem
Bankberater. Noch schlimmer sind die rasant gestiegenen Hypothekenkosten.
Kunden fürchten mittlerweile ihre Wohnungen zu verlieren. Vielleicht
sollten die Banken dem Rat von Private Eye folgen: „Viel Geld zu machen und
Kunden zu fleddern, ganz egal, wo die politisch stehen.“
1 Aug 2023
## LINKS
[1] /Doku-ueber-Prae-Brexit-England/!5906547
## AUTOREN
Karina Urbach
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Großbritannien
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