Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jane Austen und die Vernunftheirat: Der Segen der Ehe
> In den Romanen Jane Austens reichen sich Vernunft- und Liebesheirat
> praktischerweise die Hand. Klasse hatte die Autorin nur eingeschränkt im
> Blick.
Bild: Jane Austen konnte nur heimlich schreiben, obwohl sie unverheiratet war
Als Harriet Beecher Stowe 1852 die Frechheit beging, ihren heute zum
Klassiker gewordenen Roman „Onkel Toms Hütte“ zu veröffentlichen, hatte s…
sich ein Vorrecht verspielt; als Lady behandelt zu werden. Denn, wie ein
empörter Rezensent festhielt, hatte sich die Autorin eindeutig in Dinge
eingemischt, die sie nichts angingen. Ihr Buch sollte erheblichen Einfluss
auf die Debatte um Sklaverei in den USA ausüben.
Frauen, so die herrschende Meinung, hatten Anstandsromane zu schreiben,
Kinderbücher oder höchstens erbauliche Familienromane. Briefe, das ging
auch immer, denn die konnte man getrost im heimeligen Kreis der Familie
verfassen, schrieb Virginia Woolf noch 1929, in einer Schrift, die die
Forderung einer schreibenden Frau schon im Titel trug: „Ein eigenes
Zimmer“. Jane Austen kannte solche Privatsphäre nicht. Sie verfasste ihre
Romane heimlich am Wohnzimmertisch, so Woolf: Wenn Bedienstete
vorbeigingen, bedeckte Austen das Geschriebene vorsorglich mit einem Blatt
Löschpapier.
Am besten schrieben die Frauen des 19. und ausgehenden 18. Jahrhunderts
jedoch gar nicht, sondern erfüllten ihre häuslichen Pflichten. Tatsächlich
spielte die schreibende Frau eine Nebenrolle auch in Prostitutionsdebatten
der Zeit; verkaufte die „Dirne“ ihren Körper, die Schauspielerin nicht ihr
Gesicht und die Schriftstellerin ihren Geist? Dass so einige der Autorinnen
daher unter Pseudonym veröffentlichten, leuchtet ein. Auch Jane Austen
zeichnete ihr Debüt „Verstand und Gefühl“ bloß „by a lady“.
Ob es sich bei Austens Romanen, die Einblicke geben in das Leben
unverheirateter Frauen, um Familienromane handelt, das darf bezweifelt
werden. Die Nöte der unmündigen Frau im prä-viktorianischen England
schildert sie eindrücklich. Die Ehe war praktisch der einzige Weg, dem
gleichförmigen Leben als ewige Jungfrau im Haus der Eltern zu entgehen, und
war überlebenswichtig, das weitere Auskommen zu sichern, sollte der Vater
in finanziellen Dingen kein glückliches Händchen besessen haben.
Verhandlungsgeschick war gefragt – oder Betrug. Austens „Lady Susan“
beweist das etwa nachdrücklich, die, eher ungeeignet zur Mutter, wenig Lust
dazu verspürt, Zeit mit der eigenen Tochter zu verbringen und sich auf der
Suche nach einer guten Partie nur zu gern selbst den Vortritt lässt.
Moralisch, so fasst es die Literaturwissenschaftlerin Lisa Hopkins
zusammen, ist es bei Austen falsch, wegen des Geldes zu heiraten. Es ganz
aus dem Spiel zu lassen, sei jedoch ebenso albern.
## In Wohlgefallen aufgelöst
Doch glücklicherweise löst sich in den Romanen und Erzählungen Austens
ohnehin meist alles in Wohlgefallen auf. Lady Susans bemitleidenswerte
Tochter etwa kommt ihrem geliebten (und wohlhabenden) Reginald De Courcy
doch noch näher, nachdem der die Manöver seiner Schwiegermutter in spe
durchschaut. [1][Die arme Elizabeth Bennet] schwärmt schließlich
praktischerweise für den 10.000 Pfund schweren Mr. Darcy. Und [2][auch der
zu Geld gekommene Angebetete Anne Elliots] will die schon fast zum alten
Eisen zählende 27-Jährige noch, obwohl die ihn einst wegen zu geringen
Einkommens verschmähte.
Die strukturellen Probleme, mit denen sich Frauen der Zeit konfrontiert
sahen, geraten angesichts des in Aussicht stehenden Happy Ends in Somerset,
London oder Bath etwas in den Hintergrund. Und sowieso: Von Schicksalen aus
der Unter- und Mittelschicht weiß Jane Austen nicht zu berichten. Sehr
wohlhabend ist sie zwar nicht aufgewachsen, doch zur höheren Gesellschaft
zählten die Austens dennoch. Und: Bildung erhielt die junge Jane umfassend.
Anders ihre Zeitgenossin [3][Mary Wollstonecraft.] Aufgewachsen als Kind
eines gewalttätigen Vaters, der die Familie nach dem Tod der Mutter
verließ, lebte sie in Armut, musste stets arbeiten, um auch die Geschwister
zu ernähren. Als Gouvernante hatte sie, die sich unermüdlich im
Selbststudium bildete, Einsicht auch ins Familienleben der wohlhabenden
Klassen.
Die Schlüsse, die sie zog, waren eindeutig. Frauen der höheren Schicht
lebten nur, um sich die Zeit zu vertreiben, hielt sie 1792 in der
protofeministischen Schrift „Verteidigung der Rechte der Frau“ fest. Frauen
seien dabei nicht von Natur an weniger „vernünftig“, vielmehr würden sie
durch schlechte Bildung absichtlich kleingehalten.
## Ehe als einziges Lebensziel
Die Verheiratung sei alleiniges Lebensziel; und auch in der besseren
Gesellschaft führt das laut Wollstonecraft selten zum Glück. In ihrem Roman
„Maria: or, the wrongs of woman“ weiß der Mann Marias nicht mit Geld
umzugehen, die Gelittene hat über ihr eigenes Vermögen jedoch keine
Kontrolle, das ihr der eigene Mann mit allen Mitteln abzujagen versucht.
Jane Austen hat nie geheiratet; welchen Segen die an die Liebe angelehnte
Vernunftheirat letztlich bringt, durfte sie am eigenen Leib nicht erfahren.
Mary Wollstonecraft sprach sich von Kindesalter an gegen die Ehe aus,
schließlich heiratete die frühe Feministin mit William Godwin aber dennoch
einen frühen Anarchisten. Mit ihm bekam sie sogar ein Kind, wobei man über
die Freiwilligkeit dieses Projekts in Zeiten von Schafsdarmpräservativen
nur mutmaßen kann. Sie überlebte die Geburt auch nur um zehn Tage, dafür
überlebte ihre Tochter den männlichen Literaturkanon bis in die heutige
Zeit: Mit [4][Mary Shelley] erblickte 1779 die Schöpferin des Frankensteins
das Licht der Welt.
11 Dec 2025
## LINKS
[1] /250-Geburtstag-von-Jane-Austen/!6135586
[2] /Jane-Austen-und-die-Geschlechterrollen/!6136414
[3] /Streit-um-nackte-Frauenstatue-in-London/!5725354
[4] /Spazieren-auf-Autorinnen-Spuren/!6024926
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Schwerpunkt Jane Austen
Feminismus
Heirat
England
Schwerpunkt Jane Austen
Schwerpunkt Jane Austen
Schwerpunkt Jane Austen
Schwerpunkt Jane Austen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jane Austen: Schreiben und Anerkennung
Austens Erfolg als Schriftstellerin kam spät, doch sie konnte ihn noch
genießen. Wenn sie in der Familie vorlas, wurde schallend gelacht.
Jane Austen und die Geschlechterrollen: Neue Frauen an der Seitenlinie
In „Überredung“ blickt Jane Austen auf ein neues Geschlechterverhältnis.
Womöglich hat ihr letzter Roman eine heimliche, uneingestandene Heldin.
Jane Austens Roman „Northanger Abbey“: Catherine und die Geister
Auch in „Northanger Abbey“ wird am Ende geheiratet. Aber bis dahin
parodiert Jane Austen kunstfertig und liebevoll den damals populären
Schauerroman.
250. Geburtstag von Jane Austen: Wenn Paare zueinanderfinden
Das Romance-Genre boomt und beruft sich auf Jane Austen als Ahnherrin. Zu
Recht? Auftakt einer Reihe zum 250. Geburtstag der britischen Autorin.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.