| # taz.de -- Debatte Vermögensabgabe: Geld ist genug da! | |
| > Mehr als drei Millionen Millionäre leben in Europa. Sie gehören zum Abbau | |
| > von Staatsschulden herangezogen – die Schulden sind das Ergebnis einer | |
| > schamlosen Reichenpflege. | |
| Bild: Bei entsprechender Gestaltung könnten mit einer Vermögensabgabe bis zu … | |
| Europa ist so reich wie noch nie. Zwischen Monaco und Mailand leben heute | |
| 3,2 Millionen Millionäre. Der private Reichtum Westeuropas umfasst 27 | |
| Billionen Euro. Die deutschen Reichen sitzen auf einem 7,2 Billionen Euro | |
| hohen Vermögensberg – Sach- und Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten. | |
| Dieses Vermögen ist dreimal so groß wie das teutonische Sozialprodukt. In | |
| Frankreich, Italien und Spanien umfasst der private Reichtum sogar das | |
| Fünf- bis Siebenfache der jährlich produzierten Waren und Dienstleistungen. | |
| Von Madrid bis Athen konzentriert sich immer mehr Vermögen in immer weniger | |
| Händen. Hierzulande besitzt das reichste Prozent mehr als ein Drittel des | |
| gesamten Nettovermögens. Die reichsten zehn Prozent halten zwei Drittel. | |
| Während wenige immer reicher werden, bluten die Staaten aus. Die | |
| europäischen Kassenwarte stehen mit über 10 Billionen Euro in der Kreide. | |
| Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen steigenden Privatvermögen und | |
| wachsenden Staatsschulden. In der großen Finanzmarktkrise 2008 rettete der | |
| Staat die Banken vor dem Untergang. Durch milliardenschwere Finanzhilfen | |
| und staatliche Garantien wurden die Vermögensbesitzer vor großen Verlusten | |
| geschützt. | |
| Der staatliche Rettungseinsatz ließ die Staatsverschuldung explodieren. Die | |
| Schuldenquote des Eurolands kletterte krisenbedingt von rund 66 Prozent auf | |
| über 85 Prozent. Allein die deutschen Staatsschulden stiegen um 400 | |
| Milliarden Euro. Drei Viertel davon sind Kosten der Bankenrettung. | |
| Europaweit beläuft sich die Zeche der Bankenrettung auf rund 1,6 Billionen | |
| Euro. Die Zinsen, die europäische Kassenwarte für die Rettung auf Pump | |
| bezahlen, kassieren Finanzinstitute und Vermögensbesitzer, die in der Krise | |
| gerettet wurden. | |
| ## Schrumpfendes Gemeinwohl, wachsende Vermögen | |
| Doch damit nicht genug. Seit der Jahrtausendwende beglückte die Politik die | |
| Reichen mit üppigen Steuergeschenken. Dadurch wuchs der öffentliche | |
| Schuldenberg um rund 380 Milliarden Euro. Das entspricht fast der Hälfte | |
| der gesamten Neuverschuldung des letzten Jahrzehnts. | |
| Kurzum: Der Anstieg der Staatsverschuldung ist nicht das Ergebnis laxer | |
| Haushaltspolitik, sondern Folge einer schamlosen politischen | |
| Reichtumspflege und der großen Finanzmarktkrise. Das Gemeinwohl schrumpfte | |
| zugunsten steigender Vermögen. Und jetzt sollen die Schuldenberge dadurch | |
| abgetragen werden, dass abhängig Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose den | |
| Gürtel enger schnallen. Damit muss endlich Schluss sein. Die Schuldenfrage | |
| ist eine Verteilungsfrage. Der private Reichtum muss jetzt zum Abbau der | |
| Staatsschulden herangezogen werden. | |
| In den letzten Wochen wurde in diesem Zusammenhang verstärkt über das | |
| Instrument einer Vermögensabgabe diskutiert. Das ist gut so. Eine einmalige | |
| Vermögensabgabe auf Geld-, Immobilien- und Betriebsvermögen könnte einen | |
| wichtigen Beitrag leisten, um den milliardenschweren Schaden der | |
| Finanzmarktkrise zu beheben. Historisches Vorbild ist der Lastenausgleich | |
| nach Gründung der Bundesrepublik. | |
| Bei entsprechender Gestaltung – Freibeträge, Bemessungsgrundlage, | |
| Steuersatz – könnte hierzulande über einen Zeitraum von zehn Jahren ein | |
| Aufkommen von mindestens 300 Milliarden Euro erzielt werden. Durch diese | |
| Einnahmen könnte der öffentliche Schuldenberg schrumpfen. Darüber hinaus | |
| ließen sich dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit, | |
| Klimaschutz und Infrastruktur finanzieren. | |
| Ein progressiver Tarifverlauf, hohe Freibeträge und anrechenbare | |
| Privatschulden würden die Belastung auf die Wohlhabenden konzentrieren. | |
| Eine Vermögensabgabe ist wirtschaftlich unbedenklich. Sie betrifft | |
| überwiegend leistungslose Einkommen und ist daher keinesfalls | |
| leistungsfeindlich. Auch der Konsum kommt nicht unter die Räder, da die | |
| Reichen viel sparen. Viele kleine und mittlere Betriebe sind von der Abgabe | |
| überhaupt nicht betroffen, da ihr Betriebsvermögen zu gering ist. | |
| Eine Vermögensabgabe beseitigt natürlich nicht auf einen Schlag die große | |
| Verteilungsschieflage. Im Gegensatz zur Reichensteuer geht es aber bei 300 | |
| Milliarden Euro nicht nur um Symbolik. Klar ist aber auch: Die Abgabe | |
| ersetzt weder eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt noch eine gute | |
| Tarifpolitik noch eine verteilungsgerechte Steuerpolitik. Sie ist lediglich | |
| Teil eines Gesamtkonzeptes. | |
| ## Sparpolitik delegitimieren | |
| Eine Vermögensabgabe kann eine wichtige Rolle in der Mobilisierung für | |
| einen verteilungspolitischen Kurswechsel in Deutschland und Europa spielen. | |
| In den nächsten Monaten wird die wirtschaftliche Krise unserer europäischen | |
| Nachbarn auch zu unserer Krise. Sobald die Steuereinnahmen nicht mehr | |
| sprudeln, stehen in Bund, Ländern und Kommunen neue Kürzungspläne auf der | |
| Tagesordnung. Die dann anstehenden Gebührenerhöhungen, Theaterschließungen | |
| und verschlechterten Unterrichtsbedingungen treffen breite | |
| Bevölkerungsschichten. Die Schulden- und Verteilungsfrage wird ein | |
| zentrales Thema der nächsten Bundestagswahl. | |
| Die vermeintlich alternativlose Kürzungspolitik stützt sich auf das Märchen | |
| von der Staatsschuldenkrise. Die Debatte über eine Vermögensabgabe lenkt | |
| den Blick auf Umfang und Ursachen des privaten Reichtums. Unter dem Motto | |
| „Geld ist genug da“, kann der drohende Sozialabbau erfolgreich | |
| delegitimiert werden. Zudem wird deutlich, dass es eine sozial gerechte | |
| Alternative zur ausgabeseitigen Haushaltskonsolidierung gibt. | |
| Im politischen Berlin ist eine solche Debatte anschlussfähig an die | |
| Programmatik der Oppositionsparteien. Der Widerstand kommt von | |
| gesellschaftlichen Akteuren wie Banken, Vermögensverwalter oder FDP, deren | |
| Glaubwürdigkeit durch die große Krise stark gelitten hat. Das nutzt dem | |
| Anliegen mehr, als es ihm schadet. | |
| Die Gewerkschaften werden in den nächsten Monaten gemeinsam mit Wohlfahrts- | |
| und Umweltverbänden sowie sozialen Bewegungen im Bündnis „Umfairteilen“ d… | |
| Mittel einer gerechten Verteilungspolitik popularisieren. Am 29. September | |
| findet ein erster bundesweiter Aktionstag statt. | |
| 30 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Dierk Hirschel | |
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