# taz.de -- Abstiegsängste in Deutschland: Auch Reiche bangen | |
> Der Arbeitsmarkt boomt.Trotzdem sorgen sich viele um ihren sozialen | |
> Status. Wohlstand schützt nicht immer vor Abstiegsangst, sagt eine | |
> Studie. | |
Bild: Geld beruhigt – aber nicht immer und nicht jeden | |
BERLIN taz | Eigentlich könnten sie sich lässig zurücklehnen und ohne Angst | |
in die Zukunft blicken. Aber nein, auch unter denjenigen, die sich zum | |
reichsten Zehntel zählen, geht die Angst um: 47,6 Prozent, also fast die | |
Hälfte dieser Superwohlhabenden, machen sich „Sorgen um die finanzielle | |
Situation und soziale Positionierung in der Gesellschaft“. Dies geht aus | |
einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zum Thema | |
[1][„Abstiegsängste in Deutschland“] hervor. | |
Laut der Umfrage unter 5.000 Personen über 18 Jahren sind es zwar vor allem | |
die GeringverdienerInnen, die den Abstieg fürchten. Bei den Personen, die | |
sich zum ärmsten Zehntel rechnen, machen sich 87 Prozent langfristige | |
Sorgen um ihren Lebensstandard und ihre „soziale Positionierung“. | |
Diese Ängste nehmen ab in den Gruppen mit höherem Einkommen. Aber nur bis | |
zu einer gewissen Grenze. Ab dem wohlhabendsten Fünftel steigt die Furcht | |
wieder, erreicht allerdings nicht die hohen Werte wie bei den Armen. | |
## Weniger Angst um den Job | |
Abstiegsängste haben „mehrere Dimensionen“ schreibt die Autorin der Studie | |
und Bildungssoziologin an der Universität Paderborn, Bettina Kohlrausch. Es | |
gibt die Sorge um den Arbeitsplatz, die laut der Studie aber keine | |
entscheidende Rolle mehr spielt. Zwei Drittel der Befragten machen sich gar | |
keine oder nur geringe Sorgen um ihre Arbeitsplatzsituation, die | |
Unterschiede zwischen Ost und West sind dabei gering. | |
Allerdings gehen immerhin 13 Prozent der Personen, die sich keine oder nur | |
geringe Sorgen um ihren Job machen, dennoch davon aus, dass sich ihre | |
finanzielle Situation in der näheren Zukunft verschlechtern wird. Diese | |
Angst reicht bis tief in die Mittelschicht hinein. Sorgen um Lebensstandard | |
und Einkommen macht sich immerhin jeder Dritte unter den Befragten mit | |
einem Einkommen von über 4.000 Euro. | |
## Furcht vor dem „Ausgeliefertsein“ | |
Aus anderen Studien zur Lebenszufriedenheit weiß man, dass die | |
Selbsteinschätzung immer auch eine Frage der Maßstäbe und der Ansprüche | |
ist- und die hängen vom Vergleich mit der Umgebung ab. Auch Wohlhabende und | |
sogar Superreiche können eine Form von Existenzangst empfinden, wenn der | |
Dax absackt, das Depot an Wert verliert und sich das Alter mit seinen | |
Gebrechen bemerkbar macht. | |
Abstiegsängste haben etwas mit dem Gefühl des „Ausgeliefertseins“ zu tun, | |
resümiert die Autorin. Von den Wohlhabenden mit mehr als 4.000 Euro | |
Einkommen, die Abstiegsängste haben, stimmte ein Drittel der Aussage zu, | |
„was mit mir passiert, wird irgendwo draußen in der Welt entschieden“. | |
Die Studie sollte auch eine Antwort auf die Frage geben, ob und warum | |
Menschen mit Abstiegsängsten vermehrt die AfD wählen. Das Gefühl einer | |
allgemeinen „sozialen Verunsicherung“, das auch die Mittelschichten | |
betrifft, mache sich die AfD zunutze, so Kohlrausch. Eine Politik, die dem | |
etwas entgegensetzen wolle, sollte daher einerseits Angebote zu einer | |
besseren sozialen Absicherung der unteren sozialen Schichten machen, aber | |
auch besser vermitteln, das die „zentralen gesellschaftlichen | |
Herausforderungen politisch gestaltbar sind“, heißt es in dem Papier. | |
23 Feb 2018 | |
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[1] https://www.boeckler.de/64509.htm?produkt=HBS-006804&chunk=1&jahr= | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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