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# taz.de -- 1. FC Union Berlin in der Krise: Voll daneben
> Union Berlin setzt auch beim Heimdebüt von Steffen Baumgart seine
> Negativserie fort. Der Trainer ruft umgehend den Abstiegskampf aus.
Bild: Energiebündel am Seitenrand: Trainer Steffen Baumgart hat seinen Spieler…
„Direkt?“ erkundigte sich Rani Khedira etwas verblüfft. Die Nachfrage wurde
bestätigt. Sein sofortiges Erscheinen in der Mannschaftskabine war nach der
0:2-Niederlage gegen den FC Augsburg erwünscht. So verließ er die
Interviewzone und seine Gesprächspartner und klackerte auf seinen
Stollenschuhen davon.
[1][Steffen Baumgart] wollte keine unnötige Zeit verstreichen lassen und
unmittelbar nach seinem misslungenen Heimdebüt sogleich den Notstand
ausrufen. Befragt nach dem Inhalt seiner Ansprache erklärte er später: „Die
Kernbotschaft war, dass wir uns in eine Situation hineinmanövriert haben,
die wir nicht wollten. Wir sind im Abstiegskampf, das muss jedem bewusst
und klar sein.“
Die harte Aktualität hatte mit voller Wucht am Abend der Rückkehr des
einstigen Union-Publikumsliebling ihren Platz eingefordert. An gefühliges
Erinnern, wie Baumgart einst in seinen besten Jahren die Zuschauer an der
Alten Försterei mit seinen Toren verzückte, war gar nicht zu denken.
Dass Union nur noch so selten trifft (14 Tore in 17 Spielen), ist seit
Längerem schon das großes Thema in Köpenick. Mit der Verpflichtung von
Baumgart kurz vor dem Jahreswechsel, der sich auf der Trainerbank als
Anwalt des Offensivfußballs einen Namen gemacht hat, hofften die
Vereinsverantwortlichen auf neue Impulse.
## Nur zwei Schüsse aufs Tor
Mehr Präzision forderte der 53-Jährige ein und verwies auf die
Spielstatistik vom Mittwochabend. Von den 13 Abschlüssen seien nur zwei
überhaupt aufs Tor gekommen.
Ebenso misslich ist jedoch, dass die Berliner mittlerweile ihren
ureigentlichen Markenkern, die unerbittliche Verteidigungsarbeit,
beschädigen. Zweimal kombinierten sich die Gäste, die bis dahin nicht eine
Auswärtspartie in dieser Saison für sich entscheiden konnten, so einfach
durch wie bei einem Spaßkick im Park. Weil Alexis Claude-Maurice jeweils
(9. und 30. Minute) frei zum Abschluss kam, lag Union schon früh zurück.
Danach drängte sich der Eindruck auf, die so Vorgeführten hätten gegen das
Augsburger Versprechen, auf weitere Tore zu verzichten, bereits eine
Kapitulationserklärung unterzeichnet.
Erst in der zweiten Hälfte brachten sie mehr Widerstandskraft auf, die
Ausbeute blieb mau. Lediglich ein Schuss von Jordan Siebatcheu touchierte
die Latte (46.).
Während Steffen Baumgart in seiner typischen Beobachterhaltung, breitbeinig
und nach vorn gebeugt, mit jeder Körperfaser jeden Spielzug durchlebte,
schienen seine Spieler neben sich zu stehen. Benedict Hollerbach berichtete
von der Forderung aus Baumgarts Kabinenpredigt, die Spieler müssten mehr an
die Leistungsgrenze gehen. Ein nicht gerade schmeichelhaftes Zeugnis.
## Gestiegene Anspruchshaltung
Union Berlin muss sich nach elf sieglosen Pflichtspielen in Serie offenbar
erst wieder die Grundlagen für den Abstiegskampf draufschaffen. Baumgart
selbst gestand ein, dass auch er bei seinem Amtsantritt vor Jahresbeginn
andere Vorstellungen hatte.
Damals betrug der Abstand zu einem Abstiegsplatz noch sieben Punkte. Dass
sein Vorgänger Bo Svensson nach nur einem halben Jahr trotz guten
Saisonbeginns in dieser Situation den Klub verlassen musste, erzählt etwas
über die gestiegene Anspruchshaltung im Verein – [2][dem Abstiegskampf der
vergangenen Saison zum Trotz]. Nach der Entlassung von Kulttrainer Urs
Fischer, der den Klub bis in die Champions League geführt hatte, haben die
Trainer bei Union keinen großen Kreditrahmen mehr.
Steffen Baumgart mit seinem schier unerschöpflichen Energiehaushalt und
Union-Wurzeln weckt bei den Verantwortlichen gewiss die Fantasie, nicht nur
etwas für den nötigen sportlichen Schwung, sondern auch etwas für die
eigene Vereinsseelenmassage getan zu haben. Unterschätzt hat man dabei
vielleicht, dass das eh verunsicherte Team etwas Zeit benötigt, um sich an
dessen anderes Spielsystem mit Viererkette in der Abwehr umzustellen und
Abläufe zu automatisieren. Wobei Baumgart sich ausdrücklich am Mittwoch
dagegen wehrte, wegen der Gegentore die Systemfrage zu stellen. Davor,
argumentierte er, habe Union mit Dreier- und Fünferkette unnötige Treffer
kassiert.
Auf drei Punkte ist nun der Abstand auf die Abstiegsränge
zusammengeschrumpft. Sollte das DFB-Gerichtsurteil Bestand haben und der
Punktgewinn gegen Bochum [3][wegen des Feuerzeugwurfs] auch nach dem
Einspruch von Union aberkannt werden, ist die Lage noch prekärer. Union
macht derzeit auf allen Ebenen keine gute Figur.
Baumgart verbreitete Zuversicht auf Besserung für den nächsten Sonntag,
wenn Mainz in Berlin zu Gast ist: „Der Gegner hat uns vorgemacht, wie man
Serien beenden kann.“ Wie hilfreich dabei sein Team war, verschwieg er an
dieser Stelle. So war die Niederlage doch noch zu etwas gut.
16 Jan 2025
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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