# taz.de -- Beziehungen Israel und Sudan: Ringen um das Ja von Khartum | |
> Ist der Sudan das nächste Land, das seine Beziehungen zu Israel | |
> normalisiert? Ein Abkommen könnte noch vor der US-Wahl bekanntgegeben | |
> werden. | |
Bild: Sudans Übergangs-Ministerpräsident Abdalla Hamdok | |
BERLIN taz | Ein eigentlich geheimer Direktflug zwischen Tel Aviv und | |
Khartum befeuert die Diskussion, ob der Sudan noch vor der US-Wahl seine | |
Beziehungen zu Israel normalisiert. Die Flugtracker-Website Flightradar24 | |
hatte am Mittwoch [1][gezeigt], dass ein Privatflugzeug aus Israel in die | |
sudanesische Hauptstadt geflogen war. Nun haben verschiedene Quellen in | |
Israel und im Sudan gegenüber lokalen Medien bestätigt: Eine US-israelisch | |
Delegation hatte am Mittwoch Khartum besucht, um über ein | |
Normalisierungs-Abkommen zu verhandeln. | |
Israels Minister für regionale Zusammenarbeit, Ofir Akunis, sagte, die | |
US-Regierung werde ein weiteres Normalisierungs-Abkommen zwischen Israel | |
und einem arabischen oder muslimischen Staat noch vor der Wahl am 3. | |
November bekanntgeben. Anfang der Woche hatte bereits US-Präsident Donald | |
Trump zugesagt, den Sudan von der Liste jener Staaten zu streichen, die | |
Terror unterstützen. Das gilt als Teil eines möglichen von der | |
Trump-Regierung vermittelten Deals zwischen Sudan und Israel. | |
Die [2][Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain hatten die Aufnahme von | |
diplomatischen Beziehungen mit Israel im September vereinbart]. Der Sudan | |
wäre der dritte und der erste bevölkerungsreiche arabische Staat, der nach | |
Vermittlung durch die Trump-Administration seine Beziehungen zu Israel | |
normalisiert. | |
Auch wäre ein Abkommen zwischen den beiden Staaten – im Gegensatz zu denen | |
zwischen den beiden Golfstaaten und Israel – ein wirkliches | |
Friedensabkommen. Denn anders als die Emirate und Bahrain hat der Sudan | |
Israel in der Vergangenheit offiziell den Krieg erklärt. | |
## Sudans Führung streitet über Beziehungen zu Israel | |
Der Sudan befindet sich derzeit in einer Umbruchphase. Monatelange | |
Massenproteste führten im April 2019 dazu, [3][dass Sudans Armee den seit | |
1989 herrschenden Omar al-Baschir absetzte]. Seit August 2019 steht nun der | |
elf-köpfige sogenannte Souveräne Rat an der Spitze des Landes. Er besteht | |
teils aus Militärs, teils aus Vertretern der zivilen Protestbewegung. | |
Gemeinsam mit einer Übergangsregierung soll er das Land führen, bevor die | |
Sudanes*innen 2022 in Wahlen über den künftigen Kurs des Landes abstimmen. | |
Der Umbruch macht auch vor Sudans Beziehungen zur Außenwelt nicht halt. | |
Innerhalb der neuen Führung scheint Konsens über das Ziel zu herrschen, das | |
Land aus der internationalen Isolation zu führen. Lange galt Sudan als | |
Pariastaat. 1993 hatte das US-Außenministerium Sudan auf die Terrorliste | |
[4][gesetzt], von der es nun gestrichen werden soll. Dies blockierte | |
ausländische Investitionen sowie Hilfen etwa des Internationalen | |
Währungsfonds oder der Weltbank. | |
Eine Annäherung an Israel war in den vergangenen Monaten jedoch innerhalb | |
der Regierung umstritten. So zeigten sich die militärischen Vertreter – | |
allen voran der Chef des Übergangsrats Abdel Fattah al-Burhan – offen für | |
eine Normalisierung. Im Februar traf sich Burhan in Uganda heimlich mit | |
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Im August folgte der zweite | |
mächtige Militär in dem Gremium, General Mohamed Hamdan Dagalo, und | |
[5][traf] Mossad-Chef Yossi Cohen in den Emiraten. | |
Sudans Übergangs-Ministerpräsident aber, der Zivilist Abdalla Hamdok, ist | |
vorsichtiger – und steht einer Annäherung an Israel kritischer gegenüber. | |
Als US-Außenminister Mike Pompeo im August das Land besuchte und für eine | |
Annäherung an Israel warb, erklärte er, seine Regierung habe kein Mandat | |
für einen solchen Schritt. | |
Am Donnerstag [6][berichtete] die Nachrichtenagentur Reuters allerdings, | |
Hamdok habe sich prinzipiell zu einer Normalisierung der Beziehungen mit | |
Israel bereit erklärt, allerdings unter der Voraussetzung, dass ein erst | |
noch zu bildendes Übergangsparlament dem Schritt zustimme. | |
Die Oppositionsbewegung Forces for Freedom and Change (FFC), die Hamdok für | |
das Amt des Ministerpräsidenten nominierte, sowie die einflussreiche | |
Sudanese Professionals Association (SPA), die die Massenproteste gegen | |
Baschir mit organisiert hatte, stehen einer möglichen Normalisierung der | |
Beziehungen zu Israel kritisch gegenüber. Beide hatten etwa das Treffen | |
zwischen Burhan und Netanjahu im Februar [7][scharf kritisiert]. | |
## Annäherung mit Symbolkraft | |
Eine offizielle Annäherung zwischen Sudan und Israel hätte aus zwei Gründen | |
Symbolkraft. Zum einen sind da die „drei Neins“: Nach dem Sechstagekrieg | |
zwischen mehreren arabischen Staaten und Israel bekannten sich 1967 acht | |
arabische Staaten auf einem Gipfel in Khartum zu den drei Grundsätzen: Nein | |
zu einem Frieden mit Israel, Nein zu einer Anerkennung des jüdischen | |
Staates und Nein zu Verhandlungen. | |
Von dieser Khartum-Resolution rückten die Staaten der Arabischen Liga | |
allerdings bereits spätestens 2002 mit der [8][Arabischen | |
Friedensinitiative] ab, die eine Normalisierung in Aussicht stellte im | |
Gegenzug zur Gründung eines palästinensischen Staates mit der Hauptstadt | |
Ost-Jerusalem. | |
Der zweite Grund ist, dass mit dem Sudan [9][nach den Emiraten und Bahrain] | |
nun auch ein größeres arabisches Land mit republikanischer Staatsform seine | |
Anti-Israel-Politik aufgeben würde. Sowohl die Emirate als auch Bahrain | |
sind kleine, äußerst autoritär geführte Golfmonarchien, deren Führungen | |
weniger Widerstand in der Bevölkerung zu befürchten haben als Länder wie | |
der Sudan mit seinen über 40 Millionen Einwohner*innen. | |
Vor diesem Hintergrund [10][warnt] der US-amerikanische Thinktank Brookings | |
Institute in einer Studie vor einer übereilten Normalisierung, die ein | |
sudanesisch-israelisches Abkommen noch vor der US-Wahl im November | |
darstellen könnte. Der Schritt könnte die Bevölkerung polarisieren und den | |
Übergangsprozess gefährden. „Washingtons erste Priorität sollte ein | |
erfolgreicher Übergang im Sudan und die Schaffung einer vereinten Regierung | |
sein, die in der Bevölkerung Legitimität genießt und in der Lage ist, die | |
historische Entscheidung zu treffen, die ein israelisch-sudanesisches | |
Friedensabkommen wäre.“ | |
23 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/avischarf/status/1318968233899208705?s=20 | |
[2] /Golfstaaten-und-Israel/!5714540 | |
[3] /Omar-al-Bashir-von-Armee-abgesetzt/!5587327 | |
[4] https://www.state.gov/reports/country-reports-on-terrorism-2019/sudan/ | |
[5] https://www.jpost.com/breaking-news/mossad-chief-yossi-cohen-met-with-sudan… | |
[6] https://www.reuters.com/article/sudan-israel-exclusive-int/exclusive-sudan-… | |
[7] https://www.aljazeera.com/news/2020/02/05/netanyahu-burhan-meeting-slammed-… | |
[8] /Friedensprozess-in-Nahost/!5683064 | |
[9] /Golfstaaten-und-Israel/!5714540 | |
[10] https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2020/09/24/normalizing-sud… | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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