# taz.de -- Corona-Regeln für Tourismus in Spanien: Kontrolle am Strand | |
> Plexiglas-Trennwände, keine Frühstücksbuffets und Reinigungsvorschriften: | |
> Urlaub in Spanien wird vorerst nur unter strengen Vorschriften möglich | |
> sein. | |
Bild: Einsam: Palmanova, Mallorca, 2020... | |
Der Sommerurlaub ist noch nicht völlig verloren, auch nicht die | |
Möglichkeit, dass internationale Touristen kommen“, erklärt die | |
Staatssekretärin für Tourismus im spanischen Industrie-, Handels- und | |
Tourismusministerium. Ihre Abteilung arbeitet unter Hochdruck. „Wir führen | |
sehr strikte Hygienemaßnahmen ein, um die Zahl der Infektionsherde zu | |
verringern“, fügt Isabel Oliver Sagreras hinzu. In den letzten Wochen hat | |
sie zusammen mit den Hotel- und Gaststättenverbänden sowie den | |
Gewerkschaften 21 Protokolle ausgearbeitet, die für die Sicherheit der | |
Kunden und Beschäftigten in allen Teilbereichen der Tourismusbranche sorgen | |
sollen. | |
Wenn alles gut geht, werden die Spanier nach einer langsamen Öffnung Ende | |
Juni in der „neuen Normalität“ ankommen. Dann werden sie sich wieder frei | |
im Land bewegen können. Und für ausländische Besucher fällt die Quarantäne | |
weg, die sie einhalten müssen, seit vor einer Woche die Grenzen wieder | |
stückweise geöffnet wurden. „Doch solange es keine Impfung oder eine | |
wirksame Behandlungsmethode für Covid-19 gibt, wird Reisen ganz anders | |
aussehen, als wir es gewohnt sind. Weniger Sozialkontakte, weniger | |
Menschenansammlungen, verstärkte Hygiene und Schutzmaßnahmen und mehr | |
Aktivitäten im Freien“, ist sich nicht nur Sagreras sicher. | |
Die 21 Protokolle sind das wichtigste Element um Urlaub, Strand und Sonne | |
wieder möglich zu machen. Es geht um Reinigungsvorschriften, um Abstand und | |
um Arbeitssicherheit. Aus den Zimmern in den 14.600 Hotels und 17.000 | |
ländlichen Unterkünften des Landes werden alle unnötigen | |
Dekorationsgegenstände verschwinden. Frühstücksbüfetts werden gegen | |
individuelle Portionen ausgetauscht, in den Restaurants werden die Tische | |
weiter auseinander stehen als bisher. Manche Kneipen stellen | |
Plexiglastrennwände zwischen den Tischen auf. Es herrscht Maskenpflicht in | |
geschlossenen Räumen. Auf den 800 Campingplätzen des Landes werden | |
gemeinsame Zonen teilweise geschlossen. Und an den Stränden wird die | |
Belegung kontrolliert. | |
## Sicherheitskommitees vor Ort | |
Einige Badeorte entwickeln Onlinesysteme, in denen jeder zeitlich begrenzt | |
sein Stückchen Sand reservieren kann. Golf darf nur noch maximal zu viert | |
gespielt werden. Veranstalter von organisierten Wanderungen und dem Besuch | |
von Kulturstätten müssen sich mit der Konkurrenz über die Zeiten | |
verständigen, um Massenansammlungen zu vermeiden. | |
Für Spanien ist es wichtig, Seriosität im Umgang mit der Covid-Gefahr zu | |
beweisen. Denn der Tourismus erwirtschaftet 12,3 Prozent des spanischen | |
Bruttoinlandsprodukts (BIP) und stellt knapp 13 Prozent der Arbeitsplätze. | |
In normalen Jahren empfängt Spanien mit deutlich über 80 Millionen Gästen | |
knapp doppelt so viele Besucher, wie das Land Einwohner hat. | |
„Die Protokolle werden mindestens ein halbes Jahr lang nötig sein“, ist | |
sich Chema Martínez, Generalsekretär der Dienstleistungsgewerkschaft im | |
Gewerkschaftsbund CCOO, sicher. Er saß mit am Tisch, als die Vorschriften | |
ausgearbeitet wurden. „Wir haben erreicht, dass in den Sicherheitskomitees, | |
die in jedem Betrieb gegründet werden müssen, Arbeitnehmer sitzen, auch | |
dort, wo es keinen Betriebsrat und keine gewerkschaftlichen Vertreter | |
gibt“, sagt er. Es sind diese Sicherheitskomitees, die die Umsetzung der | |
Protokolle vor Ort und damit den neuen Arbeitsalltag mit all seinen | |
Herausforderungen überwachen. | |
„Die Sommersaison wird sicher schwierig. Wahrscheinlich kann der heimische | |
Tourismus einiges retten, aber die große Frage ist, wie sich die | |
internationale Mobilität entwickelt“, sagt Martínez. Es stelle sich die | |
Frage nach der Kontrolle an den Grenzen. Ob ab Juli bei der Einreise | |
Gesundheitskontrollen wie etwa Fiebermessung oder Covid-19-Schnelltests | |
verlangt werden, steht nicht fest. | |
Besonders kritisch zeigt sich Martínez gegenüber der Idee der „sicheren | |
Korridore“ auf die Balearen und vor allem auf die Kanaren, die immer wieder | |
von den Ländern an Spanien herangetragen wird, die am meisten Urlauber | |
gegen Süden entsenden. Auf den Inseln gab es bisher nur wenige | |
Covid-19-Fälle.„Genau das ist das Problem. Die Bevölkerung ist vergleichbar | |
mit den Einheimischen, als Kolumbus kam. Nur 1,5 Prozent sind immun gegen | |
das Virus, das die Touristen mitbringen könnten“, mahnt der Gewerkschafter. | |
Aber auch Martínez weiß, dass die baldige Öffnung notwendig ist. Denn knapp | |
eine Million Arbeiter und Angestellte im Tourismus befinden sich derzeit in | |
Kurzarbeit. „Das sind 30 Prozent aller von Kurzarbeit Betroffenen in | |
Spanien“, rechnet Martínez vor. Und es hätte schlimmer kommen können. Denn | |
die Kurzarbeit ist die Folge eines Entlassungsverbots, das die Regierung | |
für die Zeit des Alarmzustands in der Pandemie angeordnet hat. | |
Vor allem die Großen in der Branche jammern auf hohem Niveau. Der Tourismus | |
hat sehr gute Jahre hinter sich. Die Zahl der Gäste stieg ständig und damit | |
stiegen auch die Einnahmen. „Außerdem nahm die Produktivität | |
überproportional zu. Das hat vor allem zwei Gründe: Mehr Teilzeitverträge | |
und die Auslagerung ganzer Bereiche“, beklagt sich Martínez. | |
Dennoch wurden riesige Hilfsprogramme für die Unternehmen eingerichtet. 200 | |
Milliarden Euro sind es insgesamt. „Es ist wichtig, dass die | |
Erleichterungen bei Steuern- und Sozialversicherungszahlungen daran | |
gebunden werden, dass es keine Entlassungen gibt, keine Dividenden | |
ausgezahlt werden und dass die Unternehmen ihren Sitz in Spanien und nicht | |
in einem Steuerparadies haben“, fordert Martínez – bisher vergebens. | |
Angela Muñoz gehört zu denen, die von der Auslagerung betroffen sind. Sie | |
ist die Sprecherin der Kellys. „Kellys“, ein Kürzel für „las que limpia… | |
„die, die putzen“, steht für die Bewegung der Zimmermädchen, die nicht vom | |
Hotel direkt angestellt sind, sondern bei Subunternehmern arbeiten. „Wir | |
reinigen bis zu 24 Zimmer pro Tag“, erklärt Muñoz. Pro Zimmer werden | |
zwischen 2 und 3 Euro bezahlt. „Die Arbeitsbelastung steigt um mindestens | |
20 Prozent“ rechnet Muñoz vor. Sie fürchtet, dass die Beschäftigten in den | |
„ausgelagerten Dienstleistungen“ wieder einmal übersehen werden. | |
Offiziell gehören sie nicht zur Belegschaft und nehmen somit auch nicht an | |
den Betriebsratswahlen oder an den jetzt einzurichtenden | |
Sicherheitskomitees teil. „Viele von uns haben nur Saisonverträge“, sagt | |
Muñoz. Da die Covid-Krise ausbrach, bevor die diesjährigen Einstellungen | |
fällig waren, beziehen viele „Kellys“ nicht einmal Kurzarbeitergeld. | |
31 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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