# taz.de -- Angriffe auf Journalisten in Gaza: Presse unter Beschuss | |
> Ein Journalist wurde in Gaza getötet, mehrere verletzt. Das israelische | |
> Militär unterstellt Nähe zur Hamas, Quellen vor Ort widersprechen. | |
Bild: Journalisten versammeln sich am 7. April 2025 in Chan Yunis, um gegen die… | |
Jerusalem taz | Ahmed Mansours Beine zucken noch, während die Flammen | |
bereits über seinen gesamten Körper schlagen. Mehrere Videos zeigen die | |
Folgen eines israelischen Luftangriffes auf ein von Journalisten genutztes | |
Zelt im Eingangsbereich des Al-Nasser-Krankenhauses in Chan Yunis in der | |
Nacht auf Montag. Umstehende versuchen, mit Wasser aus Plastikflaschen die | |
meterhohen Flammen zu bändigen. Der Mitarbeiter der Nachrichtenwebsite | |
Palestine Today überlebte laut einem Bericht seines Arbeitgebers schwer | |
verletzt. Helmi Al-Faqaawi, ebenfalls Reporter für Palestine Today, sowie | |
ein weiterer Mann wurden getötet, insgesamt neun Medienschaffende verletzt. | |
Eine Quelle der taz in Chan Yunis bestätigte am Morgen, dass es sich bei | |
dem bombardierten Zelt um ein von Journalisten genutztes improvisiertes | |
Büro gehandelt habe. Mehrere freischaffende Reporter und Fotografen hätten | |
neben dem Krankenhaus rund 30 Zelte aufgeschlagen und gemeinschaftlich | |
Internetzugang und Strom für ihre Arbeit organisiert, nachdem die Büros | |
vieler Medien im Gazastreifen im Laufe des Krieges zerstört wurden. Bei dem | |
zweiten Getöteten, Youssef al-Chisandar, handle es sich demnach nicht um | |
einen Journalisten. „Ich kenne ihn, er hatte nichts mit der Hamas zu tun“, | |
sagte die Quelle. Dem Angriff, so dieselbe Quelle, sei keine Warnung | |
seitens des israelischen Militärs vorausgegangen. | |
Die israelische Armee bestätigte am Montag den Angriff und teilte mit, er | |
habe Hassan Eslaiah gegolten, der bei dem Angriff verletzt wurde. Dieser | |
habe „getarnt als Journalist“ für die Hamas gearbeitet. Er habe während d… | |
Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 auf Israel „israelisches Gebiet | |
infiltriert“. Dabei habe er „Plünderung, Brandstiftung und Mord | |
dokumentiert und auf Social Media hochgeladen“, was die Pressestelle des | |
Militärs als „Beteiligung an dem mörderischen Massaker“ wertet. | |
Einen Beweis für eine Hamas-Mitgliedschaft Eslaiahs legte die Armee nicht | |
vor. Einzelne Social-Media-Beiträge mit Verweisen auf | |
Hamas-Propagandavideos deuten auf eine mögliche Sympathie für die Gruppe | |
hin. Online kursiert ein Foto, das den getöteten Hamas-Anführer Jahia | |
Sinwar zeigt, wie er Eslaiah auf die Wange küsst. 2018 arbeitete er laut | |
der Website Electronic Intifada als Kameramann für den Hamas-nahen Sender | |
Quds-TV. | |
## Journalistengewerkschaft spricht von „Massaker“ | |
Als freier Fotograf belieferte Eslaiah auch die Nachrichtenagentur AP. Am | |
7. Oktober 2023 ging um 7:30 Uhr, eine Stunde nach dem Beginn des | |
Überfalls, ein Bild von Eslaiah über deren Dienst, das einen brennenden | |
israelischen Panzer am Grenzzaun zu Israel zeigt. Ein weiteres Bild um kurz | |
vor 8.00 Uhr zeigt eine Leiche im überfallenen Kibbuz Kfar Aza, wo an | |
diesem Tag mehr als 60 Menschen getötet und 19 entführt wurden. | |
Die Fotos lösten eine Diskussion darüber aus, wie nahe Journalisten bei | |
Massakern wie dem vom 7. Oktober 2023 an den Geschehnissen und den Tätern | |
sein sollten. Die Agenturen AP und Reuters haben Vorwürfe zurückgewiesen, | |
vorab von dem Angriff gewusst zu haben. Die ersten Bilder ihrer Dienste | |
erschienen knapp eine Stunde nach dem Beginn des Überfalls. Die Arbeit mit | |
Eslaiah stellte AP in der Folge dennoch ein. | |
Israelische Angriffe haben seit Oktober 2023 laut dem Komitee zum Schutz | |
von Journalisten (CPJ) mindestens 165 palästinensische Journalisten | |
getötet. Das macht das vergangene Jahr zum tödlichsten für Journalisten | |
weltweit, seit die Organisation 1992 mit ihrer Zählung begann. Dem CPJ | |
zufolge wurden 13 von ihnen gezielt ermordet, unter ihnen Hossam Shabat und | |
Hamza Al-Dahdouh, der Sohn des Gaza-Bürochefs des katarischen Senders Al | |
Jazeera, Wael Al-Dahdouh. Das Recherchenetzwerk Bellingcat veröffentlichte | |
Ende März zusammen mit Medien wie der Zeit und dem Standard mehrere Fälle, | |
in denen palästinensische Journalisten kurz nach der Aufnahme von | |
Drohnenbildern getötet oder verletzt wurden. Die palästinensische | |
Journalistengewerkschaft verurteilte den Angriff auf das Zelt neben dem | |
Nasser-Krankenhaus als „Massaker“. | |
## Kein Kriegsende in Sicht | |
Trotz einzelner Proteste von Bewohnern des Gazastreifens und der | |
zunehmenden militärischen Härte, mit der die israelische Armee seit dem | |
Ende der Waffenruhe vorgeht, zeigt die Hamas bisher keine Absicht, | |
aufzugeben. In einer Mitteilung der Gruppe hieß es: „Was die Besatzung | |
(Israel) in Verhandlungen nicht erreicht hat, werden sie nicht durch Krieg | |
erreichen.“ Am Samstag feuerte die Hamas zehn Raketen, die größte Salve | |
seit Monaten, in Richtung Israel. Fünf wurden laut der Armee abgefangen, | |
eine schlug in der Küstenstadt Aschkelon ein. Verletzt wurde niemand. Ein | |
Armeesprecher erklärte daraufhin Bereiche in Deir Al-Balah im Zentrum des | |
Gazastreifens zu Evakuierungszonen. | |
Das Gebiet, in dem sich die Palästinenserinnen und Palästinenser im | |
Gazastreifen laut der israelischen Armee noch aufhalten sollen, schrumpft | |
immer weiter: Laut der Nachrichtenagentur AP hat das Militär mittlerweile | |
mehr als 50 Prozent des Küstenstreifens eingenommen und vor allem entlang | |
der Grenze zu Israel in einer immer breiter definierten Pufferzone | |
zahlreiche Gebäude abgerissen. | |
Mitarbeit: Lisa Schneider | |
7 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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