Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abtreibungsrecht in den USA: Bedrohlich unberechenbar
> Das „Project 2025“ will Schwangerschaftsabbrüche in den gesamten USA
> verbieten. Donald Trump holt einige der Macher des Plans ins nächste
> Kabinett.
Bild: Abtreibungsgegner:innen jubeln, als Donald Trump auf der „March for Lif…
Berlin taz | Amerika soll konservativer werden, so hat es eine Mehrheit bei
den US-Wahlen im November entschieden. Donald Trumps zweite Amtszeit steht
nun kurz bevor, und sie wird sein Land für lange Zeit prägen.
Denn Trump hat sich zwar im Wahlkampf vom radikalen „Project 2025“
distanziert, nach der Wahl aber viele Vordenker des Manifests für [1][seine
neue Regierung nominiert]. Zudem decken sich einige Ideen aus diesem
detaillierten Plan zum Umbau der US-amerikanischen Demokratie mit den
Zielen der republikanischen Partei. Und die steht mittlerweile ganz weit
rechts.
Einige Kernpunkte des von rechtskonservativen Thinktanks erdachten „Project
2025“ unterstützt Trump ganz offen, etwa, die Macht des Präsidenten
auszuweiten, die Einwanderung drastisch einzuschränken, [2][den Klimaschutz
hintanzustellen und das Bildungsministerium abzuschaffen].
Beim Thema Abtreibungen sind die vorgebrachten Pläne besonders extrem. Die
präsidiale Macht solle demnach genutzt werden, um Abtreibungen aggressiv
einzuschränken. Manche glauben nicht, dass Trump da mitzieht. Immerhin hat
er erst kürzlich in einem NBC-Interview gesagt, dass er ein präsidiales
Veto einlegen werde, sollte ein nationales Abtreibungsverbot auf seinem
Schreibtisch landen. Doch Trump sagt oft das eine und tut dann das andere.
## Nach dem Ende von Roe v. Wade
Während seines Präsidentschaftswahlkampfs 2016 forderte er, man müsse
Abtreibungen „verbieten“ und sprach sich für „eine Art Bestrafung“ für
Frauen aus, die [3][illegal Abtreibungen vornehmen lassen]. Ein zentraler
Bestandteil seines Wahlprogramms 2016 war es, Richter am Obersten
Gerichtshof zu ernennen, um die Grundsatzentscheidung zum
Schwangerschaftsabbruch Roe v. Wade aufzuheben – was 2022 tatsächlich
geschah.
Das Recht auf Abtreibung ist seitdem nicht mehr durch die Verfassung
geschützt. Als erster amtierender Präsident nahm Trump auch am „March for
Life“ in Washington, D. C., teil, einer Großdemonstration der sogenannten
„Pro-Life“-Bewegung gegen Abtreibungen.
„Trump hatte die Pro-Life-freundlichste Regierung in der Geschichte
Amerikas und verabschiedete die Pro-Life-freundlichsten Maßnahmen, die
jemals eine Regierung umgesetzt hat“, sagte der Republikaner Roger Severino
im Februar stolz der New York Times. Severino war während der ersten
Trump-Präsidentschaft Direktor des Büros für Bürgerrechte im
Gesundheitsministerium: „Diese Erfolgsbilanz ist, denke ich, der beste
Beweis dafür, wie eine zweite Amtszeit aussehen könnte.“
Auch wenn er derzeit einen moderateren Ton in der Abtreibungsdebatte
anschlägt, will Trump die Pro-Life-Lobby nicht verärgern. Das zeigte sich
Ende August bei einer Debatte um die strengen Gesetze im Bundesstaat
Florida, wo Abtreibungen schon nach der sechsten Schwangerschaftswoche
illegal sind. Trump kritisierte die Gesetzeslage in seinem Heimatstaat
zunächst als „zu extrem“.
## Der Zugang zu Medikamenten
Er deutete an, dass er eine Verankerung von Abtreibungsrechten in der
Verfassung Floridas unterstützen werde. Die Frist von sechs Wochen hielt er
für zu kurz. Mehrere Tage lang setzten ihn daraufhin
Anti-Abtreibungs-Gruppen unter Druck, Trump änderte kurzerhand seine
Meinung und sprach sich für die bestehende Sechs-Wochen-Regelung aus.
Ähnlich wankelmütig ist Trump, wenn es um Abtreibungspillen geht.
Trotz des Endes von Roe v. Wade ist es überall in den USA noch legal, die
Medikamente Mifepriston und Misoprostol zu kaufen oder sie sich aus einem
anderen Staat schicken zu lassen. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche
werden derzeit mit diesen Medikamenten durchgeführt.
Trump erklärte kürzlich in einem NBC-Interview, dass er nicht plane, den
Zugang zu Mifepriston zu beschränken, und hielt es für „sehr
unwahrscheinlich“, dass die US-amerikanische Food and Drug Administration
(FDA) die entsprechende Zulassung zurücknehmen werde. Als die Reporterin
nochmal nachhakte, zögerte er plötzlich: „Well, I commit. I mean, – things
do – things change,“ sagte er. [4][„I think they change].“
Und in der Tat ändert sich einiges bei der nationalen Gesundheitsbehörde.
Vor wenigen Wochen hatte Trump angekündigt, dass der Chirurg und Autor
Martin Makary der neue Präsident der FDA werden soll. Makary wurde
landesweit durch Fernsehauftritte bekannt, bei denen er gegen
Impfvorschriften wetterte.
## Menschen mit geringem Einkommen besonders betroffen
Rukmini Timmaraju, Präsidentin der Organisation „Reproductive Freedom for
All“, warnt: „Marty Makary ist ein bekannter Anti-Abtreibungs-Extremist,
der die Agenda des Project 2025 vorantreiben wird. Er könnte die FDA als
Waffe benutzen, um medikamentöse Abtreibung effektiv zu verbieten, die
Empfängnisverhütung einzuschränken und die FDA als Waffe gegen reproduktive
Freiheit einzusetzen.“
In der Tat sieht das „Project 2025“ vor, die FDA-Zulassung für Mifepriston
zurückzuziehen und sie vom Markt zu nehmen. Außerdem wollen seine Verfasser
den Comstock Act wiederbeleben, ein Bundesgesetz aus dem 19. Jahrhundert,
das den Versand von „obszönem Material“ per Post verbietet, einschließlich
Informationen über Verhütung, Abtreibung und sexuelle Gesundheit.
Würde der Comstock Act wieder aktiviert, könnte damit auch der Versand von
Abtreibungspillen stark eingeschränkt werden. Besonders Menschen mit
geringem Einkommen würde das treffen, denn für Alternativen, etwa
Abtreibungen in anderen Bundesstaaten oder im Ausland, fehlen ihnen die
finanziellen Mittel. Trumps rechtskatholischer Vizepräsident J. D. Vance
hatte sich schon 2022 dafür ausgesprochen, den Comstock Act
wiederzubeleben.
Trump selbst zögert, sich offen zu diesen Maßnahmen zu bekennen. Sie kämen
einem nationalen Abtreibungsverbot gleich und sind selbst bei weiten Teilen
der konservativen Bevölkerung unpopulär. Auch die republikanische Partei,
die neben der Präsidentschaft den Senat und das Repräsentantenhaus gewonnen
hat, windet sich und spricht von notwendigen „nationalen Standards“.
Parlament und Präsident könnten jedoch tricksen und ein nationales
Abtreibungsverbot einfach nicht so nennen, sondern es als Vereinheitlichung
dessen verkaufen, was rechtskonservative Bundesstaaten schon an Verboten
beschlossen haben.
28 Dec 2024
## LINKS
[1] /Kuenftige-US-Regierung/!6053999
[2] /Project-2025-Manifest-in-den-USA/!6043014
[3] /Abtreibungsrechte-in-den-USA/!6042762
[4] http://www.nbcnews.com/meet-the-press/video/trump-says-he-doesn-t-plan-to-r…
## AUTOREN
Julia Belzig
## TAGS
Abtreibungsgegner
Schwangerschaftsabbruch
wochentaz
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt Abtreibung
Texas
Krise der Demokratie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abtreibung in den USA: „Blutet sie ausreichend, ist sie dem Tod nahe genug?“
N. Sydney Jemmott ist Aktivistin für reproduktive Gerechtigkeit aus
Atlanta. Im taz-Interview spricht sie über Zukunftsszenarien nach der
US-Wahl.
Abtreibungsrechte in den USA: Eine Stadt im Kampf um reproduktive Freiheit
In Texas sind Abtreibungen fast komplett illegal. Ein Ortsbesuch vor der
Wahl in Amarillo, wo radikale Abtreibungsgegner ein perfides lokales Gesetz
fordern.
„Project 2025“-Manifest in den USA: Ein autoritärer Herrschaftsplan
Das „Project 2025“ ist eine Blaupause für den grundlegenden Umbau der
US-Demokratie. Was genau sieht das Manifest vor?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.