# taz.de -- Absage der Hanau-Gedenkveranstaltung: Symbolisch fatal | |
> Schwer zu ertragende Gleichzeitigkeit: Das Gedenken in Hanau war stark | |
> eingeschränkt. Direkt nebenan herrschte aber dichtes Markttreiben. | |
Bild: Eine von 249 Zugelassenen bei der Gedenkveranstaltung in Hanau | |
Es mag in den Details verständlich sein, warum die für Samstag geplante | |
[1][Gedenkdemonstration in Hanau] abgesagt wurde. Die Corona-Infektionen | |
waren in der Stadt sprunghaft gestiegen, deshalb hatte Bürgermeister | |
[2][Claus Kaminsky] (SPD) die Demo am Vorabend überraschend verboten. Die | |
Entscheidung richtete sich nach dem lokalen Infektionsgeschehen und dem | |
Corona-Eskalationskonzept des Landes Hessen – so weit, so nachvollziehbar. | |
Die Demo, die an den zwei Tatorten vorbeiführen sollte und für die | |
bundesweit mobilisiert wurde, war damit abgeblasen. Damit das Gedenken | |
nicht vollständig ausfallen musste, wurde eine Kundgebung auf dem | |
Freiheitsplatz mit einer Höchstgrenze von 249 Menschen erlaubt. Um den | |
Abstand korrekt einhalten zu können, wurden 249 pinkfarbene Punkte auf den | |
Boden gesprüht. | |
Auf einer symbolischen Ebene war das fatal. Denn vor Ort zeigte sich eine | |
schwer zu ertragende Gleichzeitigkeit: Während sich auf dem nur 350 Meter | |
entfernten Marktplatz Menschen dicht gedrängt, teils ohne Maske, aneinander | |
vorbeischoben, um Käse und Gemüse zu kaufen und in den Nebenstraßen das | |
Shoppingtreiben ungebremst weiterging, standen auf dem Freiheitsplatz | |
Menschen vorbildlich mit Maske und Abstand, um den Familien und | |
Freund*innen der Ermordeten zuzuhören, die um Worte rangen. Die Message: | |
Konsum ja, Gedenken und Aufklärung rechter Gewalt nein. | |
Dieses Bild steht symbolisch für den Umgang Deutschlands mit Rassismus und | |
Rechtsextremismus. Es ist eine schwer zu vermittelnde Prioritätensetzung. | |
Wenn man das Demonstrationsrecht schon einschränkt, wäre es auch angemessen | |
gewesen, den Markt zu verbieten. Sechs Monate nach einem der schwersten | |
rassistischen Anschläge im Nachkriegsdeutschland wurde den unmittelbar | |
Betroffenen zwar das Mindestmaß an öffentlichem Gedenken zugestanden. | |
Aber die bundesweite Bedeutung, die Möglichkeit, ihre Wut, ihre Trauer, | |
ihre politischen Forderungen und Fragen an die Ermittlungsarbeit der | |
Polizei an eine große Öffentlichkeit zu tragen, die über Hanau | |
hinausreicht, wurde den Angehörigen und Unterstützer*innen verwehrt. Und | |
das, obwohl sie gemeinsam mit der Stadt ein ausgefeiltes Hygienekonzept | |
erarbeitet hatten. Dass manche Teilnehmer*innen der Kundgebung das Verbot | |
als politische Entscheidung werteten: Ist es ihnen zu verdenken? | |
Der Infektionsschutz ist ernst zu nehmen, Corona ist ein tödliches Virus. | |
Doch liegt Hanau auch in dem Bundesland, aus dem heraus der NSU 2.0 agiert | |
und in dem Halit Yozgat vom NSU und Walter Lübcke von Stephan Ernst | |
erschossen wurde. Es wäre wünschenswert, wenn die Aufklärung rechter | |
Strukturen, die den [3][Zusammenhalt] des ganzen Landes bedrohen, mit der | |
gleichen Aufmerksamkeit behandelt werden würde wie Corona. Denn Rassismus | |
tötet eben auch. | |
23 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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