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# taz.de -- Abschied vom FC St. Pauli: Ewald Lienen entlässt sich selbst
> Ewald Lienen hat in idealer Weise die Markenstrategie des FC St. Pauli
> verkörpert. Deshalb musste er auch übers Traineramt hinaus bleiben – bis
> jetzt.
Bild: Wirkte bei St. Pauli wie einer, der endliche angekommen ist: Ewald Lienen
Hamburg taz | Ewald Lienen verlässt den [1][FC St. Pauli]. „Was, ist der
noch da?“ werden sich gemäßigt Fußballinteressierte vielleicht fragen.
Schließlich ist es schon fünf Jahre her, dass Lienen den Trainerposten auf
dem Kiez nach zweieinhalb mittelerfolgreichen Jahren räumen musste, und
derzeit ist schon der vierte Nachfolger im Amt. Aber rausschmeißen konnte
ihn St. Pauli damals nicht einfach, wie das sonst in der Branche üblich
ist. Denn als der Klub 2014 zu Lienens zwölfter Station als Cheftrainer im
Profifußball wurde, war das keine schnöde Anstellung auf Zeit, sondern eine
Liebesheirat.
Lienen, der der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, als Norbert
Siegmann ihm 1981 im Bremer Weserstadion mit seinen Stollen den kompletten
Oberschenkel aufschlitzte, war einst der einzige offen linke Spieler in der
Fußball-Bundesliga. Er engagierte sich gegen Atomkraft und hatte einmal, in
den Achtzigern, sogar für die DKP-nahe „Friedensliste“ – erfolglos – z…
nordrhein-westfälischen Landtag kandidiert. Er hat die Spielergewerkschaft
VDV mitgegründet.
Es schien eine Frage der Zeit zu sein, wann er mit dem FC St. Pauli
zusammenfinden würde, dem einzigen deutschen Profiklub, der ein klares
linkes Selbstverständnis lebt. Und tatsächlich wirkte Lienen in Hamburg oft
wie einer, der endlich angekommen ist, nach rastlosen Jahren in der Zweiten
Bundesliga, in Spanien, Griechenland und Rumänien.
Bei St. Pauli konnte Lienen eins mit sich selbst sein. Mit Stolz trug er
die Jacke, auf deren Rückseite stand: „Kein Fußball den Faschisten“. Er w…
sich aber auch für keinen Quatsch zu schade: Irgendwann vermarktete der
Verein tatsächlich Honig, den auf dem Stadiondach beheimatete Bienenvölker
gesammelt hatten, [2][unter dem Markennamen „Ewald-Bienen-Honig“]. Die Fans
haben Lienen verehrt, wie vor ihm lange keinen Trainer. Lienen, der
Volkstribun, wusste um diese Macht, peitsche das Publikum manchmal ganz
bewusst auf, wenn er das Gefühl hatte, ein bebendes Millerntor könnte
seiner Mannschaft helfen.
## Ewald musste bleiben – egal wie
Deswegen erfanden sie beim FC St. Pauli den [3][Posten des Technischen
Direktors], als sein Co-Trainer ihn als Chef beerbte. Und auch als sich für
solch einen Direktor keine plausible Position im Vereins-Organigramm mehr
fand, war klar: Ewald muss bleiben. Lienen wurde „Werte- und
Markenbotschafter“ des Vereins. Was bei anderen Klubs obszön klänge, ist
bei St. Pauli nur konsequent: Der Verein hat die Verbindung von
gesellschaftspolitischer Haltung und Vermarktung zum Programm erhoben,
vermarktet Anti-Fa-Creme und Regenbogen-Deo. Lienen war der ideale
Repräsentant dieser Strategie in seiner Position irgendwo zwischen
Frühstücksdirektor und Außenminister.
Wobei es ihm für letzteres vielleicht an diplomatischem Geschick mangelt.
Er tingelte über Werbeveranstaltungen, Podien und durchs Fernsehen – und
polterte dort oft mit markigen Worten über den Kapitalismus im Allgemeinen
und den Profifußball im Besonderen. Gegen Fifa und DFB teilte er so aus,
dass die Vereinsoberen das eine oder andere Mal ins Schwitzen gekommen sein
dürften. Unterm Strich überwog aber der Nutzen für den Klub, weshalb
Präsident Oke Göttlich zum Abschied ganz ehrlich sagen kann: „Ich bin
Ewald-Fan.“
Diesen Abschied hat Lienen – natürlich – selbst eingeleitet: Er hat seinen
Vertrag nicht verlängert, geht zurück ins Rheinland, wo er einst mit
Borussia Mönchengladbach seine größten Erfolge als Spieler feierte.
Irritierend, dass er dabei auch von einer Verlagerung seiner „beruflichen
Aktivitäten“ spricht: Der Mann ist 68! Und gibt es überhaupt ein
Berufsleben nach dem FC St. Pauli?
16 Jun 2022
## LINKS
[1] /St-Pauli-schlaegt-Fortuna-Duesseldorf/!5854556
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[3] /Trainerwechsel-beim-FC-St-Pauli/!5412529
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
FC St. Pauli
Ewald Lienen
Fußball
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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