# taz.de -- Ausländische Arbeiter in der DDR: Zwischen Solidarität und Anfein… | |
> Ausländische Arbeiter waren in der DDR Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt, | |
> erlebten aber auch Solidarität. | |
Bild: Um ihren Lohn gebracht: Ehemalige DDR-Vertragsarbeiter demonstrieren 2013… | |
BERLIN taz Roberto Rivera fühlte sich in der DDR willkommen. Als der | |
Chilene 1974, ein Jahr nach dem Pinochet-Putsch, gemeinsam mit seinen | |
Eltern als politischer Flüchtling in die DDR kam, übergaben die Behörden | |
der Familie eine komplett eingerichtete Wohnung. "Auf meinem Bett und dem | |
meines Bruders lag sogar ein Kuscheltier", erinnerte sich der heute | |
40-jährige Kulturmanager. Er sprach auf einer Grünen-Tagung zu diesem Thema | |
kürzlich in Berlin. | |
Irgendwann später schrieb jemand an seinen Häuserblock in Karl-Marx-Stadt, | |
dem heutigen Chemnitz, "Chilenen raus". "Das habe ich gar nicht verstanden, | |
weil wir doch überall freundlich aufgenommen wurden. Wir dachten, die Leute | |
meinten, Pinochet sollte raus aus Chile", sagt Rivera. Irgendjemand | |
erklärte es später den Eltern: Die Wohnungen, die von den chilenischen | |
Flüchtlingen bezogen wurden, waren DDR-Bürgern zuvor bereits fest zugesagt | |
worden. Wohnungen waren knapp in den 70er-Jahren. | |
Rivera bezeichnet sich selbst als privilegierten Ausländer und rechnet es | |
der DDR hoch an, dass er in der Schule eigens Spanischunterricht erhielt. | |
Er hat aber auch die andere Seite der DDR-Ausländerpolitik kennengelernt. | |
Gut ein Jahrzehnt nach seiner Ankunft kamen kubanische Vertragsarbeiter | |
nach Karl-Marx-Stadt, zu denen sich der Teenager wegen der gemeinsamen | |
Herkunft aus Lateinamerika hingezogen fühlte. "Das waren zwei Welten. Die | |
Kubaner hausten zu viert in einem Zimmer, hatten keine Freiheiten." | |
Auch die Vietnamesin Thuy Nonnemann kam als Vertragsarbeiterin in die DDR. | |
Sie formuliert es drastischer und spricht von "Sklavenarbeit". Die | |
Vietnamesen seien im zugeteilten Wohnheimplatz im Mehrbettzimmer unter | |
ständiger Kontrolle gewesen und hätten nur eingeschränkt Besuch empfangen | |
dürfen. Von den Dolmetschern seien sie zur Arbeit gebracht worden "wie | |
Vieh", sagt Nonnemann. | |
Für den damaligen DDR-Staatssekretär für Arbeit und Löhne, Wolfgang | |
Beyreuther, war der Einsatz von Vertragsarbeitern hingegen ein Akt von | |
Völkerfreundschaft und internationaler Solidarität. "Wir haben die Leute | |
ausgebildet", sagt der 80-Jährige. Die Verträge zur Entsendung von | |
Vertragsarbeitern aus Vietnam, Mosambik, Angola und Kuba tragen seine | |
Unterschrift. | |
Dass Vietnamesinnen in der DDR keine Kinder bekommen durften, war in | |
Beyreuthers Augen einzig und allein die Schuld ihres Heimatlandes: "Vietnam | |
hatte ja über die Leute zu entscheiden." Nicht Menschen waren damals | |
Vertragspartner, sondern Staaten, die über höchst private Belange ihrer | |
Bürger entschieden. | |
Almuth Berger, Ausländerbeauftragte der letzten DDR-Regierung und später | |
dann des Landes Brandenburg, sieht das anders. Viele DDR-Behörden hätten | |
lange Zeit nichts davon wissen wollen, dass eine Vertragsarbeiterin ein | |
Kind bekam. Schließlich war es ja schwierig für eine Frau, zu arbeiten, | |
wenn sie ein Baby hatte. | |
Erst ab Anfang 1989 durften Vietnamesinnen in der DDR Kinder zur Welt | |
bringen und mussten bei einer Schwangerschaft nicht mehr zwischen | |
Abtreibung und Ausreise wählen. Der Betrieb musste der Weiterbeschäftigung | |
allerdings zustimmen. | |
Berger plädiert für ein differenziertes Bild. Es habe Fremdenfeindlichkeit | |
gegeben, aber auch gelebte Solidarität. Um das Jahr 1980 herum hätten die | |
Vertragsarbeiter tatsächlich noch eine Ausbildung bekommen. In den | |
Folgejahren mussten sie dann nur noch Lücken in der Produktion stopfen. Sie | |
verrichteten einfachste Arbeiten, für die keinerlei Qualifikation nötig | |
war. Die Vertragsarbeiter aus Mosambik mussten mit einem Teil ihres Lohns | |
sogar die Schulden ihres Staates bei der DDR abzahlen, das Geld wurde | |
einbehalten. Beyreuther jedoch beteuert, er habe den einschlägigen | |
Beschluss des SED-Zentralkomitees gar nicht gekannt. | |
5 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
Marina Mai | |
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DDR | |
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