# taz.de -- Abriss der East Side Gallery: Überraschung zum Frühstück | |
> An der East Side Gallery sind am Mittwoch vier Teile der Berliner Mauer | |
> entfernt worden. Die Polizei war mit 250 Beamten vor Ort, aber es gab | |
> kaum Proteste. | |
Bild: Kaum Gegenwehr: Polizisten an der East Side Gallery. | |
BERLIN taz | Der Kran legte um kurz nach fünf Uhr am Mittwochmorgen los. | |
Eine halbe Stunde später hatte er die vier Stücke aus der East Side Gallery | |
gehoben, eine sechs Meter lange Lücke geschaffen – und die Debatte um die | |
Zukunft der bemalten Mauerstrecke neu befeuert. | |
Die nun gelösten Mauerteile – bemalt von zwei dänischen Künstlerinnen unter | |
dem Titel „Himlen over Berlin“ – sollten bereits zu Monatsanfang versetzt | |
werden – hunderte Protestierer verhinderte dies. Der Investor Maik Uwe | |
Hinkel will auf dem Gelände hinter der Mauer ein Appartement-Turm bauen, | |
der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eine Brücke über die Spree. | |
Der „Mauerfall“ am Mittwochmorgen platzte nun mitten in Verhandlungen | |
zwischen Hinkel, Senat und Bezirk über einen Kompromiss. Der Regierende | |
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte die Gespräche zur Chefsache | |
erklärt, für den heutigen Mittwoch war eine weitere Runde geplant. | |
Senatssprecher Richard Meng äußerte sich denn auch ungehalten. | |
Offenbar habe Hinkel Fakten schaffen wollen, sagte Meng. Dies zeuge nicht | |
von Kompromissbereitschaft. Hinkel hielt in einer Pressemitteilung dagegen: | |
„Bis heute wurde uns kein Ersatzgrundstück angeboten.“ Auch habe der Bezirk | |
keine neuen Vorschläge unterbreitet, wie sein Baugrundstück ohne Mauerlücke | |
erschlossen werden könne. Deshalb, so Hinkel, habe er aus „rechtlichen und | |
Kostengründen“ nicht länger warten können. Der Investor versprach aber, die | |
Mauerteile nach den Bauarbeiten wieder einzufügen. | |
## Morgendliche Überraschung | |
Am frühen Morgen sammelten sich vereinzelt Demonstranten vor der East Side | |
Gallery. 250 Polizisten schirmten die Arbeiten ab, sperrten den Gehweg mit | |
Gittern ab. „Ein Affront“, schimpft Robert Muschinski von der Initiative | |
„Mediaspree Versenken“. Das rigorose Vorgehen des Investors sei | |
„erschreckend“. | |
Seit Dienstag ist Muschinski Teil einer Dauermahnwache, sitzt in einem | |
Wohnwagen vor der Mauer. Von den frühmorgendlichen Aktion wurde auch er | |
überrascht, der Wagen war noch unbesetzt. „Die Lücke ist absolut | |
überflüssig“, kritisiert Muschinski. „Wowereit hat sein Versprechen | |
gebrochen.“ Auch East Side Gallery-Künstler Kani Alavi eilt fassungslos vor | |
die Mauer. „Das ist beschämend“, wiederholt Alavi immer wieder. „Was soll | |
das? Soll hier einfach nur Stärke demonstriert werden, oder was?“. Alavi | |
schüttelt den Kopf. „Berlin kann nicht mit seiner Geschichte umgehen.“ | |
Die Polizei hält die wenigen Empörten auf Distanz. „Sie haben ihr Recht zu | |
demonstrieren“, sagt ein Sprecher. „Der Bauherr hat aber auch das Recht zu | |
bauen.“ Dass der morgendliche Einsatz kommen würde, sei schon seit Tagen | |
klar gewesen, ergänzt er. Gestern nun habe Hinkel mitgeteilt, die | |
Mauerstücke am Donnerstag entfernt würden. Der Polizeieinsatz ist schnell | |
beendet. Bauarbeiter stellen noch ein hölzerne Bau-Tor in die Lücke, | |
verschließen es mit einer Kette. Dann räumt die Polizei ihre Gitter ab, | |
lässt nur noch einige Mannschaftswagen zurück. | |
Protestierer Muschinski will den Investor nicht in Ruhe lassen. „Jetzt | |
werden wir erst richtig auf die Tube drücken.“ Bereits am morgigen | |
Donnerstag soll demonstriert werden, um 16 Uhr vorm Roten Rathaus. „Jetzt | |
ist Wowereit in der Pflicht“, sagt Muschinski. Ob auch David Hasselhoff | |
wieder mitdemonstriert, ist noch unklar. | |
27 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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