# taz.de -- Beate Uhses Biografie: Die gewiefte Unzüchtige | |
> „Ehehygiene“-Unternehmerin und Vorkämpferin für sexuelle | |
> Selbstbestimmung. Beate Uhse ist ein Stück bundesdeutsche Geschichte. | |
> Eine Biografie. | |
Bild: Die 2001 verstorbene Beate Uhse vor ihrem Haus in Flensburg (undatiertes … | |
Die Beate-Uhse-Story, das ist wechselvolle deutsche Geschichte, Einblick in | |
die gesellschaftlichen Veränderungen der Bundesrepublik und die Erzählung | |
von einer spannenden, selbstbewussten Frau. Googelt man heute Beate Uhse, | |
so landet man auf der Website eines schlichten Internetanbieters für | |
Sexspielzeug und Reizwäsche. „Schön, dass Du Dich für den Beate Uhse Shop | |
entschieden hast. Hier bist Du absolut richtig, wenn Du nach Accessoires | |
für Deinen sexy Lifestyle suchst.“ | |
Dabei war [1][Beate Uhse], deren Namen der austauschbare Onlinevertrieb | |
heute trägt, eine der größten deutschen Unternehmerinnen der | |
Nachkriegszeit. Eine Pionierin, Kämpferin, Pragmatikerin. Naturistin und | |
Sportkanone. Und eine Frau, die sich „lieber mit Männern umgab“. | |
So zumindest beschreibt sie Katrin Rönicke in ihrer sehr lesenswerten | |
Biografie „Beate Uhse – ein Leben gegen Tabus“. Die Journalistin und | |
Bloggerin Rönicke bezieht sich vor allem auf Gespräche mit Zeitzeugen, auf | |
die Autobiografie der Beate Uhse und auf das Buch von Elizabeth Heineman, | |
„Before Porn Was Legal“, eine Auseinandersetzung mit dem Sexgeschäft in der | |
verklemmten Bundesrepublik. | |
Die 1919 geborene und in Ostpreußen aufgewachsene Beate wurde „offen und | |
liberal“ erzogen. Sie besuchte reformpädagogische Schulen. Sowohl der Vater | |
als auch die Mutter – die schon damals als Ärztin arbeitete – „hatten | |
Großes mit ihr vor“. An der Fliegerschule in Berlin-Rangsdorf wurde Beate | |
zur Pilotin ausgebildet, ihr drängender Berufswunsch. | |
## Soldatische Disziplin | |
Später flog sie im Zweiten Weltkrieg Kampfflugzeuge, Aufklärer, Jagdbomber. | |
In ihrer Autobiografie aus dem Jahr 1989 vermerkt sie dazu: „Der totale | |
Krieg verwandelte auch mich in einen Soldaten.“ Soldatische Disziplin ist | |
ein Schlüsselwort ihres Erfolgs. Sie hat sie ihr ganzes Leben bewahrt. Mit | |
75 Jahren machte sie etwa noch ihren Tauchschein. | |
1951 gründet Beate Uhse das erste deutsche Versandhaus für Sexartikel. Die | |
damals alleinerziehende Mutter versuchte schon seit Ende der 1940er Jahre, | |
im Erotikversandgeschäft ihr Leben zu fristen. Ein waghalsiges Unterfangen | |
im sehr prüden Nachkriegsdeutschland. Aber Beate, geborene Köstlin, | |
verwitwete Uhse setzte sich mit ihrem Gespür für die Bedürfnisse der Zeit | |
und ihrem Geschäftssinn durch. | |
Auf der Suche nach Möglichkeiten, nach dem Krieg Geld zu verdienen, klärte | |
sie zunächst Frauen über Verhütungsmethoden auf. Ihr Credo: „den | |
Sexualtrieb von der Zeugung scharf zu trennen“. Sie sprach sich für ein | |
Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus. Ihre Aufklärungskampagne in der | |
„Schrift X“ bewarb sie mit 10.000 Postwurfsendungen, Bestellschein | |
inklusive. | |
Die Verhütungsmethode Knaus Ogino wurde so in deutschen Haushalten | |
entdeckt, und Beate Uhse hatte eine Marktlücke besetzt. Zu jeder Bestellung | |
packte sie Kondome, manchmal einen Brief. Der Briefkontakt war wichtig, es | |
war aktive Kundenpflege. Später beriet die Unternehmerin ihre Kundinnen | |
persönlich per Post, etwa auf die Frage, wie sie mit fremdgehenden | |
Ehemännern umgehen können. Zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung der | |
„Schrift X“ hatte Beate Uhse 200.000 Kunden. | |
## Der erste Sexshop der Welt | |
Am 17. Dezember 1962 eröffnete Beate Uhse, inzwischen verheiratete | |
Rotermund, den ersten Sexshop der Welt – mitten in Flensburg. Uhse lebte | |
dort ein bürgerliches Leben mit Ehemann und Kindern. Der nüchterne Name | |
„Fachgeschäft für Ehehygiene“ sollte die Themen Sex und Erotik salonfähig | |
machen. | |
Die Sittengesetze der Adenauer-Regierung und der Hüter der öffentlichen | |
Sittlichkeit, der katholische Volkswartbund, warfen ihr immer wieder | |
„Unzucht“ vor. In zahlreichen Verfahren wegen Verstoß gegen das sittliche | |
Empfinden und die Einstellung der Gesellschaft zur Sexualität stand Uhse | |
vor Gericht. Beate ließ sich nicht beirren. Zum Ende ihres Lebens gab es in | |
beinahe jeder deutschen Groß- und Kleinstadt Filialen ihrer Geschäftskette. | |
Sie war Tabubrecherin, Aufklärerin, und vor allem eine gewiefte | |
Unternehmerin. Sie stand an vorderster Front im Ringen um eine neue Haltung | |
der Gesellschaft zur Sexualität und schließlich ganz vorn bei der | |
Vermarktung der Erotik und des weiblichen Körpers in der Pornoindustrie. | |
Sie starb 2001 mit 81 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. | |
15 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Beate_Uhse | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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