# taz.de -- AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch: Delegierte trotz Wahlmanipulati… | |
> Die Demontage von Storchs blieb auf dem Parteitag der AfD Berlin aus. | |
> Dort wurde die Delegiertenwahl wiederholt, bei der von Storch | |
> manipulierte. | |
Bild: Ist der Ruf erst ruiniert, wird man trotzdem delegiert: von Storch (AfD) … | |
BERLIN taz | Bei einer möglichen Wahlwiederholung zum Berliner | |
Abgeordnetenhaus dürfte die AfD einer der Hauptprofiteure sein. Die Partei | |
steht in Umfragen gut da. Doch eine politische Aufarbeitung der | |
mutmaßlichen eigenen Wahlmanipulation bei der Delegiertenwahl 2021 findet | |
in der AfD Berlin weiter nicht statt. | |
Statt über Ordnungsmaßnahmen oder Schadenersatzforderungen für die darin | |
verstrickte Beatrix von Storch zu sprechen, hat der Berliner AfD-Parteitag | |
vergangenes Wochenende die christlich-fundamentalistische | |
Bundestagsabgeordnete zur Delegierten gewählt. Anträge aus dem | |
Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf, die eine [1][zweijährige Ämtersperre | |
und Schadenersatz gegen von Storch] gefordert hatten, liefen ins Leere und | |
wurden gar nicht erst behandelt, wie der [2][Tagesspiegel berichtete]. | |
Man wollte die Delegiertenwahl offenbar möglichst geräuschlos über die | |
Bühne bringen. Öffentlichkeitsarbeit, die den Namen verdient hätte, fand | |
nicht statt: Der Parteitag wurde im Geheimen geplant – wohl auch aus Angst | |
vor Protesten, die es schließlich trotzdem gab. Die AfD Berlin | |
veröffentlichte drei Tage vor Beginn eine läppische, vierzeilige | |
Ankündigung in einem Facebook-Beitrag. Den Ort teilte der „Sprecher“ der | |
AfD Berlin, Ronald Gläser, erst spät am Abend davor mit: das Bürgerhaus | |
Zehlendorf. Erstmals seit langem fand ein Parteitag der AfD in Berlin | |
wieder in einem geschlossenen Raum stattfand. Zuletzt war die Partei wegen | |
Gegenmobilisierung in ein Bierzelt oder die brandenburgische Pampa | |
ausgewichen. | |
Einer Partei, die mit „Berlin, aber normal“ wirbt und als „normale Partei… | |
wahrgenommen werden will, widerspricht das pressefeindliche und | |
öffentlichkeitsscheue Vorgehen. Die [3][Pressevertreter*innen vor | |
Ort] bekamen nicht einmal das Antragsbuch des Parteitags zu sehen, das | |
selbstredend nicht veröffentlicht wurde. Einen Stream des Parteitags gab es | |
ebenso wenig wie Arbeitsplätze für Journalist*innen, geschweige denn Strom | |
oder WLAN – Letzteres ohnehin Dauerbrenner auf AfD-Parteitagen. | |
## Geheimniskrämerei nach Wahl-Blamage | |
Ein Grund für die Geheimniskrämerei war wohl auch, dass die AfD Berlin sich | |
mit der vom Bundesschiedsgericht kassierten Delegiertenwahl zum | |
bundesweiten Gespött – auch innerhalb der AfD – gemacht hatte. Berliner | |
Delegierte durften zwar [4][zum Parteitag ins sächsische Riesa] reisen, | |
aber nicht mit abstimmen, weil das Bundesschiedsgericht ein Urteil des | |
Berliner Landesschiedsgericht bestätigte, das von einem [5][„irreparablen, | |
schweren Wahlfehler“ sprach]. Im Zuge dessen war ein kompletter Parteitag | |
für die Tonne, der mehrere zehntausend Euro gekostet hatte. Interne | |
Gegner*innen hatten im Vorfeld des Parteitags gehofft, dass von Storch | |
nach der Manipulation der geschlossenen Bewerberliste der letzten | |
Delegiertenwahl diesmal keine Stimmen bekommen würde. | |
Doch von Storchs Gegenspieler*innen wurden enttäuscht: Die | |
Bundestagsabgeordnete wurde mit 121 Stimmen von etwa 200 anwesenden | |
Mitgliedern gewählt. Es war eines der besten Ergebnisse. Auf mehr Stimmen | |
kamen [6][laut Tagesspiegel] nur Fraktionschefin Kristin Brinker (163), der | |
Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio (158) sowie Jeanette Auricht (126), | |
die dem offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügel nahesteht. Die Berliner | |
Völkischen hatten noch vergangene Woche [7][Björn Höcke zu einem | |
Vortragsabend am Stadtrand] geladen. Außerdem gewählt wurden Gunnar | |
Lindemann mit 117 Stimmen, Ronald Gläser mit 115, Antonín Brousek und | |
Thorsten Weiß mit jeweils 107 Stimmen sowie Martin Trefzer mit 103, Harald | |
Laatsch mit 89 und Marc Vallendar mit 85 Stimmen. | |
Nicht dabei ist bemerkenswerterweise Abgeordnetenhausmitglied | |
Frank-Christian Hansel, der zuletzt sogar mit großen Ambitionen und einer | |
„West-Offensive“ für den Bundesvorstand angetreten war und dabei krachend | |
scheiterte. Er war unter anderen beteiligt an der versuchten | |
Palastrevolution der Selbstverharmloser*innen gegen den | |
Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla, die bekanntlich nicht weniger krachend | |
scheiterte. Nur Ersatzdelegierter wurde der Europaabgeordnete und | |
ehemaliger Springer-Journalist Nicolaus Fest, der vor Kurzem noch deutlich | |
bei der Wahl für den Bundesvorsitz unterlag. | |
Als eine Widersacherin der ehemaligen Flügel-Leute gilt auch Beatrix von | |
Storch. Dass sie wiederum nach einem [8][Burgfrieden innerhalb Berlins] auf | |
ein derart solides Ergebnis gekommen ist, zeigt, dass von Storch immer noch | |
gut zu netzwerken vermag. Sie selbst war nicht für den Bundesvorstand | |
angetreten, nachdem die Chrupalla-Höcke-Liste weitgehend durchgewählt | |
wurde, und vermied so eine Niederlage. | |
## Strippen ziehen und hetzen | |
Die gescheiterte Palastrevolution gegen Chrupalla wird ihr offenbar von den | |
Berliner AfD-Mitgliedern nicht angelastet. Offenbar weiß man ihre | |
organisatorischen Qualitäten als Strippenzieherin der Reste des | |
vermeintlich bürgerlichen Lagers zu schätzen – obwohl es sich dabei | |
inhaltlich ohnehin nur noch um Nuancen zu handeln scheint, wenn man sich | |
etwa mit von Storchs Einlassungen befasst. Denn ebenso wie die vermeintlich | |
extremeren Vertreter*innen ihrer Partei hetzt sie auf allen Kanälen | |
gegen die offene demokratische Gesellschaft und Minderheiten. | |
Zugleich gab es beim Parteitag auch Sticheleien gegen eine offenbar | |
abgestimmte Vorschlagsliste, die wohl weitgehend durchgewählt wurde. Volker | |
Graffstädt aus Steglitz-Zehlendorf, der von Storch vorher mit besagten | |
Anträgen angegriffen hatte, [9][nannte das „betreutes Wählen“] und | |
„Oligarchisierung“. Brinker wies die Vorwürfe zurück und nannte die | |
Delegation „ausgeglichen“. | |
Inhaltlich schlug die AfD Berlin auf dem Parteitag in dieselbe Kerbe wie | |
die Bundespartei. Sie beschloss auf dem Parteitag einen Leitantrag unter | |
dem Titel „Berlin. Aber bezahlbar“, bei der der Landesverband | |
Abstiegsängste beschwor – ohne dabei sozial nachhaltige Lösungen | |
anzubieten. Eingebracht hatte den Antrag die Landesvorsitzende Brinker. Die | |
AfD fordert darin Reaktivierung der Atomkraft und wie immer recht | |
Putin-freundlich ein Ende der Sanktionen. Im Gegensatz zur Bundespartei | |
will sie aber auch Preise auf Gas, Strom und Wärme deckeln. | |
Dem Bundestrend ist es zu verdanken, dass die AfD derzeit in Umfragen gut | |
dasteht – sie liegt aktuell bei 10 bis 13 Prozent gegenüber den 8 bei der | |
Abgeordnetenhauswahl. | |
17 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Streit-in-der-AfD-Berlin-vor-Parteitag/!5888159 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/parteitag-der-berliner-afd-abrechnung-mi… | |
[3] https://twitter.com/Robert_Kiesel/status/1581213909268062209 | |
[4] /AfD-Parteitag-in-Riesa/!5859327 | |
[5] /Wahl-von-AfD-Delegierten-annulliert/!5850365 | |
[6] https://www.tagesspiegel.de/berlin/parteitag-der-berliner-afd-abrechnung-mi… | |
[7] https://twitter.com/KimWinkler1312/status/1579978446079287296 | |
[8] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-afd-wahlt-mit-ungewohnter-einig… | |
[9] https://www.tagesspiegel.de/kernkraft-ausbauen-sanktionen-aufheben-berliner… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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