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# taz.de -- Israels Armee tötet Journalisten: Reporter im Fadenkreuz
> Als Mitarbeiter von Al Jazeera kam Hossam Shabat zu Ruhm, jetzt ist er
> tot. Die israelische Armee behauptet, er sei ein „Terrorist“ gewesen.
Bild: Hossam Shabat
Berlin taz | „Ich dachte, es wäre vorbei und ich könnte mich endlich
ausruhen. Aber der Völkermord ist wieder voll im Gange, und ich bin wieder
an der Front“, schrieb der Journalist Hossam Shabat am Samstag auf dem
Onlinedienst X. Dazu postete er ein Video von sich im gestreiften Hemd und
mit Presseweste, wie er sich einen Helm aufsetzt, im Hintergrund war eine
Ruinenlandschaft zu sehen.
Zwei Tage später ist er tot. Er war auf der Saladin-Straße unterwegs –
einer Hauptverkehrsstraße, die den Norden des Gazastreifens mit dem Süden
verbindet –, als ihn die israelische Armee am Montag mit einem gezielten
Angriff auf sein Auto tötete. Aufnahmen zeigen, wie Helfer seinen leblosen
Körper aus dem zerstörten Wagen ziehen. Shabat wurde nur 23 Jahre alt.
Seit Oktober 2023 hat die israelische Armee laut Reporter ohne Grenzen über
145 Journalisten getötet, 35 von ihnen bei der Arbeit. In mehreren Fällen
konnte das Comittee to Protect Journalists (CPJ) nachweisen, dass sie
gezielt ermordet wurden. Auch Hossam Shabat wurde gezielt angegriffen.
## In der arabischen Welt ein Held
Keine zwei Stunden bevor er starb, hatte er noch über den Tod seines
Kollegen Mohammad Mansour berichtet, der für den Fernsehsender Palestine
Today arbeitete. Der Sender soll dem „Islamischen Dschihad“ nahestehen.
Mansour kam zusammen mit seiner Frau und seinem Kind bei einem Luftangriff
auf sein Haus in Chan Yunis ums Leben, in der ehemals zweitgrößten Stadt im
Süden des Gazastreifens.
Hossam Shabat war in der arabischen Welt sehr bekannt, weil er als freier
Mitarbeiter für Al Jazeera Mubasher, dem Live-Kanal des Senders, aus Gaza
berichtete. Der TV-Sender aus Katar ist eines der wenigen internationalen
Medien, die dort noch Mitarbeiter haben und ist Israel deswegen ein Dorn im
Auge. Schon im Mai 2024 ließ es dessen Büros in Jerusalem schließen. Im
September 2024 stürmte die Armee das Al-Jazeera-Büro in Ramallah im
besetzten Westjordanland und machte es ebenfalls dicht. Der Vorwurf:
„Aufstachelung zum Terror“.
Bereits Ende Oktober beschuldigte die Armee Shabat und fünf weitere
Al-Jazeera-Mitarbeiter im Gazastreifen, Mitglieder der Hamas und des
„Islamischen Dschihad“ zu sein. Als Reaktion darauf schrieb Shabat auf X:
„Trotz der gefährlichen und unwahren Drohungen, die von der israelischen
Besatzung gegen uns ausgesprochen werden, bleiben wir unserem Beruf
verpflichtet und werden weiterhin über diesen Völkermord berichten.“ Das
CPJ sprach von unbegründeten Anschuldigungen und forderte Israel auf, diese
zu unterlassen.
## Israel gesteht gezielte Tötung
Am Dienstag gab die israelische Armee zu, Shabat gezielt getötet zu haben.
Sie warf ihm vor, er sei „Terrorist“ und Scharfschütze im Dienst der Hamas
gewesen. Diese Behauptung lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Eine Mitgliedschaft in der Hamas lässt sich aus seinen
Social-Media-Beiträgen nicht ableiten, eine gewisse Sympathie für die Hamas
und ihren gewalttätigen Widerstand gegen Israel schon. Der Großteil seiner
Posts – vor allem nach dem 7. Oktober 2023 – handeln aber von alltäglichem
Leid der Menschen in Gaza, das er teilte.
Im November wurde Shabat verletzt, als eine israelische Rakete ein Haus
traf, aus dem er gerade berichtete. Der Katastrophenschutz war gerade
dabei, Menschen aus dem Haus zu retten, als es erneut bombardiert wurde,
mehrere Helfer starben. Nachdem im Januar eine Waffenruhe in Kraft trat,
postete Shabat ein Video, wie er seine Mutter in die Arme schloss, die er
seit mehr als einem Jahr nicht gesehen hatte.
## Inzwischen mehr als 50.000 Tote registriert
Seit es vor einer Woche die Waffenruhe aufgekündigt hat, geht Israel im
Gazastreifen wieder mit großer Härte vor. Es hat Krankenhäuser, ein
UN-Gebäude und ein Büro des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz
beschossen, ein UN-Mitarbeiter wurde durch einen Sprengsatz getötet, sechs
weitere wurden schwer verletzt. Die UN kündigten daraufhin an, ein Drittel
ihrer 100 internationalen Mitarbeiter aus Gaza abzuziehen. Über 700
Menschen wurden laut der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen allein seit
vergangenen Dienstag getötet. Insgesamt hat die Zahl der registrierten
Toten im Gazastreifen nun die Marke von 50.000 überschritten.
Hossam Shabat wusste, dass er im Fadenkreuz der israelischen Armee stand.
Am Montag veröffentlichte sein Team auf seinem X-Account seine
Abschiedsworte: „Ich habe alles riskiert, um über die Wahrheit zu
berichten, und jetzt kann ich endlich zur Ruhe kommen – etwas, das ich in
den letzten 18 Monaten nicht gekannt habe“, schrieb er. Und bat darum:
„Hören Sie nicht auf, über Gaza zu sprechen. Lassen Sie nicht zu, dass die
Welt wegschaut.“
25 Mar 2025
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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Gaza
Israel
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