# taz.de -- Auf dem Weg nach Großbritannien: 27 Menschen im Ärmelkanal ertrun… | |
> Die Opfer wollten das ruhigere Wetter für ihre Überfahrt von Calais | |
> nutzen. Die Todeszahl dort erreicht einen Höchstwert. | |
Bild: Sie haben es geschafft: Nach einem Zwischenfall wurde die Gruppe nach Dov… | |
LONDON taz | Es ist das Unglück mit den meisten Toten im Ärmelkanal, seit | |
die Internationale Organisation für Migration (IOM) im Jahr 2014 angefangen | |
hat, vermisste Geflüchtete zu zählen. Mindestens 27 Menschen sind am | |
Mittwoch unweit der Küste von Calais ertrunken. Nach Angaben der | |
Staatsanwaltschaft in Lille handelt es sich um siebzehn Männer, sieben | |
Frauen und zwei Jungen und ein Mädchen offenbar im Teenageralter. Die | |
französischen Sicherheitskräfte haben bisher fünf mutmaßliche Schleuser | |
festgenommen. | |
Die Menschen gehörten zu einer Gruppe, die am Mittwoch versucht hatten, | |
ruhigere Wetterbedingungen für eine Überquerung von Frankreich nach England | |
auszunutzen – so wie viele andere Flüchtlinge an diesem Tag und in den | |
Monaten zuvor. Die genauen Umstände des Unglücks waren am Donnerstag noch | |
nicht bekannt, doch zwei Überlebende, ein Iraker und ein Somalier, die mit | |
Unterkühlungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht wurden, können befragt | |
werden. Bei den Opfern soll es sich nach bisherigen Informationen | |
vorwiegend um Kurden aus dem Irak oder Iran sowie Somalier handeln. | |
Seit 2014 verzeichnet die IOM jedes Jahr 8 bis 30 Todesfälle beim Versuch, | |
den Ärmelkanal zu überqueren. Doch schon vor dem tragischen Unglück am | |
Mittwoch waren in diesem Jahr bereits 14 Menschen ertrunken. Bei fast | |
26.000 Menschen war die Überquerung erfolgreich – dreimal so viele wie im | |
letzten Jahr. Auch am Donnerstag kam nach Berichten britischer Medien | |
erneut Migranten auf kleinen Booten in England an. | |
Abseits der hochgefährlichen Bootsüberquerungen gibt es wenige legale | |
Einreisemöglichkeiten nach Großbritannien. Hilfsorganisationen wie das Rote | |
Kreuz und Amnesty International sowie verschiedene britische und | |
französische Organisationen verlangen, dass das Vereinigte Königreich | |
legale Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge schafft. | |
## Tod in der verkehrsreichsten Meeresstraße | |
Ein Einreiseprogramm für Flüchtlinge aus Afghanistan wurde zwar | |
angekündigt, ist jedoch noch nicht angelaufen. Laut Angaben des britischen | |
Innenministeriums beantragen 98 Prozent aller Personen, die den Kanal | |
überqueren, im Vereinigten Königreich Asyl. Die große Mehrheit sei dabei | |
erfolgreich. | |
Im Fall des jetzigen Unglücks hatte ein französischer Fischer am | |
Mittwochnachmittag die Rettungsmannschaften alarmiert, als er die leblosen | |
Körper von 15 Menschen entdeckt hatte. Die herbeigerufenen Schiffe der | |
französischen Marine konnten dann die meisten Verunglückten nur noch tot | |
bergen. | |
Es wird angenommen, dass das Boot von bezahlten Schleusern organisiert | |
wurde. Der französische Innenminister Gérald Darmanin beschrieb das Boot | |
als eher einem aufblasbarem Swimmingpool im Garten ähnlich. Laut Berichten | |
in französischen Medien könnte das Boot mit einem Linienschiff kollidiert | |
sein. Der Ärmelkanal ist die verkehrsreichste Meeresstraße der Welt. | |
## Schlauchboote aus Deutschland | |
[1][Der britische Premier Boris Johnson] schob das Unglück so wie viele | |
andere Politiker:innen auf Schleusergangs. Auch Frankreich sei schuld, | |
das das Problem der Überquerungen nicht ernst genug nehme, so Johnson. Der | |
französische Präsident Emmanuel Macron antwortete auf diese Vorwürfe, dass | |
der Premier aufhören solle, dramatische Situationen für eigene politische | |
Ziele zu instrumentalisieren. Innenminister Darmanin forderte auch Belgien | |
und die Bundesrepublik auf, gegen Schleuser vorzugehen. Ihm zufolge habe | |
einer der Festgenommenen Schlauchboote in Deutschland gekauft. | |
Macron gab an, Frankreich werde dafür sorgen, dass der Ärmelkanal kein | |
Friedhof werde. Die französischen Behörden haben in der letzten Woche | |
Zeltlager von Flüchtlingen an der Küste zerstört. Hilfsorganisationen | |
weisen darauf hin, dass die Art und Weise, wie Flüchtlinge dort behandelt | |
werden, auch ein Grund für ihren Aufbruch über den Ärmelkanal ist. | |
Die Zahl der Asylanträge im Vereinigten Königreich ist im Vergleich zu | |
Vorjahren gesunken. Die Pandemie, der Brexit und Verschärfungen an den | |
Grenzen haben dazu geführt, dass die Menschen von unsichtbaren Überfahrten | |
in Lkws und Containern auf die Bootsüberquerung ausweichen. | |
25 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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