# taz.de -- Curling-Spieler über EM-Erfolg: „Bei uns geht es jetzt bergauf“ | |
> Die Curler galten bislang als schlechtester deutscher Wintersportverband. | |
> Nun wurden die Männer EM-Vierter. Skip Marc Muskatewitz erklärt den | |
> Erfolg. | |
Bild: Gut gerutscht: Marc Muskatewitz (hier bei der WM 2016) | |
taz: Herr Muskatewitz, wann ist Ihnen klar geworden: Mensch, wir können bei | |
der EM sogar vorne mitspielen? | |
Marc Muskatewitz: Die Woche lief einfach generell sehr gut für uns. Dafür, | |
dass wir mit einer neu zusammengestellten Mannschaft ins Rennen gegangen | |
sind, haben wir von Beginn an bestens performt und alle Pflichtsiege auch | |
tatsächlich souverän eingefahren. | |
Warum ist es so viel besser gelaufen als gedacht? | |
Als junge und neu zusammengestellte Mannschaft konnten wir ohne großen | |
Druck aufspielen. Wir hatten nichts zu verlieren. Um so mehr stand bei uns | |
der Spaß am Spiel und der Teamzusammenhalt im Vordergrund. Diese Mischung | |
aus Unbekümmertheit und Siegeswille war vielleicht der Vorteil, den wir | |
gegenüber den anderen Teams hatten. | |
Dabei hat sich das deutsche Curling in der Vergangenheit nicht mit Ruhm | |
bekleckert. Bei der EM sind nun nicht nur die DCV-Männer EM-Vierter | |
geworden, sondern die Frauen haben sogar Bronze gewonnen. | |
Früher war es ja Usus, die beste Vereinsmannschaft automatisch auch als | |
Nationalmannschaft zu den internationalen Großereignissen zu schicken. Mit | |
dieser Gepflogenheit hat man diesmal gebrochen und versucht, die jeweils | |
Besten aus verschiedenen Vereinsteams in einer Mannschaft zu vereinen. Ich | |
denke, das war ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. | |
Seit Anfang des Jahres ist Uli Kapp, selbst dreifacher Europameister, | |
Bundestrainer. Welchen Anteil hat er an diesem Erfolg? | |
Uli war bei der Zusammenstellung des Männer-Teams mit dabei. Was das | |
Training an sich anbelangt, war er aber von Anfang an eher für die Frauen | |
zuständig. | |
Wie oft konnte dieses neue Nationalteam vor der EM denn miteinander | |
trainieren? | |
So wie wir letztendlich gespielt haben, haben wir im Vorfeld kein einziges | |
Mal zusammen trainiert. | |
Wie bitte? Wie konnte denn das funktionieren? | |
Es lag einfach an der Qualität der Einzelspieler – und, dass wir Fünf uns | |
von der Mentalität her ziemlich ähnlich sind. Jeder in der Truppe wollte | |
aufs Eis gehen, zusammen Spaß haben und dabei den größtmöglichen Erfolg | |
einfahren, egal wie. Die Stimmung in der Mannschaft war einfach sehr gut. | |
Sie selbst sind eigentlich nur als Ersatz für den etatmäßigen Skip | |
Alexander Baumann, der seine EM-Teilnahme zumindest offiziell aus | |
persönlichen Gründen abgesagt hatte, eingesprungen. Ist Platz vier | |
gleichbedeutend mit einer dauerhaften Wachablösung auf der Skip-Position? | |
Das weiß ich nicht. Ich denke aber, dass die EM-Mannschaft sich mit diesem | |
vierten Platz gegenüber dem Verband schon einen gewissen Respekt und auch | |
Bonus erarbeitet hat. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, das Team | |
Deutschland auch in Zukunft zu führen. Ob Alexander Baumann dann wieder | |
dazu stoßen wird, wird sich in den nächsten Wochen klären. | |
Was bedeutet der EM-Erfolg für die Förderung des Curlings, die schon seit | |
einiger Zeit auf dem Prüfstand steht? | |
Das müssen wir abwarten. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass der Verband | |
gegenüber dem Deutschen Olympischen Sportbund mit den Rängen drei und vier | |
bei der EM bezüglich der Förderung deutlich bessere Argumente in der Hand | |
hat, als das in der Vergangenheit der Fall war. Zuletzt waren die Ziele und | |
Vorgaben ja immer wieder aufs Neue verpasst worden. Jetzt aber kann man | |
sagen: Seht her, bei uns geht es bergauf. Da ist schon was am Wachsen und | |
Werden. | |
Bei der EM waren lediglich Schweden, Norwegen und Schottland besser als Ihr | |
Team. Was fehlt Ihrer Mannschaft noch, um auch diese Nationen schlagen zu | |
können? | |
Na ja, das ist und bleibt fürs Erste schwierig, schon weil diese Teams im | |
Gegensatz zu uns zumindest zum Großteil aus Vollprofis bestehen. Die | |
Schweden spielen beispielsweise schon seit drei Jahren in ihrer | |
EM-Formation zusammen und reisen den ganzen Winter über durch die Welt von | |
Turnier zu Turnier. Diese Möglichkeiten haben wir in Deutschland nicht. Bis | |
auf Alexander Baumann, der bei der Bundeswehr und somit quasi Curlingprofi | |
ist, haben wir alle noch einen Beruf oder studieren. | |
Wäre da eine Veränderung hin zum Profitum denkbar? | |
Vielleicht ändert es sich schon in absehbarer Zeit. Wenn ich mir unser | |
Juniorenteam ansehe, kann ich mir schon vorstellen, dass da der ein oder | |
andere in Zukunft mal sagt: Ich probier’s mal eine Zeit lang als | |
Curling-Profi, zum Beispiel bei der Bundeswehr. Aktuell aber muss man schon | |
so ehrlich sein und zugeben, dass wir einen sehr guten Tag und die einen | |
sehr schlechten Tag erwischen müssen, damit dies geschieht. | |
Wie geht es nun weiter? Was sind die nächsten Ziele? | |
Erstes Ziel ist es, für die WM ein neues Team zusammenzustellen. Sixten | |
Totzek, der noch Junior ist und bei der EM auf der Drei gespielt hat, wird | |
bei der WM fehlen, weil er derzeit sein Abi macht. Deshalb müssen wir in | |
den nächsten zwei Wochen das Team umbauen und möglichst viel trainieren und | |
Turniere spielen. Ich hoffe, dass wir das bis April hinkriegen. | |
2 Dec 2018 | |
## AUTOREN | |
Frank Ketterer | |
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