| # taz.de -- Prozess gegen Antifaschisten in Berlin: „Sie wären verstorben“ | |
| > Zwei Antifaschisten sollen in Berlin einem Neonazi aufgelauert haben, am | |
| > Ende sind alle mit Messerstichen verletzt. Im Prozess zeigt sich, wie | |
| > gefährlich das war. | |
| Bild: Ein Blutspur zog sich durch Pankow | |
| Zum Prozessbeginn hatten die angeklagten Antifaschisten, Kolja B. und | |
| Konrad E., noch ausgesagt, seitdem aber schwiegen sie. Am Montag aber | |
| machen die beiden nochmal eine Ausnahme. Da wenden sie sich direkt an einen | |
| Polizisten, der im Prozess als Zeuge aussagte. Sie wollten sich bei ihm | |
| bedanken, dass er ihnen damals, am 18. April 2024, wohl das Leben rettete. | |
| Der Beamte nickt. „Bitte sehr.“ Für den 52-Jährigen war die Hilfe wohl ei… | |
| Selbstverständlichkeit. | |
| Tatsächlich wären die beiden Antifaschisten damals ohne die Hilfe des | |
| Polizisten wohl verblutet. Laut Anklage sollen die beiden mit einem bis | |
| heute flüchtigen Mitstreiter, in Berlin-Pankow den Aktivisten der | |
| Neonazi-Partei III. Weg, Leander S., im Hausflur von dessen Mietshaus | |
| aufgelauert und angegriffen haben. Dann zückte der Rechtsextreme ein | |
| Messer, [1][wie er zu Prozessbeginn auch einräumte]. Am Ende waren die | |
| beiden Antifaschisten mit Stichverletzungen schwer verletzt, ebenso aber | |
| auch Leander S. | |
| Angeklagt in dem Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten sind jedoch nur die | |
| beiden Antifaschisten, wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Anklage | |
| wirft ihnen vor, das Messer mitgebracht und gegen Leander S. eingesetzt zu | |
| haben. Eine [2][taz-Recherche hatte aber zuvor bereits nahegelegt], dass | |
| Leander S. es war, der zustach – was dieser letztlich auch gestand. | |
| Die beiden Linken hatten zu Prozessbeginn erklärt, sie hätten Leander S. – | |
| nach einer Reihe von rechtsextremen Angriffen des III. Wegs auf Personen in | |
| ihrem Umfeld – eine Ansage machen wollen, dass er aufhören soll. Ein Messer | |
| hätten sie aber nicht dabei gehabt und auch ein mitgebrachter Hammer sollte | |
| nur Drohkulisse sein. Nach den erlittenen Messerstichen hatten sich Kolja | |
| B. und Konrad E. noch auf eine nahegelegene Brücke geflüchtet und waren | |
| dort zusammengebrochen. | |
| ## Neonazi hat wohl wild um sich gestochen | |
| Der Polizist, der in der Tatnacht dort als erster auf die beiden Linken | |
| traf, schilderte, wie ihn ein Radfahrer herangewunken habe. Er habe den | |
| Männern, die in ihrem Blut lagen, dann mehrere Druckverbände angelegt. Nur | |
| noch Konrad E. hätte seinen Namen sagen können, Kolja B. sei schon nicht | |
| mehr ansprechbar gewesen. „Wäre das ohne Beobachtung geschehen, wären die | |
| beiden wahrscheinlich verstorben“, so der Beamte. | |
| Ein medizinischer Gutachter schilderte am Montag, wie schwer die | |
| Verletzungen waren. Kolja B. habe einen vier bis fünf Zentimeter tiefen | |
| Stich in die Brust erlitten, habe dort aus einem Muskel geblutet, die Lunge | |
| sei knapp verfehlt worden. Am Oberschenkel habe er einen 15 Zentimeter | |
| langen, tiefen Schnitt mit „gravierendem“ Blutverlust erlitten. Auch Konrad | |
| E. habe zwei Stichverletzungen am Oberschenkel davongetragen und einen | |
| Durchstich in der Hand. Der Neonazi Leander S. wiederum habe eine 12 | |
| Zentimeter lange Schnittverletzung am Unterschenkel erlitten, zudem eine | |
| Wunde am Hinterkopf und am Handrücken. | |
| Die Antifaschisten hatten ausgesagt, sie könnten sich die Verletzung von | |
| Leander S. nur so erklären, dass dieser sich im Handgemenge selbst verletzt | |
| habe. Leander S. hatte eingeräumt, ob des Angriffs „wild“ um sich gestochen | |
| zu haben. Der Gutachter sagte, für eine Selbstverletzung läge die Wade | |
| „sehr weit unten“, aber es sei auch nicht auszuschließen. | |
| Wolfram Nahrath, Anwalt des als Nebenkläger zugelassenen Leander S. und | |
| selbst Rechtsextremist, interessierte sich am Montag derweil vor allem für | |
| die Lebensläufe der Angeklagten und benannte vor Gericht deren Arbeitgeber, | |
| einen Sozialträger und eine Gedenkstätte. Der Sozialträger erklärte auf | |
| taz-Anfrage, ihm seien die Vorwürfe gegen ihren Mitarbeiter bis dahin nicht | |
| bekannt gewesen und sie hätten den Angeklagten mit sofortiger Wirkung | |
| freigestellt. Politische Neutralität und Gewaltfreiheit sei ein | |
| Grundprinzip ihrer Arbeit. | |
| Den Prozess selbst verfolgten am Montag erneut Führungsfiguren des III. | |
| Wegs. Zugleich solidarisierten sich Antifaschist*innen mit einer | |
| Kundgebung vor dem Gericht mit den Angeklagten. Eigentlich sollte der | |
| Prozess bereits am Montag zu Ende gehen. Weil unter anderem noch eine | |
| weitere Zeugin gehört werden soll, verzögerte sich dies. Das Urteil soll | |
| nun am 12. Januar fallen. | |
| 15 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Prozess-gegen-Antifaschisten-in-Berlin/!6136446 | |
| [2] /Voreingenommene-Ermittlungen/!6119165 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Antifa | |
| Linksextremismus | |
| Rechtsextremismus | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| Der III. Weg | |
| Antifa Ost | |
| Der III. Weg | |
| Lina E. | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Aktivistinnen zu US-Terrorvorwurf: „Die Antifa Ost gibt es gar nicht“ | |
| Die USA haben die Antifa-Ost als Terrorgruppe eingestuft. In Deutschland | |
| gehe die Entwicklung in die gleiche Richtung, klagen zwei | |
| Unterstützerinnen. | |
| Prozess gegen Antifaschisten in Berlin: Es war der Neonazi, der zustach | |
| Zwei Antifas sollen auf einen Nazi eingestochen haben, sagt die | |
| Staatsanwaltschaft. Im Saal bestätigt sich eine taz-Recherche, die bereits | |
| zuvor das Gegenteil zeigte. | |
| Voreingenommene Ermittlungen?: Bis aufs Messer | |
| Ein Neonazi, zwei Antifas, drei Schwerverletzte. Bald stehen die beiden | |
| Linken vor Gericht, dabei gibt es noch eine Version jenes Abends im April | |
| 2024. |