# taz.de -- Afghanistan unter den Taliban: Trübes neues Schuljahr | |
> Die Taliban halten an Bildungsverboten für Mädchen und Frauen im neuen | |
> Schulfahr fest. Selbst das lokale Neujahrfest durfte nicht gefeiert | |
> werden. | |
Bild: Ein Klassenzimmer, in dem früher Unterricht für Mädchen stattgefunden … | |
BERLIN taz | In Afghanistan hat das neue Schuljahr am Dienstag begonnen, | |
ohne dass die Taliban ihre Verbote für Frauen und Mädchen zurücknahmen oder | |
auch nur abmilderten. Hoffnungen, dass sie dies genauso überraschend tun | |
könnten, wie sie ein Jahr zuvor Mädchen von weiterführenden Schulen | |
ausschlossen, bewahrheiteten sich damit nicht. | |
Es öffneten jetzt nur die Jungenschulen, die Mädchenschulen bis | |
einschließlich der Klasse 6 sowie die Universitäten ausschließlich für | |
männliche Studierende. | |
Entgegen früheren Gepflogenheiten teilte das Bildungsministerium nicht | |
einmal rechtzeitig öffentlich mit, wann genau das Schuljahr beginnen würde. | |
Die Taliban legten den Beginn auf den persischen Neujahrstag Nouruz. Den | |
hatten sie voriges Jahr als arbeitsfreien Feiertag abgeschafft, da sie das | |
Fest für „unislamisch“ halten. | |
Dadurch waren jetzt zwar die Lehrer in den Schulen, die intern über die | |
Schulleiter benachrichtigt worden waren, aber keine Schüler:innen. | |
Augenzeugen berichteten der taz, dass auch nur wenige Studierende die | |
Kabuler Universität betraten. | |
## Die bisherigen Ausnahmen gibt es nicht mehr | |
In Kundus, wo letztes Jahr trotz Verbots wie in anderen Nordprovinzen auch | |
noch einige Sekundarschulen für Mädchen offen waren, seien diese jetzt | |
ebenfalls geschlossen. | |
In Kandahar forderten Mädchen höherer Klassen wieder Zugang zu Bildung, | |
berichtete eine unabhängige afghanische Nachrichtenseite. Eine Schülerin | |
sagte, sie würden dafür die Verschleierung akzeptieren. „Wir gehen nach | |
Pakistan oder Iran, wenn uns nicht erlaubt wird, zur Schule zu gehen“, | |
sagte eine andere. | |
Die Taliban begründen ihre Verbote damit, dass gemeinsames Lernen von | |
Jungen und Mädchen zu „unmoralischem Benehmen“ führe, das sie unterbinden | |
wollen. Sie beharren aber darauf, dass es sich nur um zeitweilige Maßnahmen | |
handele. | |
Hochschulminister Neda Mohammed Nadim verwies darauf, dass die Gehälter der | |
Dozentinnen ebenso weitergezahlt würden wie für Lehrerinnen. Für beide gilt | |
ein „zeitweiliges“ Arbeitsverbot. | |
## Mädchenbildung künftig nur an separaten Schulen | |
Im Januar hatten die Taliban eine interministerielle Kommission zur | |
Mädchenbildung berufen, um das Problem in einem festgelegten, aber nicht | |
bekannt gegebenem Zeitrahmen zu lösen. Sie soll auch neue islamischere | |
Studienpläne erarbeiten. | |
Vizebildungsminister Maulawi Sajed Ahmad Schahidchel sagte am Dienstag, | |
man wolle „allen Menschen des Landes eine faire, ausgewogene und qualitativ | |
gute Bildung“ vermitteln. An Mädchenschulen müsse es aber erst „eine | |
sichere Bildungsumgebung“ geben. „Alle Prinzipien der Scharia“ sollen dort | |
beachtet werden und das gesamte Personal weiblich sein. | |
Davon ist das Land weit entfernt. Zwar verfügt das Bildungsministerium mit | |
umgerechnet 400 Millionen US-Dollar über das drittgrößte Budget aller | |
Ressorts. Aber 95 Prozent davon gehen in laufende Kosten wie Gehälter. Für | |
gesonderte Schulgebäude für Mädchen reicht der Etat bei weitem nicht. | |
Ohnehin verfügt nur die Hälfte der bestehenden Schulen über ein Gebäude. | |
Die Taliban untersagten im nördlichen Masar-i-Scharif auch die | |
traditionelle Hissung der Dschanda, der Neujahrsflagge, die sonst | |
Hunderttausende anzog, sowie eine ähnliche Zeremonie im schiitischen Teil | |
Kabuls. An beliebten Picknickplätzen ließen Patrouillen der | |
Taliban-Sittenpolizei keine Familien zu. | |
## Auch Karusellverbot für Frauen | |
Auf Nouruz-Jahrmärkten durften ältere Mädchen und Frauen nicht Karussell | |
fahren. Oppositionell gesinnte Afghanen veranstalteten auf dem Kabuler | |
Schuhada-je-Salehin-Friedhof eine alternative Flaggenhissung. Dort wagten | |
die Taliban nicht einzugreifen. | |
Zum Frauentag am 8. März hatte die [1][UNO] Afghanistan als repressivstes | |
Land für Frauen ein gestuft. Der „Weltglücksbericht“ nennt es jetzt das | |
„unglücklichste Land der Erde“. | |
22 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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