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# taz.de -- Warnstreik in Berlin: Ohne sie kein Staat
> Tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst streiken vor dem
> Abgeordnetenhaus. Sie protestieren für höheren Lohn und gegen die
> geplanten Kürzungen.
Bild: Auch Erzieher*innen an Berliner Kitas beteiligten sich am Streik
Tausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes legten am Donnerstag ihre
Arbeit nieder, um sich vor dem Abgeordnetenhaus zum Streik zu versammeln
und bessere Arbeitsbedingungen einzufordern. Die Organisator*innen
des Streiks, darunter die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),
die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und die Gewerkschaft der
Polizei (GdP), sprechen von etwa sechstausend Menschen.
Anlass für den Warnstreik sind die am 3. Dezember gestarteten Verhandlungen
über den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Während im April die Beschäftigten
des Bundes und der Kommunen im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
(TVÖD) eine Lohnsteigerung von 3 Prozent erkämpften, sind nun die
Beschäftigten der Länder an der Reihe. Nachdem aber „die Gewerkschaften
ihre Forderungen präsentierten, kam von Arbeitgeberseite kein Angebot“,
heißt es von der GEW – also wurde zum Streik aufgerufen.
Die Gewerkschaften waren in den TVÖD-Verhandlungen Anfang des Jahres mit
einer Forderung von 8 Prozent Lohnsteigerung pro Jahr gegangen. [1][Der
Abschluss mit gerade einmal 3 Prozent war für viele Beschäftigte
enttäuschend] und setzt zudem die Latte für die laufenden Verhandlungen
eher niedrig. Nach dem TV-L bezahlt werden in Berlin nicht nur rund 56.000
Beamte, sondern auch über 70.000 Tarifbeschäftigte, darunter Lehrer*innen,
Polizist*innen, Erzieher*innen in Kindertagesstätten und
Hochschulmitarbeiter*innen.
Einer angehenden Lehrerin, die während des Streiks auf der Bühne sprach,
ging es jedoch um mehr als nur einen höheren Lohn: „Die geplanten Kürzungen
führen zu größerer Ausbeutung der in der Bildung Beschäftigten“, warnte
sie. Es brauche „mehr Lehrkäfte, kleinere Klassen, auch mehr
Sozialarbeiter*innen und pychologische Fachkräfte“ an den Schulen.
## Streik auch gegen die schwarz-roten Kürzungen
Die Gewerkschaften fordern für den Tarifvertrag unter anderem eine
Lohnerhöhung von 7 Prozent für den TV-L – mindestens aber 300 Euro
monatlich – bei einer Laufzeit von 12 Monaten und ein Lohnplus von 200 Euro
monatlich für Auszubildende. Die Arbeitgeberseite, die aus
Vertreter*innen aller Bundesländer außer Hessen besteht, bezeichnete
die Forderungen als „astronomisch“.
„Studentische Hilfskräfte sind immer noch von der größten Tariflücke im
öffentlichen Dienst betroffen“, beklagte der Redner Till, selbst als
studentischer Mitarbeiter beschäftigt, auf der Streikkundgebung. In Berlin
gibt es solche Tarifverträge zwar bereits, das Land ist damit aber die
einzige Ausnahme unter den Bundesländern. Er forderte: „Bundesweit brauchen
wir einheitliche Verträge. 17 Euro die Stunde, 24 Monate Laufzeit für alle
studentischen Beschäftigten!“
Dass sich die Streikenden gerade vor dem Abgeordnetenhaus zur Kundgebund
trafen, ist kein Zufall. [2][Am Donnerstag wurde im Berliner Parlament über
den Doppelhaushalt der schwarz-roten Koalition für die Jahre 2026/27
abgestimmt.] Auch die darin vorgesehenen Kürzungen waren Ziel des Protests
der Streikenden.
Die Verhandlungen zu den Tarifverträgen fänden also nicht im Vakuum statt,
betonte auch Till in seinem Redebeitrag: „Sie finden statt, während im
Abgeordnetenhaus gerade massive Kürzungen beschlossen werden.“ Während
Miliardäre immer reicher würden und weiter aufgerüstet werde, werde der
öffentliche Dienst missachtet, kritisierte er.
## Kahlschlag betrifft auch Freie Träger und Studis
Beschäftigte der Freien Träger, von denen es in Berlin über 100.000 gibt
und deren Bezahlung sich ebenfalls nach dem TV-L orientiert, fordern
derweil die Hauptstadtzulage, die ihren Kolleg*innen im öffentlichen
Dienst bereits zugestanden wird. Obwohl der Senat den Freien Trägern
bereits eine Finanzierung des Bonus zusicherte, wurde die Zusage im Rahmen
der Kürzungen wieder kassiert.
„Nicht nur bekommen wir keinen Haupstadtzuschlag, wir verdienen auch
regulär im Schnitt 20 Prozent weniger als Beschäftigte im öffentlichen
Dienst“, beklagte die für einen Freien Träger in einem Behindertenwohnheim
arbeitende Malina auf dem Streik. Durch mangelnde Finanzierung seien auch
die Aufnahmekapazitäten für Behinderte zu gering, sie würden oft
verzweifelt nach einem Wohnheim suchen, das sie aufnehmen könne, fügte sie
hinzu.
Der Student Noah nutzte seine Redezeit für einen Rundumschlag gegen die
Berlner Regierungskoalition: „Eher glauben die Berliner Studis an den
Weihnachtsmann als daran, dass CDU oder SPD ihnen auch nur irgendwie helfen
wollen“, sagte er. Weiter kritisierte er den Zustand an den Universitäten.
Die Gebäude seien marode, die Technik kaputt. [3][Die geplanten Kürzungen]
würden, befürchtet er, zu Defiziten im Kultur- und Gesundheitssektor
führen, weil künftig weniger Fachkräfte ausgebildet werden könnten.
## Gericht entscheidet für Hochschulbeschäftigte
Auch wenn die Tarifverhandlungen aufgrund der knappen Kassen hart werden
dürften, allzu viel Sprengstoff bietet die Tarifrunde letztlich nicht. Die
zu erwartenden Tarifsteigerungen sind bereits im Haushalt eingeplant. Ein
weiteres Auseinanderklaffen von TVÖD und TV-L, letztendlich alles
Beschäftigte im öffentlichen Dienst, ist auch nicht im Interesse der
Länder. Nicht zuletzt hat der magere TVÖD-Abschluss gezeigt, dass die
Gewerkschaften eher klein beigeben als zu eskalieren.
Einen ersten Erfolg konnten die Beschäftigten der Freien Universität und
der Humboldt-Universität schon am Mittwoch verbuchen: Das Arbeitsgericht
Berlin entschied, dass ihnen die Hauptstadtzulage ebenso zusteht wie allen
anderen beim Land Beschäftigten. Der monatliche 150 Euro Bonus ist seit
2023 tariflich im TV-L festgelegt. Da die HU- und FU-Mitarbeiter:innen nur
angelehnt und nicht direkt nach TV-L bezahlt werden, erhielten sie den
Bonus bislang nicht.
„Die Einzigen, die jetzt überrascht sind, sitzen im Senat. Es gibt keine
Strategie und keine Vorsorge, obwohl man mit diesem Urteil rechnen musste.
Die Beschäftigten der Hochschulen haben angesichts von Preissteigerungen
und Mietenexplosion, gegen die der Senat kaum etwas unternimmt, diese
Zulage mehr als verdient. Der Senat muss schnell Rechtssicherheit für
weitere Bereiche, etwa in Kultur und Trägerlandschaft schaffen“,
kommentierte die Linken-Abgeordnete Hendrikje Klein.
18 Dec 2025
## LINKS
[1] /Tarifeinigung-oeffentlicher-Dienst/!6077517
[2] /Berliner-Landeshaushalt/!6139256
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## AUTOREN
Anselm Mathieu
Jonas Wahmkow
## TAGS
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