# taz.de -- Anhörung im Untersuchungsausschuss: Dem Terror knapp entronnen | |
> Innensenator Ulrich Mäurer erzählt eine abenteuerliche Geschichte von | |
> einer sehr großen und äußerst konkreten Gefahr. | |
Bild: Auch im Zeugenstand hatte Senator Ulrich Mäurer (SPD) keine Mühe, etwas… | |
BREMEN taz | Nein, „die Hinweise waren keine Hirngespinste“, erklärte | |
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gestern vorm Parlamentarischen | |
Untersuchungsausschuss „Anti-Terror-Einsatz“. „Wir waren mit einer | |
konkreten Gefahr konfrontiert“: An jenem 28. Februar hätten „Franzosen“ | |
oder andere ausländischen Personen einen Terror-Anschlag in Bremen verüben | |
wollen – mit Kriegswaffen. Im muslimischen Gemeindezentrum IKZ seien vorher | |
60 Maschinenpistolen verteilt worden. | |
Nicht eine dieser Kriegswaffen wurde gefunden, bis heute nicht, trotz | |
monatelanger Observation hat die Staatsanwaltschaft gegen die zwei als | |
„Haupttäter“ bezeichneten Brüder nichts entdeckt, was für eine | |
Anklageschrift taugen könnte. Offensichtlich bestand die „sehr ernste | |
Gefährdung“ Bremens allein in den Köpfen des Sicherheitsapparates. | |
Anzeichen dafür, dass sie real war, fehlen auch acht Monate später trotz | |
intensiver Fahndung. | |
Wie es dazu kommen kann, wie Tipps von dubiosen „Hinweisgebern“ und | |
VS-Agenten so missverstanden werden, wird dieser Ausschuss nicht klären | |
können. Die Konsequenz, die der Innensenator und sein Polizeiapparat | |
ziehen, geht in die andere Richtung: Eine Million Euro soll investiert | |
werden, um mit Schutzwesten und gepanzertem Fahrzeug besser für Anschläge | |
gerüstet zu sein. | |
Wie dubios die eigene „Hinweisgeberin“ auf die 60 Uzis war, hatte der | |
Verfassungsschutz schon vor dem 28. Februar in einem Vermerk festgehalten. | |
Daher war immer behauptet worden, der entscheidende Hinweis für die | |
Lagebeurteilung sei von einer Bundesbehörde gekommen. Gestern nun lüftete | |
Mäurer selbst ein wenig den Schleier zu dieser Quelle: Der „Zoll“, der eine | |
eigene Abteilung zur Terrorismusbekämpfung hat, hatte zum Jahresbeginn 2015 | |
einen Spitzel aufs IKZ angesetzt. Von dem soll die Info gekommen sein, dass | |
die „Franzosen“ nach Bremen kämen. | |
Da der Zoll aber jegliche Auskunft über seine Quelle verweigert, ist dieser | |
Eckstein der Terrorbewertung nicht greifbar. Bundesinnenminister Thomas de | |
Maizière hatte schon im Juli erklärt, Bund und Land hätten sich über die | |
Belastbarkeit dieses Hinweises besser austauschen sollen. Weil es zu diesem | |
„Hinweis“, mit dem die Durchsuchung des IKZ gerechtfertigt wurde, keinerlei | |
schriftliche Unterlagen gibt, hatte das Gericht auch diese Durchsuchung für | |
rechtswidrig erklärt. | |
Wie Mäurer gestern erklärte, hatte er an jenem Samstag an die Version | |
geglaubt, dass die französischen Terroristen sich im IKZ mit Waffen | |
versorgen – und die schnelle Durchsuchung wegen einer „Gefahr im Verzuge“ | |
gefordert. Sogar der Polizeiführer hatte das abgelehnt und die | |
Staatsanwaltschaft um einen Durchsuchungsbeschluss gebeten. Der erging erst | |
am Samstagabend, nachdem der Richterin eine bombastische Geschichte | |
aufgetischt worden war. Da der Eingang zum IKZ seit Jahren von einer Kamera | |
des Verfassungsschutzes überwacht wird, war die Vorstellung, ausgerechnet | |
dort würde ein Kriegswaffenarsenal zwischengelagert, besonders absurd. Bei | |
der Stürmung und Durchsuchung der Moschee wurde kein Hinweis auf | |
terroristische Aktivitäten gefunden. | |
Auch gestern wieder demonstrierte Mäurer, wie er und die | |
Sicherheitsbehörden zu ihrer Fehleinschätzung kamen: Ihnen gelingt die | |
Unterscheidung nicht zwischen strenggläubigen und terrorbereiten Muslimen: | |
Für den Innensenator ist und bleibt das IKZ ein Zentrum terroristischer | |
Aktivitäten – wie lang und wie ergebnislos der Verfassungsschutz es auch | |
immer beobachten mag. | |
2 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
## TAGS | |
Terrorgefahr | |
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Islamismus | |
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