# taz.de -- Abzugsdesaster in Afghanistan: Erschütterndes Desinteresse | |
> Biden? Gescheitert. Der IS? Da. Das Abzugsdesaster in Afghanistan scheint | |
> simple Erklärungen zu liefern. Dabei ist eine Debatte über komplizierte | |
> Fragen nötig. | |
Bild: Zieht den Abzug ohne Rücksicht durch: US-Präsident Joe Biden (mit First… | |
Wer den chaotischen Abzug aus Afghanistan sieht, kann schnell zu dem | |
Schluss kommen, dass die Präsidentschaft von Joe Biden schon gescheitert | |
ist, bevor sie richtig angefangen hat. Die Brutalität, mit der Biden den | |
Einsatz am Hindukusch beendet, ist erschreckend für alle, die ihn für einen | |
freundlichen älteren Herrn mit nichts als humanitärem Geist und sanftem | |
Lächeln gehalten haben. [1][Er zieht den Abzug ohne Rücksicht auf | |
Nato-Partner, Ortskräfte und selbst die noch nicht evakuierten eigenen | |
Staatsangehörigen durch.] Nach den beiden Terroranschlägen am Flughafen | |
fiel er sofort in eine finstere Racherhetorik, die an George W. Bushs | |
„Achse des Bösen“ erinnert. | |
Doch es wäre ein Trugschluss anzunehmen, dass Biden damit das Vertrauen in | |
seine Führungsfähigkeit nachhaltig zerstört hat. Aus Sicht der | |
US-Bevölkerung beendet er einen äußerst unpopulären und viel zu langen | |
Krieg, der nicht mehr den US-Interessen diente. Solange es Biden gelingt, | |
den Antiterrorkampf mit anderen Mitteln, etwa Drohnen, fortzuführen, wird | |
die Wähler*innenschaft es ihm womöglich sogar danken. | |
Es ist auch falsch anzunehmen, dass nun die Terrorgruppe [2][„Islamischer | |
Staat Khorasan Province“] (IS-K) das vermeintliche Vakuum ausfüllt, das die | |
Nato-Partner hinterlassen haben. Der auf rund 400 bis 500 Mitglieder | |
geschätzte IS-K ist auch schon vorher dagewesen und hat Anschläge verübt, | |
die zu den grausamsten überhaupt zählen. So ermordeten sie beispielsweise | |
2020 auf einer Entbindungsstation 24 Mütter und Neugeborene in einer Klinik | |
der Ärzte ohne Grenzen. | |
Oder der Anschlag mit drei Explosionen im Mai dieses Jahres auf die Mädchen | |
einer Schule der schiitischen Minderheit Hasara in Kabul, bei der 90 | |
Mädchen starben und über 240 verletzt wurden. Zur Ehrlichkeit gehört dazu, | |
dass die meisten, die nun über die furchtbaren Attacken am Flughafen | |
erschüttert sind, sich über Jahre nicht für die Terroranschläge in | |
Afghanistan interessiert haben. Sie waren häufig nicht mal eine Kurzmeldung | |
wert. Das Schicksal der Menschen in Afghanistan ist in Deutschland bei der | |
großen Mehrheit der Bevölkerung nur noch auf Schulterzucken gestoßen. | |
Dieses Desinteresse ist mitverantwortlich dafür, dass bisher keine Debatte | |
darüber stattgefunden hat, wie künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr | |
denn aussehen sollen. [3][Welches Ziel sollen sie verfolgen, soll es sie | |
überhaupt noch geben, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?] Klar ist | |
jedenfalls: Verfallende Staaten wie Afghanistan, Somalia, Jemen und in | |
Kürze wohl auch der Libanon einfach sich selbst zu überlassen und den Kopf | |
in den Sand zu stecken ist auch keine Alternative. | |
30 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
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