# taz.de -- SPREEUFER: Wowereit verhandelt Mauer weg | |
> Noch vor den erneuten Verhandlungen mit Senat und Bezirk lässt der | |
> Investor einen Teil der East Side Gallery abtragen. Nun beginnt die Suche | |
> nach dem Sündenbock. | |
Bild: Im Rahmen seiner Möglichkeiten: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus… | |
Der Bauarbeiter in Bikerjacke und mit schwarzer „Granate 17“-Mütze auf dem | |
Kopf sieht es locker: „Das Ding sollte doch schon früher weg.“ Schließlich | |
lägen seit Langem Genehmigungen vor. „Mauern haben wir genug rumstehen in | |
Berlin.“ | |
Die Gelassenheit des bulligen Bauarbeiters steht in krassem Gegensatz zu | |
der Aufregung, die an diesem Mittwoch wieder hochkocht in der Stadt. Hat | |
doch im Morgengrauen der „Granate“-Mann mit dafür gesorgt, ein Stück der | |
East Side Gallery abzutragen. Ab fünf Uhr hob ein Kran vier Segmente aus | |
der Mauerstrecke. Die – bemalt von zwei dänischen Künstlerinnen mit einem | |
Brandenburger Tor und geflügelten Hunden – sollten schon zu Monatsbeginn | |
weichen. Aber wegen des spontanen Protests fiel damals nur ein Mauerteil. | |
## Polizei lange informiert | |
Diesmal schlägt die frühe Uhrzeit allen Widerstand. 250 Polizisten hatten | |
den Bürgersteig vorsichtshalber mit Gittern abgesperrt. Aber nur nach und | |
nach kommen vereinzelt Empörte. Nach einer halben Stunde klafft in der | |
Mauer eine sechs Meter breite Lücke, Bauarbeiter stellen ein hölzernes | |
Bautor hinein, verschließen es mit einer Kette. | |
Schon seit vergangener Woche war die Polizei informiert, dass es zu einem | |
morgendlichen Einsatz kommen werde, sagt ein Polizeisprecher. Am Vortag | |
seien die Beamten um Unterstützung gebeten worden. Dienstherr der Polizei | |
ist der Innensenator – schwer vorstellbar also, dass der Senat nicht schon | |
am Dienstag wusste, dass das Mauermoratorium des Immobilieninvestors Uwe | |
Hinkel enden würde – noch vor der Fortsetzung der Kompromissverhandlungen | |
zwischen Hinkel, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und | |
Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) am | |
Mittwochnachmittag. | |
Von einem „Affront“ sprachen Wowereit und Schulz unisono. „Am Tag eines | |
Gesprächs einen Teil der Mauer abzureißen ist garantiert der falsche | |
Zeitpunkt“, sagte Wowereit. Derweil teilte CDU-Fraktionschef Florian Graf | |
gegen den Koalitionspartner SPD aus. Wowereit müsse mit Schulz eine | |
Einigung herbeiführen und sich in den Gesprächen „besonders engagieren“. | |
Die Opposition wiederum kritisierte den Investor: Er brüskiere alle | |
Beteiligten, schimpfte die Linke, er suche per „Nacht-und-Nebel-Aktion“ | |
aktiv den Konflikt, klagten die Piraten. | |
Hinkel, der auf dem Gelände hinter der East Side Gallery einen | |
Apartmentturm bauen will, schob den Schwarzen Peter zurück zum Senat. Er | |
habe bisher kein Angebot für ein Ersatzgrundstück vorliegen. Die von | |
Wowereit favorisierte alternative Erschließung der Grundstücke sei nicht | |
brauchbar. Er sei zwar weiter verhandlungsbereit, habe aber aus | |
„rechtlichen und Kostengründen“ jetzt nicht länger warten können, durch … | |
Mauerversetzung eine nötige provisorische Baustellenzufahrt zu schaffen. | |
Nach den Arbeiten würden die Mauerstücke wieder eingesetzt. Genau das, von | |
Hinkel längst verkündet, verkaufte Wowereit später als Ergebnis des | |
Gesprächs. | |
Ein Tauschgrundstück, so Wowereit, sei „keine realistische Variante mehr“, | |
dem Land drohten sonst Kosten in zweistelliger Millionenhöhe. Es bleibe | |
beim alten Kompromiss: Hinkels Haus und der nebenan von anderen Investoren | |
geplante Gebäuderiegel sollen über eine gemeinsame Zufahrt erreichbar sein, | |
ein neues Loch in der East Side Gallery erübrige sich. Über dafür nötige | |
Baurechtsänderungen werde am 24. April die Bezirksverordnetenversammlung | |
des Bezirks befinden. Darauf darf man gespannt sein, denn dort hatte sich | |
eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten erst letzte Woche | |
gegen jede weitere Bebauung des ehemaligen Todesstreifens ausgesprochen. | |
Ganz so, wie es der erfolgreiche Mediaspree-Bürgerentscheid von 2008 | |
vorsieht. | |
Dessen einstige wie heutige Unterstützer wollen ihren Protest fortsetzen. | |
Vor dem Roten Rathaus haben sie für Donnerstagnachmittag eine Demonstration | |
angemeldet, im Internet kündigten innerhalb weniger Stunden knapp 1.000 | |
Menschen ihr Kommen an. Via Twitter starteten Nutzer einen Shitstorm: „Herr | |
Wowereit, wir sind enttäuscht! Drei Viertel aller Berliner wollen die East | |
Side Gallery retten. Und Sie schauen zu!“, hieß es in zahlreichen an den | |
Account der Berliner SPD gerichteten Tweets. | |
In einer ersten Version dieses Artikel hieß es, das abgebaggerte Mauerstück | |
zeige das Brandenburger Tor und geflügelte Pferde. In den Kommentaren wies | |
André Franke zurecht darauf hin, dass es sich um Hunde statt Pferde | |
handelt. Wir danken für den Hinweis und bitten, den Fehler zu | |
entschuldigen. | |
27 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Sebastian Puschner | |
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Monika Grütters | |
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