# taz.de -- Binnenhandel in Afrika: Die Zäune fallen | |
> Die Krise trifft die Exporteure Afrikas. Deshalb besinnt sich der | |
> Kontinent auf den Binnenhandel. An Kongos verrufenen Grenzen soll der | |
> Aufschwung beginnen. | |
Bild: Ob zu Fuß oder per LKW, der erleichterte Handel verbessert auch die Bezi… | |
GOMA taz | Schwere Lastwagen mit Kennzeichen aus Uganda und Tansania stauen | |
sich, die Grenzer im kongolesischen Goma haben viel zu tun. Wo einst durch | |
struppige Bäume der Kivu-See zu sehen war, prangt eine neue | |
Abfertigungshalle aus grauem Beton für den Zoll. | |
Auch auf der ruandischen Seite, in Gomas kleiner Zwillingsstadt Gisenyi, | |
wird der Warenverkehr jetzt in einer großen Halle kontrolliert, und die | |
österreichische Baufirma Strabag ist dabei, die Hauptstraße bis an die | |
Grenze auszubauen. | |
Bessere Zusammenarbeit, das haben die Demokratische Republik Kongo und | |
Ruanda erkannt, hilft, die Weltwirtschaftskrise zu meistern. In Kongo | |
platzen die Träume vom exportorientierten Bergbauboom, in Ruanda geht die | |
Sorge um sinkende Budgethilfen und Tourismuseinnahmen um. | |
Nun kooperieren die beiden einst verfeindeten Länder militärisch gegen | |
Rebellen, die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen steht kurz bevor, | |
und die Grenzen werden modernisiert. | |
Der deutlichste Erfolg: Der konfliktfördernde Schmuggel von Mineralien aus | |
Kongos Kriegsgebieten geht drastisch zurück. Letztes Jahr stieg der | |
registrierte Export von Zinn, Ostkongos Hauptausfuhrgut, auf 13.311 Tonnen | |
- über viermal so viel wie zwei Jahre davor. | |
Ein Grund war eine von den Händlern durchgesetzte deutliche Senkung der | |
kongolesischen Mineralienexportsteuern auf ein Fünftel des bisherigen | |
Niveaus - eine klassische wirtschaftsliberale Maßnahme. | |
Das Problem: Die beiden Länder koordinieren ihre Anstrengungen nicht | |
richtig. Der Grenzposten "Petite Barriére" zwischen Gisenyi und Goma, den | |
Ruanda ausgebaut hat, liegt zwei Kilometer nördlich der "Grande Barrière" , | |
in den Kongos Behörden investieren. | |
Die "Petite Barrière" verbindet die Märkte der beiden Städte, hier soll der | |
lokale Kleinhandel angekurbelt werden. An der "Grande Barrière" rollt der | |
Großhandel am Seeufer entlang: Lastwagen mit kongolesischen Mineralien in | |
die eine Richtung, ostafrikanische Tanklaster mit Benzin aus Übersee in die | |
andere. Der Wille ist auf beiden Seiten da - an der Umsetzung hapert es. | |
200 Kilometer weiter nördlich kehren sich zwei Länder komplett den Rücken | |
zu. In Ugandas westlicher Grenzstadt Mpondwe am Rand der schneebedeckten | |
Rwenzori-Berge endet eine breite Teerstraße. Tempo 50 gilt für die | |
Lastwagen mit chinesischen Schriftzeichen, die sich mit riesigen Stapeln | |
asiatischer Konsumgüter durch die Marktstände schlängeln. Dann kommt der | |
ugandische Grenzposten, dahinter fließt ein Bach, über den eine schmale | |
Brücke führt. | |
Auf der anderen Seite schrumpft die Teerstraße zu einem holprigen Feldweg | |
in hohem Gras mit einer gefährlichen Schieflage. Ein Verkehrsschild hebt | |
Tempo 50 ersatzlos auf, so, als ob man hier wirklich mehr als Schritt | |
fahren könnte. Hier endet die ugandische Ordnung, hier beginnt Kongo. | |
Der Zollchef auf der kongolesischen Seite am Grenzposten Kasindi hat seinen | |
ugandischen Amtskollegen in Mpondwe noch nie getroffen. In Mpondwe haben | |
die Zöllner Computer und feste Regeln, in Kasindi wird alles per Hand in | |
Kladden eingetragen, und erst vor einem Jahr wurden überhaupt Kongos | |
geltende Zollgesetze hier eingeführt. | |
Wenn es in Kasindi 17 Uhr ist, ist es jenseits der Grenze in Uganda eine | |
Stunde später. Im Kongo wird Französisch benutzt, in Uganda Englisch. Alles | |
scheint inkompatibel. "Die Händler müssen ihre Waren drüben ausladen und | |
deklarieren, und wenn wir ihnen sagen, dass sie auch hier zum Zoll müssen, | |
beschweren sie sich", seufzt Kasindis Zollchef Djuma Shauri. Sein | |
ugandischer Amtskollege in Mpondwe wiederum klagt: "Die Waren aus dem Kongo | |
haben keine Herkunftszertifikate, und die Händler sagen immer: Das sind nur | |
Transitgüter, das geht euch nichts an." | |
Aber der Grenzhandel ist lukrativ. Direkt neben dem Büro des Uganders | |
stapeln sich kongolesische Edelhölzer, deren Dimensionen allen ugandischen | |
Waldschutzregeln widersprechen. Kasindi ist der zweitgrößte | |
Außenhandelsumschlagplatz ganz Kongos: Viel mehr noch als in Goma landen | |
hier tonnenweise Konsumgüter aus Asien, die über Dubai und Kenia in den | |
Kongo gelangen. | |
Afrikas Regierungen wissen, dass ihre Grenzen untereinander das größte | |
Hindernis für ihre Volkswirtschaften sind. Die innerafrikanischen Zölle | |
sind die teuersten der Welt, die Abfertigungszeiten die längsten, die | |
Transportkosten die höchsten. Wenn ein Kongolese Waren aus China einführt, | |
ist der Seetransport aus Asien nach Ostafrika billiger als der verbleibende | |
relativ kurze Landweg aus Kenia nach Kongo. Umgekehrt sind für einen | |
Ostafrikaner Geschäfte mit China einfacher als mit den direkten | |
Nachbarländern. Weniger als zehn Prozent des afrikanischen Außenhandels | |
finden innerhalb des Kontinents statt. | |
Die Weltwirtschaftskrise könnte daran etwas ändern. Weil Exportmärkte | |
einbrechen und die Rohstoffpreise auf breiter Front sinken, sind | |
exportorientierte Länder am schwersten getroffen, während Importeure es | |
vergleichsweise gut haben. Afrikas größtes Ölförderland Angola, noch vor | |
kurzem Weltmeister beim Wirtschaftswachstum, erwartet dieses Jahr eine | |
Schrumpfung von über sieben Prozent. Der Kupferexporteur Sambia hat seinen | |
diesjährigen Staatshaushalt um über ein Viertel gegenüber 2008 reduziert. | |
Ostafrika hingegen, Afrikas Tor nach Asien, steht vergleichsweise gut da, | |
mit einer Wachstumsprognose von 5,5 Prozent dieses Jahr. | |
Ein Grund dafür ist Ostafrikas zunehmende Orientierung auf den regionalen | |
Binnenhandel. "Kenia hat die regionale Wirtschaft genutzt, um von seinen | |
Handelsbeziehungen zu profitieren", sagt Louis Kasikende, der Chefökonom | |
der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). Ähnlich wie Kenia im Osten geht | |
es Senegal an der Westspitze Afrikas: "Bis Mitte 2008 hat Senegal massiv | |
unter den deutlich steigenden Preisen für Öl und Nahrungsmittel gelitten", | |
sagt Roger Peltzer, deutscher Afrika-Wirtschaftsexperte. "Mit den Folgen | |
der Weltwirtschaftskrise hat sich die Lage entspannt, die Leute haben | |
wieder deutlich mehr Kaufkraft, der Konsum zieht an und vermutlich auch das | |
Wachstum." | |
Regionale Kooperation ist das Gebot der Stunde. Im Oktober 2008 | |
vereinbarten drei der wichtigsten Wirtschaftsblöcke Afrikas - die | |
Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), die Ostafrikanische | |
Gemeinschaft (EAC) und der Gemeinsame Markt des östlichen und südlichen | |
Afrika (COMESA) - auf eine gemeinsame Freihandelszone hinzuarbeiten. Sie | |
würde von Südafrika bis Libyen reichen, zwei Drittel des Kontinents. | |
Quer durch die EAC-Region aus Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda und Burundi | |
werden bereits grenzüberschreitende Straßen ausgebaut, neue Eisenbahnlinien | |
und Stromnetze konzipiert, Finanz- und Steuersysteme harmonisiert. | |
Ostafrikas Staatschefs predigen unermüdlich, man müsse sich von der | |
Abhängigkeit von ausländischem Kapital lösen. "Wir treten in eine Zeit | |
ernster ökonomischer Unsicherheit ein", sagte Ugandas Präsident Yoweri | |
Museveni am 6. April auf einem Gipfeltreffen in Sambia. "Unsere Antwort | |
darauf ist die Vertiefung unserer kollektiven Unabhängigkeit." | |
Wer sieht, welche Millionen in Nairobi, Kampala, Kigali oder sogar im | |
kongolesischen Goma in protzige Immobilien fließen, weiß, wie viel privates | |
Kapital in der Region vorhanden wäre, um die Infrastruktur aus eigener | |
Kraft zu modernisieren. Viel Geld stammt aus Profiten aus dem informellen | |
Großhandel, der von Kongo bis Somalia die Wirtschaft der Region dominiert. | |
"Das sind Leute, die immer ohne jegliche Papiere gearbeitet haben", erklärt | |
Patient Ssemuswa, Chef der Exportkontrollbehörde OCC in Goma. "Sie fahren | |
mit 10.000 Dollar Bargeld in der Tasche aus Kongo nach Uganda, kaufen ein, | |
kommen zurück und wollen einfach am Zollposten zahlen." Dass sie dafür | |
jetzt Frachtpapiere und Nachweise der Kontrolle vor der Beladung brauchen, | |
störe sie. "Die Zöllner sagen: Wir würden euch gerne abfertigen wie früher, | |
aber wir dürfen nicht mehr." | |
Die Antwort der Regierungen lautet: Steuern senken, Zölle abschaffen, | |
Bürokratie vereinfachen. Die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC ist bereits | |
eine Zollunion. Die Staatengemeinschaft COMESA entwirft an Kongos Grenzen | |
ein Programm, wonach Händler und Offizielle von beiden Seiten der Grenzen | |
eine gemeinsame Liste von Alltagsprodukten aufstellen, deren Handel für | |
Mengen unter 500 US-Dollar zollfrei sein soll. Das entlastet die | |
Marktfrauen und Kleinhändler, die die lokale Wirtschaft am Leben halten. | |
Ruandas und Sambias Regierungen haben diese Produktlisten bereits | |
akzeptiert - wenn Kongo mitzieht, kann der legale zollfreie Kleinhandel | |
aufblühen. | |
Kongos nächster Unabhängigkeitstag, der 30. Juni, soll die Verwandlung von | |
Gomas Grenzposten von verrufenen Schmuggelwinkeln in Vorreiter des | |
Aufschwungs amtlich machen. Präsident Joseph Kabila persönlich kommt nach | |
Goma zum Fest; es gibt eine grenzüberschreitende kongolesisch-ruandische | |
Agrarhandelsmesse. Noch vergangenes Jahr stieß eine erste solche | |
Veranstaltung auf Befremden. Heute ist sie offizielle Politik. | |
13 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Ostafrika | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Unfallgefahren in Afrika: Die tödlichste Straße der Welt | |
In Uganda sterben mehr Menschen im Straßenverkehr als an Malaria und Aids. | |
Unterwegs mit einer Polizistin zwischen Kampala und Masaka. | |
Wirtschaftsboom in Ostafrika: Mombasa, ein Nadelöhr | |
Der asiatische Import in die am schnellsten wachsende Region Afrikas boomt. | |
Der zu kleine Hafen Mombasa in Kenia ist für Händler frustrierend. | |
Methan-Förderung in Kongo und Ruanda: Explosiv wie Champagner | |
Strom für viele, aber Lebensgefahr für Anwohner: Aus dem Kivu-See im Herzen | |
Afrikas wird Methan gefördert - noch testweise, bald industriell. | |
Wissenschaftler warnen vor einem Inferno. |